Schlittenbauerchronik2: 06

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Erinnerungen v. Alois Schlittenbauer - Dokument 2

Seite 28 bis Seite 33





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AUS DEN AKTEN (IV)


München, 30. März 1931.
Bei der Polizeidirektion München findet sich um 10 Uhr auf Vorladung ein, der verheiratete Landwirt Lorenz Schlittenbauer, geboren am 16.8.1874 in Gröbern, Gemeinde Wangen und dort wohnhaft, und macht auf Befragen folgende Angaben:
Ich lebe seit meiner Geburt in Gröbern und war auch die größte Zeit meines Lebens dort. Lediglich vom 14. Lebensjahr ab, bis nach der Militärzeit war ich an anderen Orten. Ich hatte 11 Geschwister, von denen leben noch 6. Das elterliche Anwesen habe ich 1899 übernommen und meine Eltern haben von diesem Zeitpunkt ab bei mir im Austrag gelebt, aber nicht immer, sie haben zwar von mir den Austrag gehabt, aber es hat nicht immer gut getan und da sind sie auch zeitweilig wo anders gewesen. Mein Vater hat nämlich sein ganzes Geld immer versoffen und da konnte ich ihm gar nicht genug geben und deshalb ist er fortgegangen. Mein Vater ist schon vor dem Krieg gestorben und meine Mutter 1918. Meine erste Ehe habe ich bei der Übernahme vom elterlichen Anwesen im Jahr 1899 geschlossen. Meine damalige Frau hieß Viktoria Tyroller und stammte aus dem Weißkopfanwesen von Ried. Sie ist am 17.10.1918 gestorben. Sie hinterliess mir einen Buben und 3 Mädchen. In den ersten Jahren meiner Ehe lebten in meinem Hausstand noch 3 Geschwister von mir, die mir auch in der Landwirtschaft halfen. Außerdem lebten in meinem Hausstand die Eltern meiner ersten Frau, der Vater ist 1906 gestorben, die Mutter ist heute noch bei mir und ich muss immer noch für sie sorgen, obwohl sie mittellos ist und mich auch nichts angeht. Sie ist schon 84 Jahre alt. Von meinen Geschwistern hat beim Tod meiner ersten Frau niemand mehr bei mir gelebt. Ich habe sie ausheiraten müssen und die meisten sind eigentlich ins Kloster gegangen. Im Jahre 1921 lernte ich meine zweite Frau kennen. Sie stammt von Diepolshofen und hieß Anna Dick. Sie war zu diesem Zeitpunkt in Brunnen bei ihrer Schwester im Dienst. Ich habe sie nur drei Wochen vor der Ehe näher gekannt. Vom Sehen kannte ich sie schon früher. Ich habe mich aber dann, als ich wieder mit ihr zusammen traf, rasch zur Heirat entschlossen, weil ich in meinem Haushalte eine Frau benötigte. Sie war auch gleich mit der Heirat einverstanden. Meine Frau hat 8000 Mark in die Ehe mitgebracht. Das war aber damals nicht mehr viel Geld, weil schon Inflation war, ich hätte mir dafür keine Kuh mehr kaufen können. Ich war um diese Zeit wirtschaftlich recht gut gestellt, weil ich immer gespart und das Geld zusammengehalten habe. Wie ich das zweite mal geheiratet habe, im Jahr 1921, war das Anwesen schuldenfrei und zudem in den vorangegangenen Jahren nahezu neu gebaut worden. Zudem hatte ich damals für 14000 Mark Pfandbriefe. Im Jahr 1921 hat auch meine älteste Tochter Magdalena geheiratet und ich habe ihr 20 000 Mark mitgegeben. Dieses Geld habe ich aus der Landwirtschaft erarbeitet. Es war damals schon nicht mehr so viel wert. Ich selbst habe damals kein Geld gebraucht und habe deshalb die 8000 M, die meine Frau mitbrachte den 4 Kindern verteilt.
Die Familie Gruber von Hinterkaifeck kannte ich seit meiner Kindheit. Das Anwesen in Hinterkaifeck gehörte ursprüng1ich dem Josef Ostermeier und nach dessen Tode heiratete dessen Witwe Cäzilie Ostermeier den Andreas Gruber. Aus der ersten Ehe der Frau Gruber und Josef Ostermeier waren 2 Kinder da, und zwar ein Knabe und ein Mädchen. Der Sohn ist im Krieg gefallen und die Tochter ist heute noch verheiratet in der Nähe von Scheyern. Die Eheleute Gruber hatten mehrere Kinder, von denen aber nur eine Tochter, die Viktoria, am Leben geblieben ist. Die Kinder sind wohl alle gestorben, weil sie keine Pflege hatten und auch nicht genügend ernährt wurden. Ich selbst und auch mein Vater hatten öfters im Sinn, die Eheleute Gruber wegen Kindsmisshandlung anzuzeigen. Wir haben es nämlich öfters erlebt, dass die kleinen Kinder tagelang im Keller bleiben mussten und wenn man vorbei ging, hörte man die Kinder im Keller weinen. Ich sage ganz offen, die Leute waren nicht gut, da hat der Herrgott schon die rechte Hand am rechten Platz gehabt. Die Viktoria Gruber, die später den Karl Gabriel geheiratet hat, war 13 Jahre jünger als ich. Ich kannte sie natürlich auch schon seit ihrer Kindheit, aber in näheren Beziehungen bin ich erst mit ihr getreten, wie sie bereits Witwe war. Etwa im Jahre 13 hat sie den Bauernsohn Karl Gabriel geheiratet. Er wurde von den alten Grubers schlecht behandelt. Der alte Gruber hatte das Heft in der Hand und liess es sich auch nicht nehmen, nachdem er übergeben hatte. Karl Gabriel hat mir gegenüber öfters geklagt, dass es ihm schlecht gehe und dass die Alten so geizig seien, dass es nicht einmal mittags etwas zu essen gäbe. Man hat auch davon schon gesprochen, dass die Ehe wieder geschieden werden sollte. Dazu ist es aber nicht mehr gekommen, weil der Krieg ausgebrochen ist und Karl Gabriel dann bald gefallen ist. Ich weiß noch, dass die alte Frau Gruber, als die Todesanzeige vom Mann der Tochter gesagt hat, jetzt ist die Ehescheidung schon da. Es war ja allgemein bekannt, dass der alte Gruber mit seiner Tochter im Geschlechtsverkehr stand. Die alte Gruberin hat es ja zwar nicht erzählt, aber ihre Tochter, die Viktoria Gabriel, diese war damals 16 Jahre alt. Sie hat meiner ersten Frau erzählt, dass sie sich vor ihrem Vater nicht mehr halten könne, weil er immer Geschlechtsverkehr haben wolle. Nachdem der Karl Gabriel gefallen war, ist dann auch, wenn ich mich recht erinnere, ein Strafverfahren eingeleitet worden und der alte Gruber und seine Tochter wurden verurteilt. Die Viktoria Gabriel war überhaupt für den Geschlechtsverkehr leicht zu haben. Schon bald nach dem Tode ihres Mannes habe ich einmal mit ihr zusammen einen Schrank transportiert. Wir fuhren zusammen mit meinem Fuhrwerk und da hat sie sich mir direkt angeboten. Sie sagte, du könntest mich leicht anpacken, ich ging darauf aber nicht ein, denn ich war damals noch verheiratet.
Nach dem Tod meiner Frau am kam eines Tages die Viktoria Gabriel zu mir in den Heustadel, passte mich dort ab und machte mir den Vorschlag, ich solle sie heiraten. Meine Frau war damals etwa 14 Tage tot. Ich sagte nicht nein, weil ich mir dachte, ich brauche für mein Anwesen doch wieder eine Frau. Sie bot sich mir auch gleich zum Geschlechtsverkehr an, ohne dass ich einen diesbezüglichen Wunsch geäußert hatte. Indem sie mich packte, warf sie sich aufs Heu und so habe ich damals zum erstenmal mit ihr verkehrt. In der darauf folgenden Zeit kamen es noch einige Male vor, einmal beim Gänseabstechen sagte sie auch zu mir, geh heiraten wir und nahm mich dabei in die Remise, wo sie mich zum Geschlechtsverkehr aufforderte. Mir ist so etwas bis dahin noch nie vorgekommen, dass ein Weib sich selbst so anbietet. Insgesamt werde ich mit ihr höchstens 5 mal Verkehr gehabt haben. Sie machte mir dann einmal den Vorschlag, ich solle mit ihrem Vater wegen dem Heiraten sprechen. Wann das war, weiß ich nicht mehr genau, ich weiß nur, dass sich hinterher herausgestellt hat, dass sie damals bereits in der Hoffnung war. Mir hat sie aber davon nichts gesagt. Ich nahm wirklich an, ich könnte sie heiraten und so ging ich einmal zum alten Gruber und machte ihm den Vorschlag, dass ich seine Tochter heiraten werde. Er war schon damit einverstanden, ebenso seine Tochter. Ich sagte ihm dann noch, dass ich natürlich eine Bedingung mache und das sei, dass er den Geschlechtsverkehr mit seiner Tochter aufhören müsse. Er solle sich bekehren von seinen Sünden und seine Tochter werde ich dann schon auf den rechten Weg führen. Ich sagte ihm auch, dass ich ein guter Christ sei und solche Sachen nicht leiden könne. Er sagte darauf: Wir werden dann schon sehen. Wie ich kurz darauf seine Tochter wieder traf, sagte mir dieselbe, dass sie in der Hoffnung sei, sie sagte auch, dass ich der Vater sei. Ich protestierte dagegen und sagte ihr: Da ist doch dein Vater auch dabei. Sie erwiderte darauf, das ist eben das Bessere, dass ich sagen kann, Vater du bist auch dabei, sonst täte er mich erschlagen. Sie sagte mir auch, dass es dem Vater nicht mehr recht sei mit der Heirat, aber den Vater müsse ich doch machen. Ich kam darauf auch noch mit dem alten Gruber zu sprechen, als ich von der Wiese heim ging. Und da fragte ich ihn, ob das sein Ernst sei, dass ich den Vater machen müsse. Er blieb darauf bestehen und fing gleich mit Himmel -Herrgott an und als ich ihm sagte, dass ich ihn anzeige erwiderte er, das sei ihm gleich. Er rannte mir dann mit der Sense nach und ich lief davon. Ich ging aber dann noch ins Haus zu seiner Frau und seiner Tochter, während dem er noch auf der Wiese war und fragte sie, ob dem wirklich so sei, dass ich den Vater machen müsse, erklärten sie mir auch, dass ich zahlen müsse.
Ursprünglich hatte mir die Viktoria Gabriel, als sie mir mitgeteilt hat, dass sie in der Hoffnung sei, gesagt dass ich nichts zahlen brauche, sondern nur den Vater machen solle. Weil er aber dann grob war und sie außerdem Geld verlangte, erklärte ich, ich mache den Vater nicht und ich zeigte ihn dann auch wegen Blutschande an. Das Verfahren wurde eingeleitet und inzwischen kam auch das Kind zur Welt. Am dritten Tage nach der Geburt kam dann die Viktoria Gabriel zu mir, bot mir an, sie zahle das ganze Geld, was die Vaterschaft ausmacht, wenn ich die Vaterschaft übernehme. Da sie auch dazu setzte, dass wir trotzdem heiraten könnten, war ich schließlich damit einverstanden. Sie brachte mir dann auch gleich 2000 Mark, damit ich dann bei Vormundschaft die Abfindung bezahlen konnte.

Frage: Haben Sie niemals mehr Geld bekommen als 2000 Mark?
Antwort: Nein, nur 2000 Mark und sie sagte, wenn es nicht lange, so zahle sie noch drauf.

Frage: Haben Sie auch später nicht mehr Geld bekommen?
Antwort: Nein, niemals, ich habe nur 2000 Mark bekommen, die Abfindung, die ich zu bezahlen hatte, hat 1800 Mark ausgemacht und die restlichen 200 Mark habe ich dann nach einigen Monaten wieder zurück gegeben, weil ich kein Geld habe wollte.

Frage: Sie haben früher angegeben, dass sie 5000 Mark vom Gruber bekommen haben.
Antwort. Halt, halt, jetzt fällt mir ein, ich habe 2000 Mark in Bargeld bekommen und außerdem 3000 Mark bayrische Hypotheken -und Wechselbank Pfandbriefe, damit ich Geld habe, wenn Auslagen kämen. Diese 3 Pfandbriefe habe ich der Gabriel auch nach einigen Monaten wieder zurück gegeben.

Frage: Sind diese Pfandbriefe von Ihnen zurück gefordert worden?
Antwort: Nein, freiwillig. Ich habe diese Pfandbriefe nicht gewollt.

Frage: Sie haben seinerzeit bei der ersten Einvernahme wegen der Blutschande dem Gruber wieder geholfen. Wie verhielt sich das?
Antwort: Da will ich Ihnen schon die Wahrheit sagen: Da ist damals, wie der alte Gruber eingesperrt war, einige Wochen nach der Geburt des Kindes, die Viktoria Gabriel zu mir gekommen und hat furchtbar geweint und mich gebeten, ich solle doch dem Vater wieder heraus helfen und deshalb habe ich mich auch wieder erweichen lassen und habe meine Angaben widerrufen.

Frage: Haben sie damals das Geld von Grubers noch im Besitz gehabt?
Antwort: Ich weiß nicht, es ist schon möglich.
Bei der richterlichen Einvernahme habe ich dann, wie ich vereidigt werden sollte, wieder richtige Angaben gemacht und erklärt, dass mein Widerruf falsch war. Ich habe also für die Vaterschaftsanerkennung keinen Pfennig aus eigener Tasche bezahlt und die Viktoria Gabriel hat mir damals sogar eine Bestätigung gegeben, in der sie die Erklärung abgab, dass ich für die Vaterschaftsanerkennung keinen Pfennig zu zahlen hätte. Diese habe ich noch aufgehoben, bis er im Jahre 1926 beim Brand meines Hauses mitverbrannt ist. Ich habe aber auch für die Vaterschaftsanerkennung nichts erhalten und auch niemals etwas gefordert.

Frage: Die Viktoria Gabriel hat seinerzeit verschiedenen Leuten gegenüber geklagt, dass Schlittenbauer fortgesetzt Geld erpresse ?
Antwort Das kann kein Mensch, diese Leute sollen aufstehen. Ich erkläre nochmal, dass ich niemals einen Pfennig gefordert habe.

Frage: Wo haben Sie sich denn da zu den jeweiligen Aussprachen mit der Gabriel getroffen?
Antwort: Bei mir, sie kam immer zu mir herunter. Das erste mal kam sie bei Nacht, damit sie niemand sehen konnte, die weiteren Male beim Tag.

Frage: Sind Sie nochmals in das Anwesen in Hinterkaifeck gekommen?
Antwort: Nein, das letzte mal war ich droben, wie mir der Alte mit der Sense nachgelaufen ist. Einmal war ich auch noch droben, wie wir die Dampfmaschine hinauf gebracht haben.

Frage: Nach dem Mord haben Sie sich sofort erkundigt, ob Sie ihre Abfindungssumme wieder herausbekommen, die Sie für das Kind bezahlt haben. Wie kommen Sie dazu, nach dem Sie doch nichts aus Eigenem bezahlt hatten?
Antwort: Ich glaube das nicht, denn ich habe ja niemals etwas bezahlt und kann demnach auch nichts fordern. Ich kann mich jedenfalls gar nicht erinnern und kann mir gar nicht denken, wie ich dazu gekommen bin.

Frage: Haben Sie nun eigentlich selbst das Empfinden, dass Sie der Vater des Kindes der Viktoria Gabriel sind?
Antwort: Das weiß ich nicht, das kann ich nicht sagen.

Frage: Wie hat denn der Kleine geheißen?
Antwort: Josef.

Frage: Sie haben später immer von Ihrem Hanserl gesprochen?
Antwort: Das glaube ich nie, ich habe immer mein Buberl gesagt.

Frage: Haben Sie das Kind öfters besucht?
Antwort: Besucht nicht, aber zuweilen getroffen. Ich habe auch mit dem Kind zuweilen gesprochen, wenn ich in den Äckern gearbeitet habe und das Kind zu mir herlief. Auch mit dem alten Gruber habe ich später wieder gesprochen. Wir sind wieder gut geworden, als sie das Geld wieder gehabt haben.

Frage: Sie haben also solange im Streit gelebt, bis das Geld wieder zurückgegeben war?
Antwort: Wir waren höchstens 8 Tage im Streit und sind sehr rasch wieder gut geworden.

Frage: Die Leute haben aber behaupt, dass die alte Frau Gruber und die Viktoria Gabriel nie mehr mit Schlittenbauer gut miteinander geworden sind?
Antwort: Ich kann weiteres nicht sagen, ich habe keine Feindschaft geführt.

Frage: Herr Schlittenbauer, sind Sie vernünftig und sagen Sie die Wahrheit: Sie haben sich doch wegen der Vaterschaftssache furchtbar geärgert?
Antwort: Freilich habe ich mich grün und blau geärgert über die Vaterschaftssach, mein Bub hat mir Vorwürfe gemacht. Schlittenbauer besinnt sich: Dann erklärt er: Es ist nicht richtig, dass ich mich so geärgert habe, ich habe mich mein Lebtag noch nicht geärgert, dass ich auf jemand einen Hass gehabt hätte. Die ganze Gemeinde bezeichnet mich als guten Mann.

Frage: Erzählen Sie, wie der Mord aufgedeckt wurde?
Schlittenbauer erzählt nun Einzelheiten über die seinerzeitige Auffindung der Leichen usw. Seine Angaben decken sich vollkommen mit seinen seinerzeitigen Angaben, weshalb von der nochmaligen Niederschrift abgesehen wurde.

Frage: Haben Sie sich denn nicht gefürchtet, als Sie alleine vom Stall in das Innere des Hauses vorgedrungen sind?
Antwort: Ich war so aufgeregt, dass ich gar nichts mehr gedacht habe, denn ich nahm an, dass mein Bub ja am Verhungern sein müsse. Wenn es auch nicht sicher mein eigenes Kind gewesen wäre, so hatte ich doch Mitleid mit dem Kind und wollte sofort nach demselben sehen. In der Aufregung, in der ich mich befand, hätte ich es mit jedem aufgenommen, der mir in den Weg getreten wäre.

Frage: Sie haben erklärt, sie hätten die vordere Haustüre dann von innen geöffnet und zwar mit dem Schlüssel, der von innen gesteckt habe. Wie erklären sich das, nachdem der alte Gruber erzählt hatte, dass der Hausschlüssel weggekommen sei und dass er nur noch mit dem Riegel absperren könne?
Antwort: Das ist mir selbst ein Rätsel, denn ich weiß bestimmt, dass nur ein Schlüssel da war.

Frage: Wie stellen Sie sich denn vor, wie die Täter aus dem Hause heraus gekommen sind, wenn der Schlüssel innen gesteckt hat?
Antwort: Im Wagenhaus ist ein Seil von oben herunter gehängt und ich glaube, dass die Mörder oben im Heuboden bis zur Wagenremise gegangen sind, man konnte nämlich oben durchgehen und sich dann an diesem Seil heruntergelassen haben.

Frage: Ist Ihnen an den Leichen der alten Frau Gruber und der Viktoria Gabriel etwas aufgefallen, haben Sie Würgespuren gesehen?
Antwort: Nein, so genau habe ich sie nicht angesehen.

Frage: Sie haben angegeben, dass Sie ein oder zwei Tage vor dem Mord zusammen mit dem alten Gruber im Neuschnee die Fußspuren von zwei Menschen gesehen haben, die in die Futterkammer beim Motorenhaus geführt haben, aber nicht mehr heraus. Ein anderer Zeuge hat angegeben, der Vater Gruber habe ihm erzählt, dass er schon mehrmals bei seinem Anwesen die Fußtritte einer Mannsperson gesehen habe?
Antwort: Davon weiß ich nichts, ich habe jedenfalls die Fußspuren von zwei Personen gesehen.

Frage: Sie haben später mit Sigl mehrere Prozesse geführt, wie war denn die Sache?
Antwort: Sigl hat mich als Kaifeckermörder bezeichnet und ich habe ihn wegen Beleidigung verklagt, worauf er zu einer Geldstrafe von 40 Mark verurteilt wurde. Er hat damals auch meinen Sohn Johann Schlittenbauer zu beeinflussen versucht, dass derselbe gegen mich aussagen soll. Ich habe darauf dem Sigl vorgeworfen, dass er meinem Sohn zum Meineid angestiftet habe. Dafür wurde ich dann dreimal gestraft. Ich hätte es ihm ja beweisen können, dass er wirklich meinen Sohn angestiftet hat, aber er hat mir dann leid getan und da habe ich lieber die Strafe auf mich genommen. Der Gemeindeschreiber Dersch hat mich auch öffentlich als Hinterkaifecker Mörder bezeichnet, aber verklagt habe ich ihn nicht, denn was habe ich davon, doch nur Kosten und ich habe mir wieder gedacht, man muss das Unrecht geduldig leiden.

Frage: Sie haben ja dem Dersch sogar Geräuchertes gebracht und ihn ersucht, er solle doch seine Behauptungen nicht mehr aussprechen.
Antwort: Das ist erlogen. Ich habe mich damals furchtbar gekränkt, dass er mich so verleumdet hat, noch dazu vor allen Leuten in der Wirtscbaft, aber nachgelaufen bin ich ihm nicht.

Frage: Es ist auch erzählt worden, dass Sie zur Tatzeit nachts nicht im Hause waren, sondern angeblich im Heu geschlafen haben?
Antwort: Wie nur die Leute so etwas sagen mögen, davon mag ich gar nicht hören. Es ist ja nicht wahr, ich bin bei meiner Frau gewesen.

Frage: Sie sind noch gesehen worden, wie das Haus in Hinterkaifeck schon lange abgebrochen war, dass sie im Schutt gegraben oder vielmehr gesucht haben?
Antwort: Jawohl das ist richtig, ich habe mein Schneidrad gesucht, dass ich dem alten Gruber geliehen hatte. Frage: Der Lehrer Yblagger hat Sie auch einmal an der Stelle getroffen, wo das Haus gestanden ist und damals haben sie erzählt, dass die Täter angeblich ein Loch gegraben haben?
Antwort: Jawohl, das ist richtig, das war ja auch der Fall. Ich habe nämlich am Tage, nachdem die Kommission da war, im Stadelviertel in der Nähe des Auffindungsplatzes der Leichen eine Stelle gefunden, wo ein etwa schaufelstichtiefes Loch gegraben war. Die Aufgrabung war ganz frisch und mit Stroh zugedeckt. Ich glaube auch heute noch, dass die Täter möglicherweise damals die Leichen vergraben wollten, der Boden war aber wohl zu fest.

Frage: In der Wirtschaft sollen Sie sich ja selbst einmal als Täter bezeichnet haben?
Antwort: Ja, aber nur im Spaß. Ich habe mir einmal in der Wirtschaft die Hose zerrissen und bin dann zu der Nachbarin gegangen, wollt mir die Hose flicken lassen. Darauf habe ich gesagt, so jetzt hast du dem Hinterkaifecker Mörder die Hose geflickt. Das habe ich nur deshalb gesagt, weil damals der Dersch mich gerade als Hinterkaifeckermörder ausgeschrieen hatte.

Weitere Angaben kann ich nicht mehr machen. Ich habe jetzt gesagt, was ich weiss.

V.g.u.u. Gezeichnet Lorenz Schlitterbauer.


Anschließend an der Einvernahme wurde Schlittenbauer noch auf die in einzelnen Punkten zu Tage getretenen Unklarheiten seiner Aussagen hingewiesen. Er brachte jedoch seine Antworten in einer Weise vor, dass berechtigte Zweifel an seiner Täterschaft entstehen mussten. Wiederholt beteuerte er unter Tränen seine Unschuld, erklärte, dass er sehr wohl wisse, dass er in der dortigen Gegend als Mörder angesehen werde und betonte, dass dies in erster Linie auf sein tatkräftiges Eingreifen als Ortsführer und auf seine Hilfsbereitschaft zurückzuführen sei. Er habe sich eben aus menschlichen Gründen um alles angenommen, habe sich aber nun nach den gemachten Erfahrungen zum Vorsatz gemacht, nie mehr in so selbstloser Weise einzugreifen.

Anhaltspunkte für ein weiteres Vorgehen sind nicht mehr vorhanden.
Gez. Riedmayr Krim. Inspektor.




(Von den vorherigen Anschuldigungen und den nachkommenden Anschuldigungen wusste unser Vater Lorenz Schlittenbauer wahrscheinlich nichts)




Polizeidirektion Augsburg Abt. Krim. Polizei. Am 9. Dezember 1933
Schmid Kreszentia geborene Rieger, geboren am 25.4.1897 Augsburg gab an:

Vermutlich vom April 1920 bis 23. April 1921 war ich bei der Landwirtswitwe Viktoria Gabriel in Hinterkaifeck als Dienstmagd beschäftigt und wohnhaft.
Am 27. März 1921 habe ich ein außereheliches Kind (Viktoria) entbunden.
Schlittenbauer kenne ich nur vom Sehen. Er ist einmal mit seinem Gespann an dem Anwesen meiner Arbeitgeberin vorbeigefahren. Die Viktoria Gabriel und ich haben sich in der Stube befunden. Viktoria Gabriel, die zum Fenster hinausschaute, sagte zu mir, dass dies der Schlittenbauer sei. Ich kann mich nicht entsinnen, dass er sich während meiner Beschäftigungszeit einmal im Gabrielschen Anwesen eingefunden und mit meiner Arbeitgeberin oder deren Angehörigen eine Auseinandersetzung gehabt hätte. Von dem Vorfall, wie ihn die Mittlerin (Rosa Meier von Wangen) schildert, ist mir nichts bekannt. Hierüber vermag ich keine Angaben zn machen.
Die Mutter des Schlittenbauers ist mir persönlich nicht bekannt. Dass ich von dieser wiederholt zum Verlassen meiner Dienststelle bei Gabriel aufgefordert wurde, entspricht somit nicht der Wahrheit. Schmid erklärte, dass sie auch bei einer evt. richterlichen Vernehmung keine anderen Angaben machen könne.
Gez. Grahammer Pol. Hptw.



Oberstaatsanwalt Kestl in Neuburg
Am 20.01.1931 fand sich freiwillig der Zimmermann Sebastian Maier, geb. am 27.5.1889 zu Schillwitzried, wohnhaft in Wangen Hr. 17 ein. Er war leicht angetrunken und behauptete, er beschäftige sich seit einem Jahr mit dem Problem Hinterkaifeck und könne es nun lösen. Täter sei Lorenz Schlittenbauer. Um ihn zu überführen, sei es notwendig, dass ein Kriminalbeamter bei ihm Wohnung nehme und sich als sein Schwager ausgebe, es dürfe aber nicht ein Herr sein, der schon draußen war. Auf diese Weise werde es rasch gelingen, den Täter zu überführen. Man müsse aber zugreifen weil zu befürchten sei, dass der Täter Hand an sich lege, wenn er etwas merke.
Darüber, was er bis jetzt ermittelt habe, war Maier nicht zu präzisen Angaben zu bewegen.