Beglaubigte Abschrift
Polizeidirektion Kriminalabtlg I.
Penzberg, den 20. Oktober 1921
Auf kurzhändige Einladung folgt mit zur Gendarmeriestation
Penzberg, der led. Bergmann Herr
Eduard Seirer
Z. P. pp.
Z. S. Ungefähr am 23 Mai d.Js. trat ich in das Freiwilligenkorps "Oberland“ ein und kam zunächst nach Krappitz. Ich wurde daselbst sofort der Nachrichtenzentrale zugeteilt, der Herr Hauptmann von Kessel, richtig Kiefer vorstand. Ich wurde mit zu Wirtschaftspatrouillen verwendet. In der genannten Zentrale lernte ich folgende Personen kennen:
Einen Polizeiinspektor Friedrich, der sich später den Namen Fischer beilegte. Ob er auch den Hauptmannstitel angenommen hat, weiß ich nicht. Dann einen gewissen Gump glaublich mit dem Vornamen Adolf. er soll aus der Gegend Garmisch-Partenkirchen stammen. Einen Wilhelm Dressel, der meines Wissens bei der Polizei in Augsburg war. Außerdem Ernst Krammel, der sich nach Auflösung des S.S. einige Zeit in München aufhielt. Sollte man ihn München nicht finden können, so ist er am besten in Holzkirchen, Münchenerstr.139, wo seine Mutter wohnt, zu erfragen. Krammel dürfte 35 Jahre alt sein.
Walter Stenzer, Ltn. Weil, Ltn. Jochmann aus Nordbayern, Ltn. Schmidt, Kurt Hennich aus Nürnberg und Willy Rahn aus Nürnberg ist mir ebenfalls bekannt.
Wo sich diese von mir genannten Personen befinden, kann ich nicht angeben.
Bekannt ist mir, vom Hörensagen, daß von der Nachrichtenzentrale mehrere Personen standrechtlich erschossen wurden. Es handelte sich da um Personen, die Spionagedienst zu Gunsten Polens geleistet haben. Auf wessen Befehl die Erschießungen erfolgt sind, ,entzieht sich meiner Kenntnis. Das Hauptmann von Kessel (Kiefer) die Erschießungen befohlen hat, glaube ich
nicht. Hier möchte ich gleich anfügen, daß dem Hauptmann von Kessel richtig Kiefer nichts Ehrenrühriges von mir nachgesagt werden kann. Er war unter uns geachtet und beliebt. Ich konnte auch die Wahrnehmung machen, daß Herr Kiefer in letzter Zeit mit Friedrich wenig Umgang gepflogen hat. Was die Veranlassung hierzu war, weiß ich nicht.
Ich glaube, daß die Erschießungen nur von Friedrich angeordnet wurden. Dieser hatte auch die Vernehmungen der Vorgeführten. zu machen; es wurde überhaupt die ganze Krim. Abteilung der Nachrichtenzentrale von Friedrich geleitet.
In der zweiten Hälfte des, Juni d. Js., den Tag ,kann ich nicht mehr genau angeben es dürfte 2 Tage nach Beendigung des Jahrmarktes in Krappitz gewesen sein, mußte ich mit geschlossener Kutsche auf .persönliche Anordnung des Friedrich in die Friedrichstraße 2 in Krappitz, wo sich das Büro der Nachrichtenzentrale befand, fahren. Dort ist dann Gump eingestiegen. Auf dessen Anordnung mußte ich zum Spritzenhaus fahren. Er hieß mich da, die Droschke umkehren und ganz nahe an die Tür des Spritzenhauses heranfahren. Nachdem ich vorn an meinen Pferden das Geschirr gerichtet hatte, sagte Gump während. des Einsteigens, ich solle in die Friedrichstraße wieder zurückfahren. Von da ab habe ich schon gewusst, daß wir eine weitere Person aus dem Gefängnisse im Spritzenhause in die Droschke aufgenommen hatten, nur wußte ich nicht, was für eine Person.
Beim Zurückfahren trafen wir unterwegs mit Friedrich, zusammen, der dem Gump einen Spazierstock in den Wagen reichte. Gump befahl mir dann mit dem Wagen über die Oderbrücke und hernach in Richtung Leschnitz auf der Landstraße zu fahren. Während der Fahrt schaute ich ins Wageninnere und bemerkte da einen älteren Mann mit Wimmerl und Beulen im Gesicht.
Zwischen Leschnitz-Bhf. und der Stadt selbst -Bahnhof und Stadt liegen eine gute halbe Stunde auseinander- trafen wir dann mit unserem Gefährt auf der Landstraße auf Friedrich und
Dressel. Sie hatten ein Motorrad bei sich. Diese Beiden sind uns auf einer anderen Straße, jedenfalls über Annaberg vorgefahren. Friedrich sagte zu mir, ich solle den Kutschersitz. Verlassen und solle bei ihm -Friedrich- zurückbleiben. Hernach fuhr Dressel mit der Kutsche weiter. nachdem das Gefährt eine kurze Strecke gegangen war, wollten die Pferde ficht mehr gehen, worauf ich auf Ersuchen des Dressel die Kutsche wieder lenken musste. Vor Leschnitz Stadt bogen wir von der Landstraße ab in einen Feldweg, der einen Wald entlang führte. Weil, nachdem wir in ein zweites Wäldchen gekommen waren, die Pferde nicht mehr vom Platze zu bringen waren, stiegen Gump und Dressel aus. Sie redeten leise miteinander und ersuchten mich, auf den Gefangenen aufzupassen. Unterdessen gingen jump und Dressel weiter vor.
Letzterer hatte einen Spaten in der Hand. Da die Türe des Wagens offen stand fing der Gefangene mit mir ein Gespräch an und frug mich, er wohl ausgetauscht werden wird. Ich bejahte diese Frage, weil ich selbst glaubte, der Gefangene werde ausgetauscht. Jetzt sagte mir auch der Gefangene, ohne daß ich ihn darum gefragt hätte, daß er der Wirt vorn "Deutschen Haus" sei. Er fügte da noch an, daß er wegen Franzosen und Polen in Unannehmlichkeiten gekommen und deshalb verhaftet worden sei.
Nach 5 'Minuten kamen dann Gump und Dressel wieder zurück. Sie befahlen dem Gefangenen auszusteigen, worauf Gump demselben eröffnete, daß er jetzt standrechtlich erschossen werde. hierauf führten Gump und Dressel gemeinschaftlich den Gefangene weiter vor in den Wald. Kurze Zeit hernach hörte ich aus dieser Richtung einen Schuß fallen. Wer geschossen hat, weiß ich nicht, ich nehme an, da0 Gump es war, weil dieser eine Schußwaffe und Dressel einen Spaten hatte. Nach etwa 20 Minuten kamen Gump und Dressel ohne den Gefangenen wieder zurück. Beide haben sich mir gegenüber nicht geäußert, was sie mit dem Gefangenen gemacht haben, ich habe sie auch nicht darum gefragt. Bei der Rückfahrt trafen wir dann wieder mit Friedrich zusammen, der beim Motorrad zurückgeblieben war.
Ob Dressel mit der Frau des Erschossenen ein Liebesverhältnis hatte, entzieht sich meiner Kenntnis.
Der Name Stellmack, Görlitz und Bannert ist mir unbekannt. Dagegen erinnere ich mich eines Bürgermeisters und eines Apothekers, die mit noch einem Gefangenen von Krappitz aus mit unserer Kolonne geführt wurden. Der Ortsvorsteher und der Apotneker wurden am Tage darauf in einem Walde bei Kasimir erschossen, , was ich mit eigenen Augen gesehen habe. Wer den Befehl hierzu gab, weiß ich nicht. Erschossen wurden dieselben von einen gewissen Mussweiler, Gump ist dabei gestanden. ich habe auch gesehen, wie einer der Gefangenen, ich glaube es war der Apotheker, dem Mussweiler oder Gump ein Zigarettenetui gab mit dem Ersuchen, dieses Etui seiner Braut auszuhändigen. Seinen kurzen Überzieher übergab dieser Mann dem Krammel, der dieses Kleidungsstück auf den Bagagewagen warf. Von dem anderen Gefangenen -Grtsvorsteher- habe ich nicht gesehen, daß er vor seiner Erschießung etwas übergeben hatte. Was mit diesen Sachen weiter geschah, weiß ich nicht, von Goldgeld oder anderem Gelde das den Gefangenen abgenommen worden sein soll, habe ich ebenfalls keine Kenntnis. Ich hörte aber später von mehreren Kameraden, daß der Bürgermeister viel Geld, darunter viel Goldgeld gehabt haben soll. Was mit dem Gelde geschehen ist, darüber hat sich niemand geäußert.
Der 3. Gefangene -Banert- wurde glaublich vor Schönau entlassen, ich habe dies wenigstens so gehört.
Von Leobschütz aus musste ich am 4. Juli d. Js. an einem Nachmittage, mit einem Leiterwagen 6 Gefangene in die Nähe fahren, wo der Ortsvorsteher und. der Apotheker erschossen wurden. Begleitet war der Transport außer mir von Gump und Mussweiler, diese haben auch die 6 Gefangene in den Wald hinein geführt und erschossen. Ich nehme dies wenigstens an, weil 6 Schüsse gehört habe und weil Beide hernach ohne den Gefangenen zurückkamen. Daß Gump oder Mussweiler Kleidungsstücke wie Stiefel sich von den Gefangenen angeeignet hätten, davon
weiß ich nichts. Ich habe auch derartige Sachen bei ihrer Rückkehr nicht gesehen. An den Datum vom 4. Juli erinnere ich mich deshalb so gut, weil wir am 5. Juli aus Leobschütz weg und in die Nähe von Neisse kamen. Ob Herr Hauptmann von Kessel, richtig Kiefer von diesen standrechtlichen Erschießungen Kenntnis hatte, weiß ich selbst nicht. Nach meinem Empfinden sind die Befehle zum erschießen der Gefangenen von Friedrich ausgegangen.
Ich versichere, daß dievorstehend von mir gemachten Angaben, der Wahrheit entsprechen , und kann dieselben jederzeit unter Eid wiederholen.
Einen Bruno Theuer kenne ich nicht. Außerdem möchte ich noch angeben, daß Krammel von all diesen Sachen mehr weiß als ich. Sonst kann ich zur Sache nichts mehr angeben.
L.U.
gez. Eduard Seirer gez.Spörl, Krim.Assistent .
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Weilheim, den 31. März 1922.
P r o t o k o l l
in Sachen wie vor.
Gegenwärtig
AmtsgerichtsDir. Kronz
Kzl. Assistent Still
Der Nachgenannte wurde gem. § 136 der R. St. P. O. vernommen wie folgt.
Z. P.
Eduard Seirer, das Übrige Bl. 25 erhoben.
Z. S.
Dem Genannten wurde zunächst die Eröffnung der Voruntersuchung nach Bl. 51 und 52 bekannt gegeben, worauf er erklärte.
Meine Angaben Bl. 25 und 26 des Aktes die mir soeben verlesen und besprochen wurden, entsprechen vollständig der Wahrheit, während jene des Friedrich Bl. 44 unwahr sind. Ich habe meinen Angaben nur das beizufügen, daß ich erst
während der Fahrt gemerkt habe, daß ein Ungekannter im Wagen drinnen sitze und daß ich von anfang an nicht wußte, wohin ich zu fahren habe. Gump gab mir immer nur ein Stück des Weges an und wenn solches zurückgelegt war, die weitere Wegstrecke; ich hatte auch keine Ahnung, was mit dem Manne eigentlich geschehen solle. Ich habe den ganzen Vorfall späterhin dem Erasmus Krammel erzählt, aber das war bereits zu München und wird um den 20. Juli herum gewesen sein, denn am 12. gl. Mts. wurde ich vom Selbstschutz entlassen. Ich habe auch schon seit etwa Ende Juni 1921 von Gump nichts mehr gehört und habe mich auch weiter um ihn nicht gekümmert. Die vom Erasmus Krammel gegebene Personalbeschreibung des Gump ist richtig. Auch von dem Verhältnisse der Frau Walenczyk habe ich keine Kenntnis, nur gelegentlich hat mir ein Mann von meiner Komp. aber nur so vorübergehend erzählt, daß sie 1000 Mark dafür gebe, wenn ihr Mann wegkomme. Aber ich habe gar nicht darauf ' geachtet und weiß auch nicht, ob und mit wem sie etwa ein Verhältnis unterhielt.
Meine Aufentnaltsänderung werde ich zu der angegebenen Ziff. dem Untersuchungsrichter gegebenenfalls mitteilen.
v. g. u. gez. Seirer
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Mit der Urschrift gleichlautend
Oppeln, den 16. April 1922
Handschr. Unterschrift des Justizinspektors
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