Aussagen: 1953-03-20 Ney Heinrich

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Quelle

Staatsarchiv München

Detailinformationen

Protokoll der richterlichen Vernehmung des Heinrich Ney vom 20. März 1953

Datum

20. März 1953

Ort

Kaufbeuren

Zugegen

Heinrich Ney
David, Justizangestellter
Schuster, Gerichtsassistent

Inhalt

Zeugen-Vernehmung
in der Strafsache (Ermittlungssache)
gegen/ wegen Gegenwärtig:

Kaufbeuren, den 20. März 1953

Ger. Ass. Schuster,
der Amtsrichter
Just. Ang. David
Der stv. Urk. B.
Auf Ladung fand sich ein, der nachbenannte Zeuge.

Der Zeuge wurde mir dem Gegenstand der Vernehmung vertraut gemacht, zur Wahrheit ermahnt, über die Bedeutung des Eides und die strafrechtlichen Folgen einer unrichtigen oder unvollständigen Aussage belehrt und sodann vernommen wie folgt:

1. Zeuge:

Zur Person:
Ney Heinrich, geb. 21.11.1895 in Neuburg a. d. Donau, verheiratet, Gerichtsvollzieher in Kaufbeuren, Edelweißstr. 31

Zur Sache:
Ich bin am 1.1.1921 zur Staatsanwaltschaft Neuburg/Donau als Kanzleiassistent gekommen. Zur damaligen Zeit war Herr Staatsanwalt Renner erster Staatsanwalt bei der Staatsanwaltschaft Neuburg/Donau. Die Staatsanwaltschaft Neuburg/Donau wurde ungefähr am 2. oder 3. April 1922 (Tag der Entdeckung der Tat) von der Gendarmeriestation in Schrobenhausen oder Geiselhöring über den Mord in Hinterkaifeck verständigt. Gleichzeitig wurde uns mitgeteilt, dass bereits die Kriminalpolizei München verständigt und bereits unterwegs sei. Ich bin zusammen mit Herrn Staatsanwalt Renner, Landgerichtsarzt Dr. Aumüller und dem Mietautobesitzer Schwimmbacher aus Neuburg a. d. Donau, der das Auto zur Verfügung stellt, an den Tatort gefahren. Dort war bereits die Kriminalpolizei aus München, ( Krim.O-Komm. Neuss) und andere mir nicht mehr bekannte Gendarmeriebeamte.
Herr Staatsanwalt Renner und ich gingen durch die von den anwesenden Gendarmeriebeamten bereits geöffnete Türe in das Wohnhaus und von dort aus in den angebauten Stall und in die Tenne des rechtwinklig angebauten Stadels. Die Tür vom Stadel zur Tenne wird gegen den Tennenraum hin geöffnet. Wir sahen unmittelbar rechts neben der Türe auf dem Boden die Leichen des alten Herrn Gruber, der Ehefrau Gruber und der Frau Gabriel (Tochter des alten Gruber) aufeinander geschichtet, wobei zwischen den Leichen der drei Personen etwas Stroh lag. Die Leiche der 11jährigen Victoria [Anm: gemeint ist Cäzilia] lag dicht neben diesen drei aufgeschichteten Leichen. Nach Abdeckung des Strohs stellten wir folgendes fest:

Die rechte Gesichtshälfte des alten Herrn Gruber war zerschlagen; Die Backenknochen standen heraus, das Fleisch war zerfetzt. Das Gesicht war von Blut verkrustet. Das Gesicht der Gruber war ebenfalls in der Gegend des rechten Auges zerschlagen. Auch die rechte Gesichtshälfte der Frau Gabriel war zerschlagen. Der Schädel des Kindes Viktoria [Anm: gemeint ist Cäzilia] Gabriel war unverletzt, lediglich unter dem Kinn in der Gegend der Halsschlagader klaffte eine Wunde.

Die anwesenden Gendarmeriebeamten erzählten uns, dass bei ihrem Eintreffen ein Jungrind im Stall losgelegt war. Wir schlossen daraus, dass die Täter das Tier loslegten, um die Familie Gruber zu veranlassen, im Stalle Nachschau zu halten. Vermutlich hat zunächst der alte Herr Gruber vom Stall aus die Tenne betreten. Wahrscheinlich sind dann die anderen Familienmitglieder nachgefolgt, nachdem Herr Gruber nicht aus dem Stall zurückkam. Aus der Tatsache, dass alle getöteten Personen Verletzungen an der rechten Gesichtshälfte aufwiesen, schlossen wir, dass die Täter hinter der Tür zur Tenne, die nach rechts in den Tennenraum hinein geöffnet wird, auf ihre Opfer lauerten.

Wir gingen dann in das Magdzimmer im Erdgeschoss des Wohnhauses. Dort sahen wir, dass die Magd auf dem Boden vor dem Bett mit dem Gesicht nach unten lag. Ihr Hinterkopf wies ein Loch auf, das durch das Blut verkrustet war. Der Gerichtsarzt stellte am nächsten Tage fest, dass das Loch etwa 4 cm tief war und vermutlich von einer spitzen Hacke herrührte. Anschließend gingen wir in das Schlafzimmer und fanden dort in der Ecke einen Kinderwagen, in welchem der 3jährige Bub der Frau Gabriel mit zerschmettertem Schädel lag. Das Dach über dem Kopf des Kindes war ebenfalls zerschlagen. Der Schlag wurde also wohl so ausgeführt, dass die Täter mit einem Werkzeug mitten in das Gesicht des Kindes geschlagen haben.

Am nächsten Tag wurden die Leichen auf dem Hof des Anwesens seziert. Herr Landgerichtsarzt Dr. Aumüller erklärte bei dieser Sektion, dass die 11jährige Viktoria [Cilli] Gabriel erst 2-3 Stunden nach der Verletzung gestorben sei.

Die sezierten Leichen wurden in die offenstehende Tenne zurückverbracht. Als sie den alten Gruber, dessen Ehefrau und die Frau Gabriel bereits in die Tenne gebracht hatten und anschließend das 11jährige Kind hineintrugen, bemerkten die zwei Träger und ich, dass von dem Tennenboden ein daumenstarkes Heuseil, das vorher nicht da war, herabhing. Die Träger waren derart erschrocken, dass sie die Bahre beinahe fallen liessen und ganz erschreckt riefen, woher denn plötzlich dieses Seil komme. Wir haben uns sofort gedacht, dass sich jemand in der Zwischenzeit vom Heuseil heruntergelassen hat, weil das Seil nicht in Schlangenlinie, sondern vollkommen straff herunterhing. Oben an dem verstaubten Querbalken, an dem das Seil befestigt war, sah man noch zwei Handabdrücke. Der Knoten, der das Seil mit dem Querbalken verband, war fest zugezogen. Wir teilten unsere Beobachtung der Kommission mit. Trotz Ansetzung des Hundes konnte jedoch keine Spur von den Tätern gefunden werden. An jenem Tage lag Neuschnee.

Auf dem Tennenboden fanden wir im Heu zwei Vertiefungen, die darauf schliessen liessen, dass hier die Liegestätte von zwei Personen war. In der Nähe dieser Liegestätte lag Menschenkot.

Die Dachziegel auf dem Anwesen waren an vier Stellen hochgestellt, so dass die Täter nach allen vier Himmelsrichtungen Ausblick hatten. Bei der Sektion wurden sämtlichen Leichen die Köpfe abgetrennt. Anschliessend wurden die Köpfe an das Pathologische Institut der Universität München zum Präparieren gesandt. Mit diesen präparierten Köpfen fuhr ich im Auftrage des Herrn ersten Staatsanwalts Renner zu einem Hellseher, dessen Namen mir nicht mehr bekannt ist, nach Nürnberg. Mit dieser Fahrt hatte es folgende Bewandtnis: von der Staatsanwaltschaft Neuburg war für die Ergreifung des Täters eine Belohnung von 100 000 Mark, die später auf 500 000 Mark erhöht wurde, ausgesetzt. Hierauf meldete sich ein Hellseher aus Nürnberg, der vorgab die Täter mit Hilfe der Köpfe bezeichnen zu können. Das Ergebnis dieses Versuchs war jedoch negativ. Der Hellseher gab lediglich an, dass 2 Personen die Tat ausgeführt hätten, dass Mondschein geherrscht hätte, dass sich die Mordwaffe noch im Anwesen befinde. Die Ermittlungen wurden durch diese Feststellungen weder in positiver noch negativer Richtung beeinflußt.

Bei den Ermittlungen an Ort und Stelle wurde auch ein Maschinenschlosser vernommen, der um die Zeit der Tat eine Reparatur dem Benzinmotor, der vor dem Anwesen in einer Bodenvertiefung eingebaut war, vornahm. Der Maschinenmonteur erzählte damals, dass er den Auftrag einige Tage vorher von dem alten Gruber bekommen habe, seien sämtliche Türen zum Anwesen verschlossen gewesen. Er habe aber trotzdem die Reparatur ausgeführt. Während der Reparatur, die er am Motor in der Erdvertiefung vornahm, habe er sich einmal kurz umgeblickt und das Gefühl gehabt, dass eine menschliche [Gestalt] vorbei husche. Falls der Monteur das Innere des Anwesens betreten hat (was er meiner Erinnerung nach laut einer Zeitungsmeldung bei seiner Vernehmung angegeben hat), so konnte er nur durch den Eingang zur Tenne in das Haus gelangen, da alle übrigen Türen von innen verriegelt waren;
[handschriftlich ergänzt: "er hätte an den Leichen vorbeigehen müssen"]
Der Tatverdacht richtete sich nach der Entdeckung der Tat zunächst gegen den Nachbarn Schlittenbauer, der mit der ermordeten Familie in Feindschaft lebte. Es ist mir auch erinnerlich, dass im Jahre 1922 oder 1923 Ermittlungen gegen eine andere Person gepflogen worden sind, doch weiss ich heute nicht mehr, ob diese Person den Namen Gump führte. Als Herr Staatsanwalt Renner und ich zum ersten Mal auf das Anwesen der Ermordeten kamen, fanden wir im Küchenfenster ein oder zwei Briefe und Tageszeitungen mit einem 2-3 Tage alten Erscheinungsdatum. Der herbeigerufene Postbote bestätigte, dass er seit 3 Tagen niemand mehr von der Familie Gruber gesehen habe und dass er daraufhin die Behörde verständigt habe.
Die im Stall des Anwesens Gruber gestandenen 3-4 Milchkühe sind während der Tage nach der Tat gemolken worden, was daraus zu entnehmen war, dass ihr Euter normal aussah.
In einer neben der Magdkammer liegenden Kammer fanden wir in einem Schrank, der durch Getreidesäcke verstellt war in einer Blechbüchse Gold- und Silbermünzen im Werte von mehreren tausend Mark vor.

v.g.u.u.
Heinrich Ney

Verbindung zum Mordfall Hinterkaifeck

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