Am 22. Januar 1925
Stadtpolizeiamt Augsburg
Kriminal-Abteilung
Fernspr. Nr. 1650
An
die Gendarmerie-Hauptstation
Schrobenhausen
Betreff:
Raubmord in Hinterkaifeck
Der Fuhrwerksbesitzer Xaver Schäfer von Malzhausen, Radetzkystr. 43 hier,
machte in Bezug auf den Mord in Hinterkaifeck folgende Angaben:
„Das Anwesen Hardenbergstr. Nr. 3 hier habe ich im Jahre 1922 erbauen lassen. In dem Anwesen hatte ich meine Stallungen für meinen Fuhrwerksbetrieb. Im Jahre 24 hat meine Frau zuerst mit dem Fuhrwerksbesitzer Freissle und dann mit meinem Bruder geschlechtlich verkehrt. Da ich auf Veranlassung meiner Frau auch noch wegen Meineidsverleitung angezeigt wurde, habe ich am 12. Oktober 1924 mein Haus an den Bäckermeister Graf um 11 000 GM und Ende Oktober 1924 meine 6 Pferde, mit dem zum Fuhrwerksbetriebe gehörigen Inventar verkauft. Die Pferde mit
Inventar verkaufte ich um 4 200 GM an den Fuhrwerksbesitzer Andreas Thaler von Hinterkaifeck. Thaler ist mir seit 10 Jahren bekannt. Er hatte auch in Hinterkaifeck 4 Pferde und hat mit ihnen Holz gefahren. Nach Abschluss der Kaufsverhandlungen hat
er meine Pferde und Inventar übernommen und mein Geschäft in Augsburg-Lechhausen weitergeführt. Er kam mit seinen Söhnen Andreas und Adam nach Augsburg. In den letzten Wochen ist auch noch sein Sohn Josef zu ihnen gekommen. Ich räumte Thaler und seinen Söhnen in meinem Hause eine Wohnung ein und meine Frau hat für sie gegen eine entsprechende Entschädigung gekocht. Wir sassen an den Sonntagen und auch abends öfters mehrere Stunden beisammen. Mir war bekannt, dass die Nachbarsleute des Thaler, der Landwirt Andreas Gruber von Hinterkaifeck mit seinen Angehörigen, ermordet wurde. Wiederholt habe ich in Anwesenheit des Thaler und seiner Söhne von dem Morde gesprochen und sie gefragt, auf welche Weise die Mörder eingedrungen sind und wo die ermordeten Personen lagen. Auf meine Fragen habe ich nie eine ausführliche Antwort erhalten. Nicht nur Thaler sen., sondern auch seine Söhne vermieden jedes Gespräch über den Mord. (Thaler sen. sagte einmal: Die sind wohl erschlagen worden, es sind keine Nachbarn gewesen, es waren Wilde“. Als ich mit Andreas Thaler jun. über den Mord sprach sagte er nur,dass viele Leute in Autos gekommen seien. Mir fällt auf, dass Thaler soviel Bargeld im Besitze hat. Für mein Geschäft hat er mir Ende Oktober 1924 einen Betrag von 4 200 GM bezahlt. In den letzten Wochen erwarb er das Anwesen Ebnerstrasse Nr.17 um 7 - 8 000 M. Jede Rechnung die ihm vorgelegt wird, bezahlt er immer sofort. Die Bezahlungen leistet er mit dem im Umlaufe befindlichen Gelde. Altes Gold- oder Silbergeld habe ich bei ihm nicht gesehen. Ich habe auch nicht die Wahrnehmung gemacht, dass er mit einer Bank in Verbindung steht.
Das Anwesen in Hinterkaifeck ist von Thaler nicht verkauft worden. Es wird von seinem Schwiegersohne namens Endres verwaltet. Jch habe erzählen hören, dass Endres bei einem Nachbar einen Pickel entlehnt hatte und dass mit diesem Pickel Gruber und seine Angehörigen erschlagen worden sein sollen. Der Pickel soll am Tatorte gefunden worden sein. Mir ist auch schon gesagt worden, dass Thaler und seine Söhne von der Bevölkerung allgemein als Täter bezeichnet werden und deswegen schon in Untersuchungshaft waren. Davon haben sie mir gegenüber nie etwas gesagt. Aus ihrem Verhalten schliesse ich, dass Thaler und seine Söhne den
Mord an Gruber ausgeführt haben. Ich glaube dies auch deshalb, weil Thaler viel Bargeld im Besitze hat.
Schäfer machte die Angaben, weil Thaler mit seinen Söhnen von ihm weg gezogen ist und auch zwei Betten mitgenommen hat. Zugleich hat Schäfer auch seine Frau verlassen. Sie will für Thaler und seine Söhne den Haushalt führen und soll mit
Andreas Thaler jun. ein Liebesverhältnis unterhalten.
Wir ersuchen um Mitteilung, ob Thaler und seine Söhne als Täter in Betracht kommen.
Unterschrift Baumgärtner , Krim Sekr.
Nachtrag:
Wenn ich sie aus meiner Küche vertreiben wollte, durfte ich nur von dem Morde in Hinterkaifeck sprechen. Nach einigen Minuten haben sie dann meine Küche verlassen und ihr Zimmer aufgesucht. Als sie ungefähr 6 Wochen bei mir wohnten, ging ich
einmal gleich nach ihnen in mein Schlafzimmer. Thaler und seine [Söhne] Andreas und Adam hatten in ihrem Zimmer noch Licht. Ich hörte den alten Thaler zu seinen Söhnen sagen: „Buben lasst euch nicht ausforschen und wenn sie uns gleich wieder verhaften. Bleibt nur auf dem stehen was wir früher gesagt haben. Das ist ein grosser Lump,immer fängt er wieder von dem Morde an." Einige Wochen darnach hörte ich ihn zu seine Söhnen sagen: „Froh bin ich, wenn wir bald ausziehen können, der weiss sonst nichts als wie von dem Morde zu sprechen".
...es waren Wilde. Er erzählte mir auch, dass er nach dem Morde das Anwesen für einen seiner Söhne gekauft und dabei mehr bezahlt hätte, als wie die Verwandten bezahlen mussten. Thaler hat mir gesagt, dass die Ermordeten sehr zurückgezogen
lebten, er hat aber nie davon gesprochen, dass einer seiner Söhne die Frau Gabriel heiraten wollte und von ihr abgewiesen worden ist.
(handschriftlich):
empf. 25.1.25 Nr. xxxx xxx (unleserlich)
Thaler und seine Söhne standen tatsächlich schon vor Jahren im Verdachte, am
Raubmord in
Hinterkaifeck beteiligt zu sein. Es wurden auch umfangreiche Erhebungen gepflogen,
konnte ihnen
jedoch nichts nachgewiesen werden. Die angeführten Verdachtsmomente waren alle
bekannt. Übrigens steht heute noch nicht fest ob bezw. wieviel Geld geraubt worden
ist.
Schr., den 26.1.25
Unterschrift Oberndorfer
Die Gend. Hauptstation Schrobenhausen ist von den Angaben des Schäfer verständigt worden. Sie hat mitgeteilt, dass Thaler und seine Söhne schon vor Jahren im Verdachte standen, an dem Raubmorde in Hinterkaifeck beteiligt zu sein. Eine Beteiligung konnte ihm nicht nachgewiesen werden. Die angeführten Verdachtsmomente waren alle bekannt. Es steht heute noch nicht fest, ob bezw. wieviel Geld geraubt worden ist.
Die Staatsanwaltschaft Neuburg a. D. wurde am 7. Februar 1925 schriftlich verständigt.
Unterschrift Baumgärtner, Krim Sekr.
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