Zeitungsartikel: 1931-04-01 Schrobenhausener Zeitung: Unterschied zwischen den Versionen

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Darauf setzten im ganzen Reich neue Fahndungen nach dem Mörder ein. Auch in der Umgebung der Einöde Kaifeck wurden durch die Staatsanwaltschaft neue Erhebungen unternommen. Im September 1926 wurde gemeldet, dass ein Polizeibeamter einer auswärtigen kleinen Stadt bei der Vernehmung von Handwerksburschen Bekundungen erzielt habe, die die Tätigkeit der Polizei in aussichtsreiche Bewegung gebracht hätte.  
Darauf setzten im ganzen Reich neue Fahndungen nach dem Mörder ein. Auch in der Umgebung der Einöde Kaifeck wurden durch die Staatsanwaltschaft neue Erhebungen unternommen. Im September 1926 wurde gemeldet, dass ein Polizeibeamter einer auswärtigen kleinen Stadt bei der Vernehmung von Handwerksburschen Bekundungen erzielt habe, die die Tätigkeit der Polizei in aussichtsreiche Bewegung gebracht hätte.  


Mitte November desselben Jahres wurde mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft immer noch eine Spur verfolge, die darauf hindeute, dass Handwerksburschen als Täter in Frage kämen. Neue Fingerzeige seien in dieser Richtung entdeckt worden. Schon im Jahre 1922 sei der Bäcker Bärtl, der „Eiserne Heini“ von der Staatsanwaltschaft mit dem Raubmord in Verbindung gebracht worden. Seit der Tat sei dieser wie vom Erdboden verschwunden. Im November 1926 wurde festgestellt, dass Bärtl sich unter falschem Namen in der Gegend von Altenbruch herumtreibt.  
Mitte November desselben Jahres wurde mitgeteilt, dass die Staatsanwaltschaft immer noch eine Spur verfolge, die darauf hindeute, dass Handwerksburschen als Täter in Frage kämen. Neue Fingerzeige seien in dieser Richtung entdeckt worden. Schon im Jahre 1922 sei der Bäcker Bärtl, der „Eiserne Heini“ von der Staatsanwaltschaft mit dem Raubmord in Verbindung gebracht worden. Seit der Tat sei dieser wie vom Erdboden verschwunden. Im November 1926 wurde festgestellt, dass Bärtl sich unter falschem Namen in der Gegend von [http://de.wikipedia.org/wiki/Altenbruch Altenbruch] herumtreibt.  


Mitte Dezember 1926 sollte Bärtl, von dem in der ganzen Gegend Plakate mit Steckbriefen aushingen, in der Nähe von Vilshofen gesehen worden sei. Er habe dort vor einem Beamten die Flucht ergriffen und bei der Verfolgung einen Schuss aus der Pistole abgegeben.  
Mitte Dezember 1926 sollte Bärtl, von dem in der ganzen Gegend Plakate mit Steckbriefen aushingen, in der Nähe von [http://de.wikipedia.org/wiki/Vilshofen_an_der_Donau Vilshofen] gesehen worden sei. Er habe dort vor einem Beamten die Flucht ergriffen und bei der Verfolgung einen Schuss aus der Pistole abgegeben.  
Im April 1927 meldete die Staatsanwaltschaft, dass die Verfolgung des „Eisernen Heini“ fortgesetzt werde. Im Wartesaal des Bahnhofs Ergolsbach habe man Zigeunerzinken gefunden, die anscheinend vom „Eisernen Heini“ herrührten. Sie stellten einen Kopf eines Indianerhäuptlings dar.  
Im April 1927 meldete die Staatsanwaltschaft, dass die Verfolgung des „Eisernen Heini“ fortgesetzt werde. Im Wartesaal des Bahnhofs [http://de.wikipedia.org/wiki/Ergoldsbach Ergolsbach] habe man [http://de.wikipedia.org/wiki/Zinken_%28Geheimzeichen%29 Zigeunerzinken] gefunden, die anscheinend vom „Eisernen Heini“ herrührten. Sie stellten einen Kopf eines Indianerhäuptlings dar.  
Inzwischen vermutete man, dass Bärtl versuchen würde über die Grenze nach Österreich zu entkommen. An allen Grenzübergangsstellen wurden daher Plakate mit seinem Steckbrief angebracht. Dann wurde im Mai 1927 gemeldet, dass Bärtl bei Esternberg in Österreich verhaftet worden sei. Die Meldung stellte sich aber bald als ein Irrtum heraus, denn der Bursche, der bei Esternberg verhaftet worden war, war nicht der „Eiserne Heini.“  
Inzwischen vermutete man, dass Bärtl versuchen würde über die Grenze nach Österreich zu entkommen. An allen Grenzübergangsstellen wurden daher Plakate mit seinem Steckbrief angebracht. Dann wurde im Mai 1927 gemeldet, dass Bärtl bei Esternberg in Österreich verhaftet worden sei. Die Meldung stellte sich aber bald als ein Irrtum heraus, denn der Bursche, der bei Esternberg verhaftet worden war, war nicht der „Eiserne Heini.“  
Das war das letzte, was wir vom „Eisernen Heini“ gehört haben. Irgendetwas hat er offenbar auf dem Kerbholz, denn sonst würde er sich nicht so unsichtbar machen. Aber ob er der Mörder von Kaifeck ist, das ist eine andere Frage.  
Das war das letzte, was wir vom „Eisernen Heini“ gehört haben. Irgendetwas hat er offenbar auf dem Kerbholz, denn sonst würde er sich nicht so unsichtbar machen. Aber ob er der Mörder von Kaifeck ist, das ist eine andere Frage.  
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'''''"Ich bin der Mörder von Kaifeck“'''''<br>
'''''"Ich bin der Mörder von Kaifeck“'''''<br>
Inzwischen hatte Mitte Mai 1927 ein Waidhofener eine unheimliche Begegnung, deren Aufklärung damals die Gendarmeriestationen Hohenwart und Schrobenhausen beschäftigte: Ein Waidhofener, der sich spät nachts auf seinem Fahrrad auf der Heimfahrt befand, wurde kurz nach 12 Uhr, als er sich auf der Staatsstraße bereits dem Ortseingang näherte, von einem fremden Mann angehalten und aufgefordert vom Rade zu steigen. Der Fremde stellte dann verschiedene Fragen, die sich auf die Nachforschungen nach dem Mörder von Kaifeck bezogen. Zum Schluss rief der Unheimliche: „Bald wird Licht in die Sache kommen! Ich bin der Mörder von Kaifeck!“ Darauf sprang er über den Straßengarben und verschwand in den Feldern auf den Wald zu.  
Inzwischen hatte Mitte Mai 1927 ein Waidhofener eine unheimliche Begegnung, deren Aufklärung damals die Gendarmeriestationen Hohenwart und Schrobenhausen beschäftigte: Ein Waidhofener, der sich spät nachts auf seinem Fahrrad auf der Heimfahrt befand, wurde kurz nach 12 Uhr, als er sich auf der Staatsstraße bereits dem Ortseingang näherte, von einem fremden Mann angehalten und aufgefordert vom Rade zu steigen. Der Fremde stellte dann verschiedene Fragen, die sich auf die Nachforschungen nach dem Mörder von Kaifeck bezogen. Zum Schluss rief der Unheimliche: „Bald wird Licht in die Sache kommen! Ich bin der Mörder von Kaifeck!“ Darauf sprang er über den Straßengarben und verschwand in den Feldern auf den Wald zu.  
Die Beschreibung, die der Waidhofener der Gendarmerie von dem unheimlichen Fragesteller gegeben hat, passte auf den Mann, der sich am Tage vorher auf dem Waidhofener Friedhof die Gräber der Ermordeten zeigen ließ. Seit der nächtlichen Begegnung fehlte von dem Manne jede Spur, und seine Ankündigung, dass bald Licht in die Sache kommen werde, hat er bis heute noch nicht wahr gemacht.  
Die Beschreibung, die der Waidhofener der Gendarmerie von dem [[Sachverhalte: Fremde immer nur Fremde#Fremder auf dem Friedhof |unheimlichen Fragesteller]] gegeben hat, passte auf den Mann, der sich am Tage vorher auf dem Waidhofener Friedhof die Gräber der Ermordeten zeigen ließ. Seit der nächtlichen Begegnung fehlte von dem Manne jede Spur, und seine Ankündigung, dass bald Licht in die Sache kommen werde, hat er bis heute noch nicht wahr gemacht.  


Gerüchte<br>
'''''Gerüchte'''''<br>
Daß die Bevölkerung der ganzen Gegend sich durchaus noch nicht damit abgefunden hat, dass die scheußliche Mordtat bis heute ungesühnt blieb, beweisen die Gerüchte, die sich hie und da immer wieder mit dem Mord beschäftigen. Solche Gerüchte, die wiederholt als öffentlich ausgesprochener Verdacht laut wurden, haben auch schon zu Beleidigungsprozessen geführt.  
Daß die Bevölkerung der ganzen Gegend sich durchaus noch nicht damit abgefunden hat, dass die scheußliche Mordtat bis heute ungesühnt blieb, beweisen die [[Tatverdächtige|Gerüchte]], die sich hie und da immer wieder mit dem Mord beschäftigen. Solche Gerüchte, die wiederholt als öffentlich ausgesprochener Verdacht laut wurden, haben auch schon zu Beleidigungsprozessen geführt.  
Abgesehen von verschiedenen Gerüchten, die von Zeit zu Zeit überall auftauchen und die verschiedentlich auch meldeten, dass der Mörder verhaftet sei, hat sich bei der Bevölkerung von Waidhofen eine Anschauung festgesetzt, die mit der Anschauung der Staatsanwaltschaft nicht übereinstimmt.  
Abgesehen von verschiedenen Gerüchten, die von Zeit zu Zeit überall auftauchen und die verschiedentlich auch meldeten, dass der Mörder verhaftet sei, hat sich bei der Bevölkerung von Waidhofen eine Anschauung festgesetzt, die mit der Anschauung der Staatsanwaltschaft nicht übereinstimmt.  


Neun Jahre sind nun schon seit der sechsfachen Mordtat vergangen. Das Haus, in dem die Tat geschah, ist abgebrochen und nur der Grabstein auf dem Friedhofe und die blutbespritzte Hacke, die man beim Abbruch fand, erinnern noch als stumme Zeugen an ein Verbrechen, das zu den blutigsten und grausamsten der letzten Jahrzehnte gehört.
Neun Jahre sind nun schon seit der sechsfachen Mordtat vergangen. Das Haus, in dem die Tat geschah, ist abgebrochen und nur der [[Sachverhalte: Die Kirche in Waidhofen#Der Friedhof|Grabstein]] auf dem Friedhofe und die blutbespritzte Hacke, die man beim [[Sachverhalte: Abriss von Hinterkaifeck|Abbruch]] fand, erinnern noch als stumme Zeugen an ein Verbrechen, das zu den blutigsten und grausamsten der letzten Jahrzehnte gehört.


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