Beglaubigte Abschrift.-
Das Amtsgericht Abt. Buchau Magdeburg, den 23. Dezember 1921
Gegenwärtig
Amtsgerichtsrat Lemke als Richter,
Justizanwärter Schilling als Gerichtsschreiber
In der Strafsache gegen den früheren Polizeiinspektor Friedrich wegen Mordes
Erschien auf Ladung der Beschuldigte.
Es wurde ihm eröffnet, was ihm zur Last gelegt werde. Die Befragung über die persönlichen Verhältnisse ergab folgendes:
pp.
Der Beschuldigte befragt, ob er etwas auf die Beschuldigung erwidern wolle, erklärte:
Ich bestreite an der Tötung des Gastwirts Walenczyk beteiligt gewesen zu sein.
Ich habe von der Angelegenheit überhaupt erst später erfahren. Ich war Polizeiinspektor bezw. Polizeioberinspektor bei der Nachrichtenzentrale der „Gruppe Süd" unter Hauptmann von Kessel, der in Wirklichkeit Kiefer heißt und seinen Wohnsitz in München Gräfelfing hatte. Ich habe weder die Verhaftung noch die Erschießung des Walenczyk veranlaßt noch sonst irgend etwas mit dieser Angelegenheit zu tun gehabt. ich habe den Walenczyk auch nie gesehen. Es ist allerdings möglich, daß wir von der Ortskommandantur Gogolin telefonisch ersucht worden sind, den Walenczyk festzunehmen. Denn ich erinnere mich jetzt, damals gehört zu haben, daß er bei Ujest als polnischer Spion von Fronttruppen festgenommen worden sei. Möglicherweise ist Walenczyk der Ortskommandantur Gogolin, der die Gefangenen von, der Front zugeführt wurden und die zwischen uns und der Front lag entwichen, sodaß, wir von Gogolin aus um Wiederfestnahme ersucht worden sind. Nur so kann ich mir die mir vorgehaltene Behauptung des Stenzer erklären. Stenzer hatte die aufgefundenen verstümmelten deutschen Leichen, die telefonisch gemeldet wurden, zu photografierenund hatte deshalb ein Motorrad zur Verfügung. Es ist möglich, daß
ich ihn wegen dieser schnellen Fortbewegungsmöglichkeit mit der Festnahme des Walenczyk beauftragt habe. Positive Erinnerungen habe ich, wie gesagt, davon nicht; ich möchte nur darauf hinweisen, daß wir täglich manchmal mit 400 Gefangenen, die frisch eingeliefert waren zu tun hatten.
Auf keinen Fall habe ich die Erschießung des Walenczyk angeordnet. Ich habe überhaupt keine Erschießung veranlaßt.
Die dem Standrecht verfallenen Verbrecher wurden von uns entweder den Ortskommandanturen oder der Gruppe zugeführt. Von dort aus wurde dann das weitere veranlasst. Ohne standgerichtliche Verurteilung ist meines Wissens überhaupt niemals eine Tötung erfolgt.
Es ist auch nicht richtig, daß ich den Transport des Walenczyk in einer Kutsche von Krappitz aus veranlasst und auf einem Motorrad begleitet hate. Die Sache verhielt sich vielmehr folgendermaßen;
In Leschnitz befand sich eine Zweigstelle der Polizeiabteilung Gruppe “Süd", die ich einige Wochen lang zu kontrollieren hatte. Diese Kontrollbesuche geschahen stets von Krappitz aus mit dem Auto. Als ich eines Morgens wiederum fahren sollte, war das Auto
nicht zur Verfügung. Hauptmann von Kessel befahl deshalb, daß angespannt wurde.
Da das eine der beiden Wagenpferde krank war, musste ein Reitpferd mit eingespannt werden. als wir losfahren wollten, schlug das Reitpferd um sich und ging nicht von der
Stelle. Hauptmann von Kessel befahl nun, daß der Kutscher Seirer das Reitpferd einfahren sollte, da wir für die nächste Zeit auf dasselbe als *Wagenpferd angewiesen waren. Ich selbst erhielt den Auftrag, zusammen mit Dressel aus einem Motorrad zu der Revision
nach Leschnitz zu fairen; ich selbst konnte nämlich das Motorrad nicht bedienen.
Ich bin nun mit Dressel zusammen auf den Motorrad nach Leschnitz gefahren, habe dort die Zweigstelle unter Oberleutnant Schmidt kontrolliert und bin dann mit Dressel zusammen auf dem Motorrad zurückgefahren, Unterwegs auf der Chaussee stießen wir auf das
von Seirer geführte Fuhrwerk, das halb quer auf der Chaussee stand. Da das Reitpferd über die Stränge getreten war, ließ ich Dressel anhalten, was infolge der Geschwindigkeit erst ein Stück hinter dem Fuhrwerk erfolgen konnte, etwa 100-150 Meter.
Ich schickte Dressel, da ich annahm, daß Seirer allein sei, zurück, um den Wagen wieder in Ordnung zu bringen und dem Seirer zu helfen. Ich sah nun, daß Dressel sich, nachdem er die Stränge in Ordnung gebracht hatte, zu Seirer auf den Bock stieg und mit dem Wagen weiterfuhr. Infolge der Biegung der Landstraße kann mir der Wagen sogleich außer Gesichtsweite. Ich habe inzwischen bei einer an der Landstraße gelegenen Obstbude Kirschen gekauft und diese verzehrt. jährend ich damit noch beschäftigt war, kam Dressel zurück und wir fuhren weiter nach Krappitz. Den Wagen habe ich erst später in Krappitz wieder gesehen. Er war durch, das Pferd stark beschädigt. Besitzer des Wagens war der Güterdirekter Blaut in Krappitz., den wir später für den Wagen entschädigen mußten.
Irgend jemand anderes außer Seirer habe ich bei dem Wagen der geschlossen war, bei unserer Begegnung auf der Landstraße nicht gesehen. All dies wird Dressel Wort für Wort bestätigen müssen. Wenn er behauptet, ich hätte mit angesehen, das Gump den Walenczyk abgeführt habe, so sagt er allerdings die Unwahrheit. Ich habe weder Gump noch Walenczyk gesehen.
Erst als wir das besetzte Gebiet längst verlassen hatten, habe ich gesprächsweise gehört, daß unter den erschossenen Verbrechern auch Walenczy gewesen sei. Irgendwelche schriftlichen Aufzeichnungen darüber sind mir nicht zu Gesicht gekommen.
v. g. u. gez. Friedrich
gez. Lemke gez. Schilling
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