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Schrobenhausen
mit nachstehender Beantwortung des Fragebogens für Volkskunst und Volkskunde.
I. Sitte und Brauch
1. Im Alltagsleben
Die Suppn am Morgen wird im Sommer um 5 1/2 Uhr, im Winter um 6 1/2 Uhr eingenommen; sie besteht in einer kräftigen Wassersuppen mit Zwiebeln aufgeschmalzen u. (rohen) gekochten Kartoffeln. Um 9 Uhr folgt die "Broatzeit", welche im Sommer aus Bier u. Brot, im Winter aus Kraut und Brot besteht.
D`Mittagsuppn wird um 11 Uhr verzehrt, sie besteht aus Kraut und Knödel (manchmal auch Fleisch) im Winter u. aus eingekochter Suppe, Salat u. Nudel im Sommer.
Um 3 Uhr ist Nachmittagsbrotzeit, gewöhnlich mit Bier und aus den Überbleibseln vom Mittag.
Im Winter um 7 Uhr, im Sommer um 9 Uhr ist das Abendessen gerichtet, welches aus Suppe mit Nudeln oder auch Kartoffeln besteht.
Der Tisch mit einem farbigen Tischtuche gedeckt; gegessen wird aus einer gemeinsamen Schüssel; jeder Zehrer hat seinen blechernen Löffel.
Vor dem Essen betet die 1. Magd vor, nach dem Essen wird das Gebet gemeinsam gesprochen.
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Beim Dampfnudeln machen gibt die Bäurin drei Kreuze über den Teig, damit selbe nicht "zsammenhocke".
An den Winterabenden karten Bauer und Knechte, u. Bäuerin mit den Mägden stricken; nebenbei lustige und schaurige Geschichten erzählt, bis um 1/2 9 bzw. 10 Uhr zu Bette gegangen wird.
"Der Kloas" kommt am 6. XII., angetan mit Zipfelhaube u. einem alten Mantel, macht mit einer Kette viel Spektakel,
2. An Fest u. Feiertagen.
nimmt böse, unartige Kinder eine Strecke mit u. läßt sie dann laufen; guten, braven Kindern Werden Äpfel u. Nüsse beschert. In "d Mette" gehen Weiber und Kinder, während die Männer das Haus bewachen müssen. Um 1 Uhr nach Schluß der Mette gibts "Mettnwürste" , wobei jung u. alt Leber- und Blutwürste mit Nudeln verzehren. Das Christkind kommt in die meisten Häuser, bringt einen einfachen Baum mit Zuckersachen u. Äpfeln u. Nüssen u. zwar erst nach der Mettn.
Am 28. Dezember (Unschuld. Kindertag) gehen die Knechte und Kinder zum "Aufkindln"; Mägde und Bäuerin müssen dafür Schnaps bezahlen. Zu Neujahr wird ein Gutes neues Jahr gewünscht mit folgendem Spruche: "Wünsche ein gutes, neues Jahr", Christkindl mit`m kräuselten Haar, Gsundbleibn u. a langs Leben u. an Geldbeutel voll Geld daneben".
Lichtmeß "schlankeln" die Dienstboten. Fastnacht gehen Kinder, Knechte u. Mägde "Maskern". Während der drei Tage darf Fleisch u. Bier in einem Bauernhause nicht ausgehen. Am Aschermittwoch ist die "Geldbeutelwasch".
An Ostern beschenken die Mädchen die Knaben mit gefärbten Ostereiern; am Ostermontage gehören die Legeier der ersten Magd, am Montage der zweiten u. am Dienstage dem Hausmädchen; kommen die Burschen zum "Kammerfensterl" so bekommen sie 5-10 Eier u. beim Tage 2-6 Zigarren.
Die Wirte verabreichen am Ostertage jedem Gaste 2 Zigarren gratis. "Taufwasser, Palmzweige u. Holzkohle" die
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sogenannte "Taufweich" werden am Ostersamstage vom Bauern auf jeden angebauten Kornacker getragen.
Am 1. Mai wird unter Tanz der Maibaum aufgestellt; Die Burschen haben die Figuren geschnitzt, während die Mädchen Kränze gewunden haben.
Während es am Palmsonntage den "Palmesel" gibt, wird zu Pfingsten der zuletzt das Bett verlassende "Pfingstlümmel" genannt, der von allen Hausbewohnern richtig ausgelacht wird.
An Fronleichnam "pranga" Deandl; sie gehen mit Kränzen auf dem Kopfe mit der Prozession; nachmittags wird "zum Bier" gegangen:
Am Johannistag gibts "Hollerküchl", Semmelküchln nur Schmalznudeln.
An "Kirta" gibts Fleisch, Bier u. Nudeln; abends gibts eine Gans mit Bier, soviel jeder trinken will und mag.
Zu Allerseelen bekommen Tauf- und Firmdodeln Seelenzöpfe; abends geht alles um 6 Uhr vom Wirtshause heim, um Rosenkranz für die Abgestorbenen zu beten.
"Martini" ziagn d`hüta aus u. stehen ein; die Bauern, die welche austreiben, haben das Graffelwerk des "Hüatas" an Ort und Stelle zu schaffen, wobei aber an jedem Gasthause, an welchem vorbeigefahren, einzukehren ist nur eine Maß auf das Wohl des neuen Hüaters mitgenommen wird.
"Ulrichstag" 4. Juli ist ein Unglückstag, denn da "dahängts sie oder vertränkts sie oaner".
Nach dem Kirchengange zur Kindstaufe wird mit dem Täuflinge, dem Gvatter oder der Gvatterin ins Wirtshaus gegange, wobei Hebamme u. Vizemesner zechfrei gehalten werden; reiche Bauern halten förmliche Mahlzeit, während die ärmeren sich mit Bier, Brot Wurst und Käse sich begnügen.
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Um 6 Uhr abends wird Feierabend gemacht. An den Sonntagen gehen "Manna u. Burschn" zum Bier, die Weiber u. Mägde gehen in Nachbarschaft zum "Ratschn".
3 Im menschlichen Lebenslauf.
Die kleinen Kinder werden von der kath. Hebamme aus der Paar gezogen und ins Haus getragen. Bei der Taufe, die meist am Tage nach der Geburt mittags 1/2 1 Uhr stattfindet, muß der "Dod" oder die Dodin zugegen sein; nach der kirchlichen Feier findet Taufschmaus im Wirtshause statt. Die Namen werden nach Paten, Großeltern u. nach dem Tagesheiligen im Kalender gegeben; Häufig findet man "Wendelin" den Patron der Kirche. Doppelnamen kommen nicht vor.
"Bub u. Deandl, die langer miteinander gegangen sind, gehen zum Vater u. bringen vor, daß er sie möcht."
Die Aussteuer hat die Braut zu richten; am Tage vor der Hochzeit, die wo möglich am Dienstage stattfindet, wird der Kammerwagen gefahren; hier erwarten 4-6 Musikanten jeden Hochzeitsgast mit einem Tusch; hiebei gehen 2-3 Maßkrüge in der Runde herum. Um 10 Uhr der Hochzeitszug mit Musik zur Kirche; der Bräutigam ist stets vom Pfarrer begleitet, während die Braut vom "Brautführer" geführt wird. hat ein Hochzeiter sein erstes Mädel sitzen lassen, so werden vor deren Haus am Hochzeitstage "Häcksel gestreut" bezw. dieser "wird Streu gemacht".
In der Kirche reicht nach der Trauung der Pfarrer sämtlichen Hochzeitsgästen aus einem Glase Wein zum trinken, wozu von den Musikanten ein Marsch geblasen wird.
Beim Hochzeitsessen gibt es sog. "Draufgeher" welche den "Bschoar" in ein Tüchlein einwickeln u. nach Hause tragen. Schlußgericht bei jeder Hochzeit sind die sog. "Zwetschgnsemmeln". Der Hochzeitslader
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sammelt das "Weisasts" (Hochzeitsgeschenk) ein.
Am nächsten Sonntag nach der Hochzeit besuchen die neu Verheirateten, um, die letzte Suppe zu essen.
Ist eine Leiche im Haus, so muß die Seelennonna mit den nächsten Nachbarn wachen, wobei Schnaps getrunken wird. Beim Abholen der Leiche reicht die Einmacherin (Totenweib) den Trauergästen einen Laib Brot mit dem Ersuchen, ein Stückchen abzuschneiden um "Vergelts Gott" für den Abgestorbenen zu sammeln.
Nach der Leiche, dann nach dem "Dreissigst" bei Reichen auch nach dem "Siebent" finden im Gasthause mit den Anverwandten Totenschmause statt. Die Trauerzeit dauert 4-6 Wochen. Bei Unglücksfällen "Marterle" errichtet, welche in simpler Weise entweder das Unglück selber, oder eine Abbildung der "armen Seelen" im Fegefeuer darstellen. Totenbretter traf ich nur auf dem Wege von Wangen nach Klosterberg.
4. In Haus- u. Feldwirtschaft.
Die Aussaat darf nur von den Weibern geschehen. Beim "Flurumgang" muß die ganze Pfarrei begangen werden, damits nicht verhagelt wird.
Ist das Korn vor Haben eingebracht gibts abends Fleisch mit Bier.
Bei Erkrankungen des Viehs kommt vielfach das "Abbeten" in Anwendung.
5. Beim Handwerk.
Im kleinen Dorf gibt es Maurer, Zimmerleute, Schmiede, Schreiner, Schuhmacher, Schneider u. Krämer. Die meisten Handwerker arbeiten im Hause der Kunden. Gesellen u. Lehrbuben gibt es wenige.
6. Rechts- und Verwaltungsbräuche.
Beim Dingen gibt es ein "Drangeld".
Das Gesinde wechselt Lichtmeß.
Den Hof erbt meist der Erstgeborene; die Geschwister dürfen
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im Hause verbleiben. Schulholzfahren, Kirchenwache gehen der Reihe nach um.
Der Marktverkehr geht nach Schrobenhausen.
II. Nahrung u. Kleidung, Wohnung u. Geräte.
1. Nahrung
Hauptnahrung sind Wassersuppen, Kraut, Knödel, Nudeln u. Schweinefleisch. Dienstags, Donnerstags u. Sonntags gibt es immer Knödel u. eigens eine Portion Fleisch.
Schweinebraten gibt es an den Festtagen abends.
2. Kleidung.
Für Alltag: 1-2 Unterröcke, 1 farb. Oberrock mit Taille, 1 farb. Schürze, 1 Kopftuch u. 1 Halstüchel, Strümpfe von roter oder schwarzer Farbe u. Halbschuhe, Leder- u. Holzpantoffeln.
An Festtagen: bunt gefärbte Röcke mit seidenen Schürzen.
Bei Trauer: schwarze Kleidung mit farbigen, seidenen Schürzen.
Hochzeiterinnen bekommen Kranz und Zitronenstrauß (Rosmarin) welchen die "Nahterin" zu besorgen hat.
An Schmuck werden Halskette, Uhr und Brosche getragen, ferner Finger- und Ohrenringe.
3. Wohnung und Geräte.
Vereinzelnd finden sich bei Pferdekummeten noch Dachsfelle vor.
III. Glaube und Sage.
4. Gespenster etc.
gegen das Moos zu gibts Irrlichter; bei schweren Träumen "drückt die Drud". Ein Hase der über den Weg läuft bringt Unglück. Beim erstmaligen Rufen des Kuckucks im Frühjahr auf die Tasche 3x geklopft bedeutet, daß das Geld nie ausgehen soll.
5. Sagen über Entstehung von Ortschaften.
Bei Gröbern stand auf dem Eichelberge ein Schloß Spuren davon sind noch vorhanden) darin hausten der Sage nach als letzte Besitzer 3 Jungfrauen, zwei böse und
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eine gute. (Sie hatten viel Geld u.) die gute war aber blind. Sie hatten viele Schätze u. viel Geld u. wollten dieses eines Tages verteilen. Zu diesem Zwecke nahmen sie einen Kornmatzen u. häuften dahinein die Schätze. Bei der blinden Schwester aber stülpten die beiden bösen Schwestern den Matzen um u. legten nur wenige Goldstücke auf die Oberfläche desselben. Zweimal gelang der Betrug. Beim drittmaligen Füllen des Matzens betastete die blinde Schwester das Gefäß und der Betrug kam auf. Mit schrecklichen Worten verwünschte die Blinde das Schloß mit den Kindern, das augenblicklich vom Boden verschwand; die blinde aber verbrachte den Rest ihres Lebens in einem Kloster. Somit die Sage (Tatsache ist, daß auf dem sog. Eichelberg ein Schloß gestanden u. daß von diesem ein unterirdischer Gang vom ?Beihler? Anwesen in Gröbern angefangen nach Klosterberg führen soll; der Eingang ist seit mehreren Jahren zugemacht worden.
IV. Volksdichtung
1. Volkslieder:
Neben den obligaten Liebeslieder der Burschen, die nicht wiederzugeben sind, ist mir ein einziges wirkliches Volkslied "das faule Gretchen" zu Gehör gekommen; leider ist der Sänger dieses Liedes (Rothoferbauer) mit Tod abgegangen.
2. Kinderlieder.
Nichts von Belang; die bekannstesten: "Mariechen saß auf einem Stein", "Wollt ihr wissen wie der Bauer seinen Weizen säet"
Der Maikäfer wird zum Fliegen zu bewegen gesucht mit folgendem Verslein: "Maikäfer flieg, der Vater ist im Krieg, die Mutter ist im Westen, wo die Maikäfer wachsen".
Der Schneck wird mit folgendem Sprüchlein zu treiben versucht: Schneck, Schneck geh heraus,
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oder i schlag d`r an Loch in`s Haus.
Beim Pfeifenschneiden wird gesprochen: "Pfeiferl, Pfeiferl gidi, kmmt die alte Schmidi, hoat an zrissnen Rock u. a metzel Läus dran".
Bärentreiben, der schwarze Mann, Haschen und Fangen sind die am häufigsten getrieben Kinderspiele.
Ich und du, Müllers Kuh, Bäckers Esel, dran bist du, oder 1, 2, 3, du bist frei oder Ene, bene Tintenfaß geh in d Schul u. lerne was, wenn du was gelernet hast komm nach Haus und sag mir was sind die bekanntesten Abzählverse.
V. Mundart.
1. Name des Ortes.
"Woadhofoa": Waidhofen ist der Name des eigenen Ortes.
Die 3 ältesten Häuser des Dorfes, Pfarrhaus, Wirtshaus u. Postbauernanwesen weisen gleiche Bauart auf nämlich die runde Giebelform sie stammen aus den Anfangsjahren des 18. Jahrhunderts; leider hat das letztaufgeführte Anwesen einem unschönen Neubaue Platz machen müssen. An Hofnamen findet man neben dem Postbauern einen Baierbauern und die Bäuerin, einen Gort und einen Hansolt, einen Weber und Zettelhans, einen Brosi und einen Mäusl, einen Fenzl und einen Girglbauern, einen Schmidhaus und einen Schafflerbartl.
Selbstverständlich handelt es sich nur um eine Skizzierung der einzelnen Fragepunkte.
Waidhofen, 29. Dezember 1908
Michael Hauerstein,
Volksschullehrer
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