Zeitungsartikel: 1953-01-19 Abendzeitung: Unterschied zwischen den Versionen

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So richtig kannte sich eigentlich kein Mensch in den benachbarten Dörfern [[Orte: Waidhofen|Waidhofen]] und [[Orte: Gröbern|Gröbern]] mit den Bewohnern der Einöde Hinterkaifeck aus. Sie waren zwar hilfsbereit und freundlich zu jedermann, sie waren geachtet, und sie gingen sonntags brav in die Kirche, aber sonst führten sie ganz ihr eigenes Leben. Nur die allernächsten Nachbarn kamen mitunter in das Innere des Hofes, Hausierer und Hamsterer. Reisende wurden ziemlich kurz abgewiesen. Und selbst der Postbote, ein lustiger, pfiffiger Bursche, durfte höchstens einmal im Monat, wenn er die Witwenrente für die junge Bäuerin brachte, das Haus betreten.<br>  
So richtig kannte sich eigentlich kein Mensch in den benachbarten Dörfern [[Orte: Waidhofen|Waidhofen]] und [[Orte: Gröbern|Gröbern]] mit den Bewohnern der Einöde Hinterkaifeck aus. Sie waren zwar hilfsbereit und freundlich zu jedermann, sie waren geachtet, und sie gingen sonntags brav in die Kirche, aber sonst führten sie ganz ihr eigenes Leben. Nur die allernächsten Nachbarn kamen mitunter in das Innere des Hofes, Hausierer und Hamsterer. Reisende wurden ziemlich kurz abgewiesen. Und selbst der Postbote, ein lustiger, pfiffiger Bursche, durfte höchstens einmal im Monat, wenn er die Witwenrente für die junge Bäuerin brachte, das Haus betreten.<br>  
Da war der alte Bauer, [[Personen: Gruber Andreas|Andreas Gruber]]. Mit seinen 64 Jahren noch sehr rüstig, der es an Kraft, Arbeitswut und Behändigkeit noch leicht mit jedem Jungen aufnahm. Und dann seine Frau, die um neun Jahre ältere [[Personen: Gruber Cäzilia|Cäcilie Gruber]], die stets ein wenig verhärmt, bedrückt und ängstlich aussah. Sie war schon nicht mehr besonders gut auf den Beinen.<br>  
Da war der alte Bauer, [[Personen: Gruber Andreas|Andreas Gruber]]. Mit seinen 64 Jahren noch sehr rüstig, der es an Kraft, Arbeitswut und Behändigkeit noch leicht mit jedem Jungen aufnahm. Und dann seine Frau, die um neun Jahre ältere [[Personen: Gruber Cäzilia|Cäcilie Gruber]], die stets ein wenig verhärmt, bedrückt und ängstlich aussah. Sie war schon nicht mehr besonders gut auf den Beinen.<br>  
Als ihre gemeinsame einzige Tochter [[Personen: Gabriel Viktoria|Viktoria]] vor dem Weltkrieg den Nachbarssohn [Personen:Gabriel Karl|Karl Gabriel]] heiratete, übergaben die Alten den Hof Ihren Kindern und blieben nach alter Sitte bei ihnen als Austragsgütler. Dann mußte der Karl den Soldatenrock anziehen und in den Krieg hinaus. Schon wenige Tage vor Weihnachten 1914 schrieben seine Kameraden, daß er bei Neuville an der Westfront den Soldatentod  gestorben sei. Der alte Gruber war wieder Bauer auf seinem Hof, und die blonde, temperamentvolle Veronika (Viktoria) war wieder allein. Manch einer der Dorfburschen bemühte sich um die junge Frau, die nicht nur recht hübsch, sondern auch noch eine ausgesprochen gute Partie war. Aber die „Vik", wie man sie in Waidhofen und Gröbern kurz nannte, war auf geradezu rätselhafte Weise ablehnend. Sie kam zwar jeden Sonntag ins Dorf, um im Kirchenchor zu singen, aber wenn es heim ging, stand plötzlich der alte Gruber an ihrer Seite, sie hängte sich bei ihm ein und die beiden verschwanden in Richtung Hinterkaifeck. Dann begann man zu munkeln. Die Vik brachte ein Kind zur Welt, ein nettes kleines [[Personen: Gabriel Cäzilia|Mädchen]]. Die Dorfklatschbasen rechneten es an den Fingern ab, über ein Jahr war schon vergangen, seit der arme Karl Gabriel zum letztenmal auf Urlaub daheim gewesen war. Und seit seinem Tod hatte sich die Vik ganz bestimmt mit keinem der Dorfburschen abgegeben. Dann wurde eine [[Personen: Rieger Kreszenz|Magd]] in Hinterkaifeck entlassen. Auch sie berichtete seltsame Dinge von der großen Liebe und den Zärtlichkeiten zwischen der Viktoria und dem alten Gruber. Es kam Schließlich zu einem hochnotpeinlichen Verhör durch den Dorfgendarmen, es gab Gerichtsverhandlungen, Zeugen marschierten auf und am Ende mußten die Viktoria und ihr Vater wegen [[Sachverhalte: Strafprozess wegen Blutschande gegen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel 1915|blutschänderischen Beziehungen]] ins Gefängnis. „Zwei Jahre hams drin’sessen“, berichtet der heutige Bürgermeister von Waidhofen. Doch eines Tages waren sie wieder daheim, der Gruber und seine Tochter. Zuerst zog man im Dorf noch ein bißchen die Nase hoch, aber schließlich kam so was auf den Einödhöfen in den dunklen Wäldern von Schwaben ja öfter vor. Die Viktoria ging wieder fleißig zum Chorsingen und der Gruber schaffte wieder wir ein Junger auf den Feldern um Hinterkaifeck.<br>
Als ihre gemeinsame einzige Tochter [[Personen: Gabriel Viktoria|Viktoria]] vor dem Weltkrieg den Nachbarssohn [Personen:Gabriel Karl|Karl Gabriel]] heiratete, übergaben die Alten den Hof Ihren Kindern und blieben nach alter Sitte bei ihnen als Austragsgütler. Dann mußte der Karl den Soldatenrock anziehen und in den Krieg hinaus. Schon wenige Tage vor Weihnachten 1914 schrieben seine Kameraden, daß er bei Neuville an der Westfront den Soldatentod  gestorben sei. Der alte Gruber war wieder Bauer auf seinem Hof, und die blonde, temperamentvolle Veronika (Viktoria) war wieder allein. Manch einer der Dorfburschen bemühte sich um die junge Frau, die nicht nur recht hübsch, sondern auch noch eine ausgesprochen gute Partie war. Aber die „Vik", wie man sie in Waidhofen und Gröbern kurz nannte, war auf geradezu rätselhafte Weise ablehnend. Sie kam zwar jeden Sonntag ins Dorf, um im Kirchenchor zu singen, aber wenn es heim ging, stand plötzlich der alte Gruber an ihrer Seite, sie hängte sich bei ihm ein und die beiden verschwanden in Richtung Hinterkaifeck. Dann begann man zu munkeln. Die Vik brachte ein Kind zur Welt, ein nettes kleines [[Personen: Gabriel Cäzilia|Mädchen]]. Die Dorfklatschbasen rechneten es an den Fingern ab, über ein Jahr war schon vergangen, seit der arme Karl Gabriel zum letztenmal auf Urlaub daheim gewesen war. Und seit seinem Tod hatte sich die Vik ganz bestimmt mit keinem der Dorfburschen abgegeben. Dann wurde eine [[Personen: Rieger Kreszenz|Magd]] in Hinterkaifeck entlassen. Auch sie berichtete seltsame Dinge von der großen Liebe und den Zärtlichkeiten zwischen der Viktoria und dem alten Gruber. Es kam schließlich zu einem hochnotpeinlichen Verhör durch den Dorfgendarmen, es gab Gerichtsverhandlungen, Zeugen marschierten auf und am Ende mußten die Viktoria und ihr Vater wegen [[Sachverhalte: Strafprozess wegen Blutschande gegen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel 1915|blutschänderischen Beziehungen]] ins Gefängnis. „Zwei Jahre hams drin’sessen“, berichtet der heutige Bürgermeister von Waidhofen. Doch eines Tages waren sie wieder daheim, der Gruber und seine Tochter. Zuerst zog man im Dorf noch ein bißchen die Nase hoch, aber schließlich kam so was auf den Einödhöfen in den dunklen Wäldern von Schwaben ja öfter vor. Die Viktoria ging wieder fleißig zum Chorsingen und der Gruber schaffte wieder wir ein Junger auf den Feldern um Hinterkaifeck.<br>
Mit der Zeit gewöhnte man sich dran, daß die in Hinterkaifeck Einzelgänger und Sonderlinge waren. Nur einer, der Ortsführer, der [[ Personen: Schlittenbauer Lorenz|Lorenz Schlittenbauer,]] ein Spezl vom alten Gruber, fast genauso alt wie er und ein glühender Verehrer der Viktoria, war auf ihrem Hof ein oft gesehener Gast.Vielleicht erhoffte er sich von dieser Freundschaft auch etwas. Er konnte unter Umständen seinen eigenen Hof den erwachsenen Kindern übergeben, die Vik heiraten und Bauer auf Hinterkaifeck werden. Diesen Vorschlag soll er, so erzählen heute noch die Bewohner vom benachbarten Gröbern, dem alten Gruber mehr als einmal gemacht haben. Aber der Alte brachte keine besonderen Sympathien für diesen Gedanken auf. Über all dem kam die Viktoria zum zweiten Male in die Hoffnung. Im Herbst 1919 brachte sie einen kleinen Buben zur Welt, den [[Personen: Gruber Josef|Josef]]. Der Schliittenbauer  Lorenz gab vor dem Gemeindeschreiber an, daß er der Vater sei. Es ging das Gerücht durch das ganze Dorf, der Schlittenbauer habe sich mit tausend Mark diese Vaterschafts-Unterschrift vom alten Gruber bezahlen lassen. Denn ein zweites Mal ins Gefängnis wollte der Alte und seine Tochter auf gar keinen Fall. Also wurde der Lorenz der Kindsvater und der Gruber um 1000 Mark ärmer. Dann ging‘s aber in den nächsten Jahren ans Alimente-Zahlen. Und die Viktoria wollte nichts von einer Heirat mit dem Lenz wissen. Außerdem soll sie zu dieser Zeit schon einen anderen Verehrer gehabt haben. Einen großen, kräftigen Burschen mit kohlrabenschwarzen Augen, der immer genauso plötzlich verschwand, wie er wieder erschienen war und den im Dorf eigentlich noch nie einer so richtig von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte.<br>
Mit der Zeit gewöhnte man sich dran, daß die in Hinterkaifeck Einzelgänger und Sonderlinge waren. Nur einer, der Ortsführer, der [[ Personen: Schlittenbauer Lorenz|Lorenz Schlittenbauer,]] ein Spezl vom alten Gruber, fast genauso alt wie er und ein glühender Verehrer der Viktoria, war auf ihrem Hof ein oft gesehener Gast.Vielleicht erhoffte er sich von dieser Freundschaft auch etwas. Er konnte unter Umständen seinen eigenen Hof den erwachsenen Kindern übergeben, die Vik heiraten und Bauer auf Hinterkaifeck werden. Diesen Vorschlag soll er, so erzählen heute noch die Bewohner vom benachbarten Gröbern, dem alten Gruber mehr als einmal gemacht haben. Aber der Alte brachte keine besonderen Sympathien für diesen Gedanken auf. Über all dem kam die Viktoria zum zweiten Male in die Hoffnung. Im Herbst 1919 brachte sie einen kleinen Buben zur Welt, den [[Personen: Gruber Josef|Josef]]. Der Schliittenbauer  Lorenz gab vor dem Gemeindeschreiber an, daß er der Vater sei. Es ging das Gerücht durch das ganze Dorf, der Schlittenbauer habe sich mit tausend Mark diese Vaterschafts-Unterschrift vom alten Gruber bezahlen lassen. Denn ein zweites Mal ins Gefängnis wollte der Alte und seine Tochter auf gar keinen Fall. Also wurde der Lorenz der Kindsvater und der Gruber um 1000 Mark ärmer. Dann ging‘s aber in den nächsten Jahren ans Alimente-Zahlen. Und die Viktoria wollte nichts von einer Heirat mit dem Lenz wissen. Außerdem soll sie zu dieser Zeit schon einen anderen Verehrer gehabt haben. Einen großen, kräftigen Burschen mit kohlrabenschwarzen Augen, der immer genauso plötzlich verschwand, wie er wieder erschienen war und den im Dorf eigentlich noch nie einer so richtig von Angesicht zu Angesicht gesehen hatte.<br>
Jedenfalls scheint die Freundschaft zwischen dem Schlittenbauer und den Grubers durch diese Geschichte einen Knacks bekommen zu haben.<br>
Jedenfalls scheint die Freundschaft zwischen dem Schlittenbauer und den Grubers durch diese Geschichte einen Knacks bekommen zu haben.<br>
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