Dokumente: 1922-06-14 Beschwerde in der Nachlaßsache Viktoria Gabriel

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Detailinformationen

Datum

14. Juni 1922

Ort

Neuburg a.D.

Art des Dokumentes

Beschwerde an das Nachlaßgericht

Verfasser

Graf, Rechtsanwalt

Quelle

Staatsarchiv München, AG Schrobenhausen NR 1922/41-43

Inhalt

Neuburg a D., den 14. Juni 1922

Zum Amtsgerichte Schrobenhausen

B e s c h w e r d e
des Rechtsanwalts Justizrats Graf in Neuburg a, D.
namens
des Gütlers Karl Gabriel im Laag

in der Nachlasssache betreffend den Nachlass der Gütlerswitwe Viktoria Gabriel in Hinterkaifeck (Gröbern)


Gegen die mit Beschluss des Amtsgerichts Schrobenhausen vom7.Juni 22 erfolgte Ausstellung eines Erbscheines für die in demselben aufgeführten gesetzlichen Erben der Bauerswitwe Viktoria Gabriel von Hinterkaifeck lege ich hiermit unter Vorlage 'meiner Vollmacht namens des Gütlers Karl Gabriel in Laag Beschwerde zum Landgericht Neuburg a.D. ein und stelle den Antrag eine Entscheidung dahin zu erlassen, die Ausstellung .des Erbscheines vom 7. Juni 22 wird als unzulässig aufgehoben. Sollte die Zulässigkeit der Beschwerde gegen die Erteilung des Erbscheines nicht anerkannt werden, so stelle ich den Antrag, den Erbschein von Amtswegen einzuziehen und wenn derselbe schon erteilt sein sollte und nicht sofort verlangt werden kann durch Beschluss für kraftlos zu erklären evtl. das Nachlassgericht anzuweisen, den Erbschein einzuziehen oder, wenn er nicht sofort erlangt werden kann, aber schon erteilt sein sollte für kraftlos zu erklären.


Zu Protokoll des Amtsgerichts Schrobenhausen vom 10.4.22 beantragte Cäzilie Starringer, die Schwester der Erblasserin Viktoria Gabriel bezüglich des Nachlasses der Letzteren, die Ausstellung eines Erbscheines zu den Akten und die übrigen gesetzlichen Erben der Viktoria Gabriel, wie sie im Falle Viktoria Gabriel nach ihrer Tochter Cäzilie Gabriel gestorben, sein sollte zur Erbschaft berufen sind, haben sich den von den Beteiligten abgegebenen Erklärungen und Anträgen, und damit auch dem Antrage der Cäzilie Starringer auf Ausstellung eines Erbscheines angeschlossen. Das Nachlassgericht hat am 7. Juni 22 dann zu den Akten den dortselbst befindlichen Erbschein ausgestellt und zwar für alle gesetzlich zur Erbfolge berufenen Erben der Viktoria Gabriel, wobei es davon ausging, dass die Tochter der Viktoria Gabriel namens Cäzilie Gabriel gemäss § 20 BGB. als gleichzeitig mit ihrer Mutter verstorben zu erachten ist, daher für die Erbfolge der Viktoria Gabriel auszuscheiden hat. Dieser Standpunkt des Nachlassgerichtes ist meines Erachtens unrichtig.

1. Ein mehrfacher Raubmord ist nicht ein Ereignis, vielmehr liegen darin mehrere Ereignisse, wenn sie auch zeitlich nicht erheblich auseinanderliegen. Eine gemeinsame Gefahr im Sinne des §20 setzt aber voraus, dass das Ereignis, ob welches die Gefahr herbei geführt hat, ein und dasselbe sei. Diese Voraussetzung trifft nicht zu wenn mehrere Personen, sei es auch ohne erheblichen zeitlichen Unterschied, nacheinander ermordet wurden.

2. Im übrigen sprechen ganz erhebliche Umstände dafür, dass das 7 jährige Kind Cäzilie Gabriel seine Mutter Viktoria Gabriel überlebte und erst nach dieser getötet wurde. Nach meiner Information soll bei der Entdeckung dieses Raubmordes das Kind Cäzilie Gabriel im Hemd, seine Mutter Viktoria Gabriel und deren Mutter Cäzilie Gruber vollständig angekleidet, dagegen der Vater der Viktoria Gabriel, der Austrägler Andreas Gruber mit der Unterhose bekleidet aufgefunden worden sein. Es ist deshalb wohl anzunehmen, dass das Kind schon im Bette lag und wohl erst auf den Spektakel oder auf Hilferufe herausgelaufen ist, während Viktoria Gabriel und ihre Mutter Cäzilie Gruber noch auf waren und der alte Gruber wie es scheint eben im Begriffe war, in das Bett zu gehen. Dazu liegt die menschliche Vermutung nahe, dass der oder die Mörder in erster Linie die erwachsenen Personen töteten, die ihm oder ihnen als Hindernis bei Ausübung des Verbrechens im Wege standen und dass erst dann, um der Gefahr der Entdeckung noch zu entgehen, auch noch das Kind ermordet wurde. Bei der Nachlassbehandlung darf also doch nicht davon ausgegangen werden, als ob feststünde dass Viktoria Gabriel ihre Tochter Cäzilia Gabriel überlebte vielmehr muss äusserstenfalls angenommen werden, dass dieses zur Zeit nicht festgestellt werden kann. Zur Ausstellung des Erbscheines vom 7. Juni 22 konnte das Nachlassgericht nur gelangen, wenn es als feststehend erachtete, dass Viktoria Gabriel von ihrer Tochter Cazilie Gabriel nicht überlebt wurde. Für diese Feststellung aber fehlt, jeder Anhaltspunkt.

3. Selbst wenn man annimmt, dass nach § 20 BGB Mutter und Tochter in einer gemeinsamen Gefahr.umgekommen sind und daher vermutet wurde, dass sie gleichzeitig gestorben seien, ist die Ausstellung des Erbscheines auch unbegründet, denn nach §2354 BGB hat derjenige, der die Ausstellung des Erbscheines als gesetzlicher Erbe beantragte anzugeben, in welcher Weise die Personen, durch die der Antragsteller von der der Erbfolge ausgeschlossen würde, in Wegfall gekommen sind und er hat die Richtigkeit dieser Angabe nach § 2356 nachzuweisen und zwar in erster Linie durch öffentliche Urkunden und ausnahmsweise durch Angabe anderer Beweismittel. Die Annahme einer gemeinsamen Gefahr im Sinne des § 20 BGB berechtigt noch lange nicht zur Ausstellung des Erbscheines weil auch bei einer gemeinsamen Gefahr bis auf weiteres nicht fest steht, dass Cäzilia Gabriel durch die Antragstellerin Cäzilie Starringer und die übrigen im Erbschein aufgeführten gesetzlichen Erben der Viktoria Gabriel von der Erbfolge ausgeschlossen würde, weggefallen.ist.
Mit der Vermutung des gemeinsamen Todes ist Cäzilie Gabriel noch nicht weggefallen als Erbin vielmehr muss jederzeit damit gerechnet werden, dass die Reihenfolge der Ermordung der einzelnen Personen festgestellt werden kann und je nachdem Cäzilie Gabriel als leibliche Tochter der Viktoria Gabriel diese überlebte und zur Erbschaft derselben berufen ist.
Die Vermutung des § 20 BGB, wenn dieser den gegegeben Fall selbst zutreffen sollte, gilt für und gegen die Antragsteller; diese Vermutung geht nicht bloß dahin, daß das Kind nicht nach seiner Mutter gestorben ist, sondern auch dahin, daß die Mutter nicht vor dem Kinde gestorben ist.
Aus diesem Grunde kann davon, dass Cäzilie Gabriel durch welche die Cäzilie Starringer und die übrigem im Erbschein aufgeführten angeblich gesetzlichen Erben von der Erbfolge an den Nachlass der Viktoria Gabriel ausgeschlossen würde, im Sinne des § 2354 Abs.2 in Wegfall gekommen ist, keine Rede sein. Mit demselben Rechte, mit dem Cäzilie Starringer und ihre Genossen darauf aufbauen, dass nicht feststeht dass das Kind die Mutter überlebt hat, kann Karl Gabriel sagen ,dass die im Erbschein aufgeführten Erben nicht feststellen können, dass das Kind die Mutter nicht überlebt hat. Die Rechtslage ist daher für die gesetzlichen Erben der Mutter nicht anders als für jene des Kindes. Dass durch das Kind Cäzilie Gabriel die im Erbschein aufgeführten Erben von der Erbfolge ausgeschlossen sein würden ist ohne weiteres klar (§1924 BGB). Der Gütler Karl Gabriel ist der leibliche Vater des im Jahre 1914 gefallenen leiblichen Vaters der Cäzilie Gabriel, des Gütlers Karl Gabriel von Gröbern.
Die im Erbschein aufgeführten Verwandten der Viktoria Gabriel kommen im Falle dass Kind Cäzilie Gabriel seine Mutter überlebt hat überhaupt nicht zur Erbfolge, vielmehr ist in diesem Falle gemäß §1925 BGB der alleinige Erbe der Cäzilie Gabriel ihr Großvater Karl Gabriel, Gütler in Laag, dem der gesamte Nachlass der Viktoria Gabriel Gütlerswitwe in Gröbern als Erbe der Cäzilie Gabriel zufallen würde. Karl Gabriel verwahrt sich daher mit Recht dagegen, dass jetzt davon ausgegangen wird als ob feststünde dass Cäzilie Gabriel für die Erbfolge als weggefallen erachtet wird.

4. Was nun die Frage anlangt, ob gegen die Ausstellung eines Erbscheines Beschwerde zulässig ist, so steht allerdings das Reichsgericht in einer Entscheidung Bd. 614.273 u. ff. auf dem Standpunkt, dass die Anordnung der Erteilung eines Erbscheines nicht zum Gegenstand einer Beschwerde gemacht werden kann, wenn der Erbschein tatsächlich erteilt worden ist. Es ist dies damit begründet, dass an der geschehenen Erteilung des Erbscheines im Bürgerlichen Gesetzbuche Rechtsfolgen geknüpft sind. Allein in dem gegebenen Falle ist ein Erbschein an die Beteiligten nach den mir vorliegenden Akten nicht erteilt, er ist vielmehr nur zu den Akten ausgestellt.
Die in § 2365 BGB mit der Erteilung des Erbscheines an einen Erben verbundenen Wirkungen kommen daher noch nicht in Frage. Es muss demnach diesem Falle die Beschwerde gegen die Zulässigkeit der Ausstellung des Erbscheines zu den Akten angenommen werden. Die Legitimation des Beschwerdeführers Karl Gabriel ergibt sich ohne weiteres aus § 20 Abs.1 des Gesetzes über die freiwillige Gerichtsbarkeit.
Würde man aber annehmen, dass die Beschwerde gegen die Ausstellung des Erbscheines zu den Nachlassakten nicht zulässig ist, so richtet sich die Beschwerde gegen diese Ausstellung des Erbscheines dahin, dass derselbe eingezogen wird.
Nach den Akten ist eine Aushändigung des Erbscheines an einen der aufgeführten Erben bis jetzt nicht erfolgt. Sollte dies aber inzwischen geschehen sein und der Erbschein nicht sofort erlangt werden können, so wäre er durch das Nachlassgericht für kraftlos zu erklären.
Für die Zulässigkeit der Beschwerde auf Einziehung oder Kraftloserklärung eines Erbscheines verweise ich auf die erwähnte Entscheidung des Reichsgerichtes, wonach es für zulässig erklärt ist, sogar im Wege der weiteren Beschwerde ohne das vorher das Nachlassgericht den Antrag auf Einziehung abgelehnt hätte, sofort die Entscheidung des Beschwerdegerichtes herbeizuführen.

Justizrat
Graf
Rechtsanwalt

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