Aktencheck: Die Aussagen des Lorenz Schlittenbauer

Aus Das Hinterkaifeck-Wiki
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Von Lorenz Schlittenbauer liegen in den Akten zum Mordfall Hinterkaifeck Stand heute 3 Aussagen vor. Überlappende Sachverhalte können gegenübergestellt werden.

In den Akten finden sich momentan 3 Aussagen von Lorenz Schlittenbauer. Damit ist es möglich, die Aussagekonsistenz zu überprüfen. Im Folgenden werden thematische Punkte gegenübergestellt, die in mind. 2 der Aussagen auftauchen.

Zur zeitlichen Einordnung der Aussagen:

  1. 1922 wurde Lorenz Schlittenbauer als einer der ersten Zeugen vernommen. Zusammen mit dem Bürgermeister und den anderen zwei Auffindungszeugen sind seine Aussagen die wichtigsten, was den noch unberührten Tatort betrifft
  2. 1925 wurde Schlittenbauer im Rahmen der Ermittlungen gegen den Monteur Hofner befragt, die Aussage diente dazu, Hofners eigene Angaben zu bestätigen
  3. 1931 dann war Schlittenbauer längst selbst in Verdacht geraten und wurde als Beschuldigter in München vernommen


Als Quellen dienten die drei vorliegenden Akten:



Persönliche Informationen und Beziehung zu den Opfern

05.04.1922 16.05.1925 30.03.1931
Ich bin Ortsführer in Gröbern Gem. Wangen und bin mit den Eheleuten Gruber sowie deren Tochter der verw. Viktoria Gabriel, geb. Gruber bekannt gewesen. Letztere hat ein außereheliches Kind, 2 Jahre alt zu dem ich mich als Vater bekannt habe. Der Ehemann der Gabriel ist im Feldzug und zwar im Jahre 16 gefallen. Ich lebe seit meiner Geburt in Gröbern und war auch die größte Zeit meines Lebens dort. Lediglich vom 14. Lebensjahr ab bis nach der Militärzeit war ich an anderen Orten. Ich hatte 11 Geschwister, von denen aber heute nur noch 5 am Leben sind. Ich muß mich berichtigen. Es leben noch 6 Geschwister.

Das elterliche Anwesen habe ich im Jahre 1899 übernommen und meine Eltern haben von diesem Zeitpunkt ab bei mir im Austrag gelebt, aber nicht immer, sie haben zwar von mir den Austrag gehabt, aber es hat nicht immer gut getan und da sind sie auch zeitweilig wo anders gewesen. Mein Vater hat nämlich sein ganzes Geld immer versoffen und da konnte ich ihm gar nicht genug geben und deshalb ist er fortgegangen. Mein Vater ist schon vor dem Kriege gestorben, den genauen Zeitpunkt weiß ich nicht mehr und meine Mutter im Jahre 1918.

Meine erste Ehe habe ich bei der Übernahme des elterlichen Anwesens im Jahre 1899 geschlossen. Meine damalige Frau hieß Viktoria Tyroller und stammte aus dem Weißkopfanwesen in Ried Gde. Mühlried B.A. Schrobenhausen. Sie ist im Oktober 1918 gestorben. Sie hinterließ mir einen Buben und 3 Mädchen.

In den ersten Jahren meiner Ehe lebten in meinem Hausstand noch 3 Geschwister von mir, die mir auch in der Landwirtschaft halfen. Außerdem lebten in meinem Hausstand die Eltern meiner ersten Frau, der Vater ist bereits im Jahre 1906 gestorben, die Mutter ist heute noch bei mir und ich muß immer noch für sie sorgen, obwohl sie vollständig mittellos ist und mich auch nichts angeht. Sie ist schon 84 Jahre alt.

Von meinen Geschwistern hat beim Tod meiner ersten Frau niemand mehr bei mir gelebt. Ich hab sie ausheiraten müssen und die meisten sind eigentlich ins Kloster gegangen. Im Jahre 1921 lernte ich meine zweite Frau kennen. Sie stammt von Diepoltshofen und hieß Anna Dick. Sie war zu diesem Zeitpunkt in Brunnen bei ihrer Schwester in Dienst. Ich habe sie nur 3 Wochen vor der Ehe näher gekannt. Vom sehen kannte ich sie schon früher, ich habe mich aber dann, als ich wieder mit ihr zusammen traf, rasch zur Heirat entschlossen, weil ich in meinem Haushalte eine Frau benötigte. Sie war auch gleich mit der Heirat einverstanden. Vor meiner Verehelichung mit ihr hatte sie mit dem Gütler Wenzeslaus Festl in Oberbernbach ein Verhältnis, dem 4 uneheliche Kinder entsprangen. Hiervon ist nur mehr ein Knabe am Leben gewesen, den sie mit in die Ehe gebracht hat. Derselbe hat Josef Dick geheißen und hat jetzt meinen Namen bekommen; er lebt noch in meinem Haushalt. Meine Frau hat 8.000 Mk. in die Ehe mitgebracht, das war aber damals nicht mehr viel Geld, weil schon Inflation war, ich hätte mir dafür keine Kuh mehr kaufen können. Ich war um diese Zeit wirtschaftlich recht gut gestellt, weil ich immer gespart und das Geld zusammen gehalten habe.

Wie ich das zweitemal geheiratet habe, im Jahre 1921, war das Anwesen schuldenfrei und zudem in den vorangegangenen Jahren nahezu vollständig neu gebaut worden. Zudem hatte ich damals für 14.000 Mk. Pfandbriefe. Im Jahre 1921 hat auch meine älteste Tochter Magdalena geheiratet und ich habe ihr 20.000 Mk. Mitgegeben. Dieses Geld habe ich aus der Landwirtschaft erarbeitet. Es war damals schon nicht mehr so viel wert. Ich selbst habe damals kein Geld gebraucht und habe deshalb die 8.000 Mk., die meine Frau als Heiratsgut mitbrachte, auf meine 4 Kinder verteilt.

Die Familie Gruber von Hinterkaifeck kannte ich seit meiner Geburt. Das Anwesen in Hinterkaifeck gehörte ursprünglich dem Josef Ostermeier und nach dessen Tode heiratete dessen Witwe Cäzilie Ostermeier den Andreas Gruber. Aus der ersten Ehe der Frau Gruber mit Josef Ostermeier waren 2 Kinder da und zwar 1 Knabe und 1 Mädchen. Der Sohn ist im Kriege gefallen und die Tochter ist heute noch verheiratet in der Nähe von Scheyern. Die Eheleute Gruber hatten mehrere Kinder, von denen aber nur 1 Tochter, die Viktoria am Leben geblieben ist. Die Kinder sind wohl alle gestorben, weil sie keine Pflege hatten und auch nicht genügend ernährt wurden. Ich selbst und auch mein Vater hatten öfters erlebt, daß die kleinen Kinder tagelang im Keller bleiben mußten und wenn man vorbeiging, hörte man die Kinder im Keller weinen. Ich sag’s ganz offen, die Leute waren nicht gut, da hat der Herrgott schon die rechte Hand am rechten Platz gehabt.

Die Viktoria Gruber, die später den Karl Gabriel geheiratet hat, war 13 Jahre jünger als ich. Ich habe sie natürlich auch schon seit ihrer Kinderzeit gekannt, aber in nähere Beziehung bin ich erst mit ihr getreten, wie sie bereits Witwe war.



Informationen über die Zeit vor der Auffindung

05.04.1922 16.05.1925 30.03.1931
Am Samstag, den 01.04.22, um die Mittagszeit kam in mein Anwesen in Gröbern ein Kaffeehändler bei dem meine Frau Kaffee bestellte. Der Name ist mir nicht bekannt, auch nicht der Name der Firma welche den Kaffee liefert. Der Kaffee soll in 12 Tagen eintreffen. Der Kaffeehändler hat sich meiner Familie über geäußert, dass in dem Anwesen von Gabriel niemand angetroffen werden konnte. Am Dienstag den 4.4.22, etwa um 3 Uhr herum kam in mein Anwesen ein Monteur und sagte zum meiner Tochter Viktoria Schlittenbauer, man möge der Familie Gabriel mitteilen, dass er den Motor jetzt hergerichtet habe. Er habe dabei erzählt, dass er in dem Anwesen niemanden angetroffen habe und alles abgesperrt sei. Dies alles erfuhr ich bei der Vesperzeit. Gleichzeitig wurde mir erzählt, dass ein Kaffeehändler da gewesen sei, der sich geäußert hat, dass in dem Anwesen Gabriel niemand zu sehen sei. An dem Tag, an dem abends der Mord in Hinterkaifeck entdeckt wurde, kam gegen 3/4 4 Uhr nachmittags ein junger Bursche mit einem Rade an dem, vor meinem Anwesen befindlichen Wurzgarten, indem meine 2 erwachsenen Töchter Viktoria und Maria Gartenarbeiten verrichteten und sagte zu ihnen, dass er der Monteur von Pfaffenhofen sei und in Hinterkaifeck beim Gruber den Motor repariert habe. Er frug meine Töchter, wo denn die Leute in Hinterkaifeck seien, da er niemand gesehen habe, er habe auch eine Zeitlang den Motor laufen lassen, um durch den Auspuff auf seine Anwesenheit aufmerksam zu werden; es kam auch daraufhin niemand, er ersuchte dann, es mochte nach H.`Kaifeck hinaufgeschickt werden, um zu sagen, dass der Motor nun wieder gehe.

Ich selbst habe den Monteur nicht gesehen und auch mit ihm nicht gesprochen.

Dies teilten wir dann meine beiden Töchter während der Brotzeit mit, worauf wir uns beratschlagten, was denn da oben los sein könnte, nachdem am Samstag bereits der Kaffeehändler bei uns gesagt hatte, dass sich in Hinterkaifeck nichts rührte; auch war ein Bube vom Sigl in Rachelsbach am Hofe in H.’Kaifeck, und zwar am Sonntag nachmittags und wollte Schmalz bei Gruber holen. Er konnte aber niemand antreffen, bezw. hat sich niemand gezeigt. Dies teilte er meinem Sohne Johann mit, der ihm zur Antwort gab, die lassen sich halt absichtlich nicht sehen, vielleicht haben sie das Schmalz wieder teurer verkaufen können.

[Anmerkung: das Folgende Zitat stammt nicht von Schlittenbauer selbst sondern vom vernehmenden Beamten]

Schlittenbauer erzählt nun Einzelheiten über die seinerzeitige Auffindung der Leichen u.s.w.. Seine Angaben decken sich vollkommen mit seinen seinerzeitigen Angaben, weshalb von der nochmaligen Niederschrift abgesehen wurde.




Auffindung (ab alleinigem Betreten des Wohnbereichs)

05.04.1922 16.05.1925 30.03.1931
Nachdem ich gesehen habe, dass sie kein Lebenszeichen gegeben haben, ließ ich die anderen Personen gehen und ging durch den Stallgang in die Wohnung, um mich nach meinem Sohn umzusehen.

Im Stallgang musste ich einem Rind ausweichen und stieg deshalb in den Barren. Dort sah ich einen Kreuzpickel im Barren an der Wand lehnen. Ich ging dann in die Küche, von dort aus in die Schlafkammer. Dort fand ich meinen Sohn mit zerschmettertem Kopf im Kinderwagen liegend vor. Ich habe dann die in den Hofraum führende Tür geöffnet und meine Begleiter, die mir von der Tenne aus nicht mehr gefolgt sind, hereingelassen. Ich habe mich dann in das von der Küche aus gelegene Stübchen begeben. Dort lag das Bett ((Ann. Bettdecke) auf dem Boden. Ich hob das Bett empor und sah unter diesem eine weibliche Leiche liegen, die mir unbekannt war. Neben dieser Leiche lag ein gepackter Rucksack. Ich glaubte es sei eine Hamsterin aus Augsburg oder sonst wo her. Wir gingen nun alle 3 aus dem Hause. Während Sigl und Pöll nach Gröbern zurück gingen, blieb ich in der Nähe des Hauses Gabriel zurück. Gleichzeitig gab ich meinem Sohn Johann den Auftrag, mit seinem Rade zu dem Bürgermeister nach Wangen zu fahren und diesen von den Morden in Kenntnis zu setzten.

Frage: Haben Sie sich denn nicht gefürchtet, als Sie allein vom Stall in das Innere des Hauses vorgedrungen sind?

Antwort: Ich war so aufgeregt, daß ich gar nichts mehr gedacht habe, denn ich nahm an, daß mein Bub ja am Verhungern sein müsse. Wenn es auch nicht sicher mein eigenes Kind gewesen wäre, so hatte ich doch Mitleid mit dem Kind und wollte sofort nach demselben sehen. In der Aufregung, in der ich mich befand, hätte ich’s mit jedem aufgenommen, der mir in den Weg getreten wäre.

Frage: Sie haben erklärt, sie hätten die vordere Haustür dann von innen geöffnet und zwar mit dem Schlüssel, der innen gesteckt habe. Wie erklären sie sich das, nachdem der alte Gruber erzählt hatte, daß ihm der Hausschlüssel weggekommen sei und daß er nun nur noch mit dem Riegel absperren könne?
Antwort: Das ist mir selbst ein Rätsel, denn ich weiß bestimmt, daß nur ein Schlüssel da war.




Details zum Einbruchsversuch bei Gruber-Gabriel

05.04.1922 16.05.1925 30.03.1931
Bemerken möchte ich noch, dass mir der verlebte Gruber am Donnerstag den 30. März 22 vorm. gegen 11 Uhr auf dem Felde zugerufen hat, dass er in der vergangenen Nacht von Einbrechern heimgesucht worden sei. Er habe die Spuren im Neuschnee bemerkt und verfolgt, habe aber dabei keine Spur die vom Haus wegführt, gefunden. Dabei habe er bemerkt, dass an der Tür des Motorhauses der Verschluß aufgerissen sein. Die Einbrecher (2) wären auch im Motorhaus gewesen, hätten aber nichts mitgenommen. Ferner sagte Gruber, dass an der Türe zur Futterkammer Eindrücke von Brechwerkzeugen ersichtlich sind. Frage: Sie haben angegeben, daß Sie ein oder zwei Tage vor dem Mord zusammen mit dem alten Gruber im Neuschnee die Fußspuren von zwei Menschen gesehen haben, die in die Futterkammer beim Motorhaus geführt haben, aber nicht mehr heraus. Ein anderer Zeuge hat angegeben, der Vater Gruber habe ihm erzählt, daß er schon mehrmals bei seinem Anwesen die Fußtritte einer Mannsperson gesehen habe?

Antwort: Davon weiß ich nichts, ich habe jedenfalls die Fußspuren von zwei Personen gesehen.