Zeitungsartikel: 1922-04-08 Augsburger Zeitung: Unterschied zwischen den Versionen

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'''''Die Bluttat von Hinterkaifeck'''''
'''''Die Bluttat von Hinterkaifeck'''''
== Detailinformationen ==
== Detailinformationen ==
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Zeitungsbericht
Zeitungsbericht
=== Verfasser ===
=== Verfasser ===
Sonderberichterstatter Hans Lauterbacher
Sonderberichterstatter [[Personen: Lautenbacher Johann | Hans Lautenbacher]]
 
=== Verfasst für ===
=== Verfasst für ===
Augsburger Zeitung
Augsburger Zeitung
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== Inhalt ==
== Inhalt ==
[[Bild:Abbildung Augsburger Zeitung vom 08.04.1922.jpg|text-top|links|Profilbild Abbildung Augsburger Zeitung vom 08.04.1922 | 900px]]
 
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'''''Die Bluttat von [[Hinterkaifeck|Hinterkaifeck]]''''' <br>(von unserem Sonderberichterstatter)<br>  
'''''Die Bluttat von [[Hinterkaifeck|Hinterkaifeck]]''''' <br>(von unserem Sonderberichterstatter)<br>  
Wer hätte heute vor acht Tagen gedacht, daß über Nacht ein [[Sachverhalte: Tatort|Verbrechen]] von der Scheußlichkeit verübt wurde, wie es am Dienstag den 4. April aufgedeckt wurde? Wen hätte das auch nur in den Sinn kommen mögen?  
Wer hätte heute vor acht Tagen gedacht, daß über Nacht ein [[Sachverhalte: Tatort|Verbrechen]] von der Scheußlichkeit verübt wurde, wie es am Dienstag den 4. April aufgedeckt wurde? Wen hätte das auch nur in den Sinn kommen mögen?  
Die ganze Schauerlichkeit der fürchterlichen Tat drängte sich einem doppelt auf, wenn man am Donnerstag und Freitag der [[Sachverhalte: Obduktionsbericht|Sezierung]] und Einsargung der sechs Opfer beiwohnte. Während der "hintere Kaifeck" stets von einigen Dutzend Neugierigen umlagert wurde, die aus der näheren und weitern Umgebung, sogar bis von Menschen und über [[Orte: Ingolstadt|Ingolstadt]] hinaus herbeigekommen waren, entledigte sich der [[Orte: Neuburg a. D.| Neuburger]] [[Ermittler: Aumüller Johann Baptist|Landgerichtsarzt]] seiner Aufgabe. Mit einem inneren Schaudern sucht man die freie Luft auf und mach sich angesichts des schönen Waldes seine Gedanken über den schrecklichen Vorfall. Wenn man so den rings von Wald umgürteten kleinen Kessel von [[Orte: Gröbern|Gröbern]] ansieht - an der Ostseite reicht der Waldrand bis auf etwa 60 Meter an den "hinternen Kaifeck" heran - sagt man sich unwillkürlich, daß hier ein Revier für lichtscheues Gesindel ist. Der "hintere Kaifeck" im besonderen liegt so isoliert, daß man sich schließlich nicht wundern kann, wenn sich die Mordbuben gerade ihn zum Objekt erwählten. Und wenn die warme Sonne den Wolkenvorhang teilte, daß der blaue Himmel auf die fruchtbare braune Erde herunteräugte, wurde der Wunsch lauter, der Gerechte im Himmel möchte die unmenschlichen Mörder ruhelos umherteiben und bald der strafenden Gerechtigkeit zuführen.  
Die ganze Schauerlichkeit der fürchterlichen Tat drängte sich einem doppelt auf, wenn man am Donnerstag und Freitag der [[Sachverhalte: Ergebnisse der Obduktion|Sezierung]] und Einsargung der sechs Opfer beiwohnte. Während der "hintere Kaifeck" stets von einigen Dutzend Neugierigen umlagert wurde, die aus der näheren und weitern Umgebung, sogar bis von Menschen und über [[Orte: Ingolstadt|Ingolstadt]] hinaus herbeigekommen waren, entledigte sich der [[Orte: Neuburg a. d. Donau| Neuburger]] [[Ermittler: Aumüller Johann Baptist|Landgerichtsarzt]] seiner Aufgabe. Mit einem inneren Schaudern sucht man die freie Luft auf und mach sich angesichts des schönen Waldes seine Gedanken über den schrecklichen Vorfall. Wenn man so den rings von Wald umgürteten kleinen Kessel von [[Orte: Gröbern|Gröbern]] ansieht - an der Ostseite reicht der Waldrand bis auf etwa 60 Meter an den "hinternen Kaifeck" heran - sagt man sich unwillkürlich, daß hier ein Revier für lichtscheues Gesindel ist. Der "hintere Kaifeck" im besonderen liegt so isoliert, daß man sich schließlich nicht wundern kann, wenn sich die Mordbuben gerade ihn zum Objekt erwählten. Und wenn die warme Sonne den Wolkenvorhang teilte, daß der blaue Himmel auf die fruchtbare braune Erde herunteräugte, wurde der Wunsch lauter, der Gerechte im Himmel möchte die unmenschlichen Mörder ruhelos umherteiben und bald der strafenden Gerechtigkeit zuführen.  
Es hatte sich herumgesprochen, daß die [[Sachverhalte: Die Kirche in Waidhofen#Der Friedhof |Beerdigung]] der Opfer bereits am Freitag erfolgen werde. Deshalb hatte sich in [[Orte: Waidhofen|Waidhofen]], das an der Staatstraße zwischen [[Orte: Schrobenhausen|Schrobenhausen]](7 Kilometer von letzerem entfernt) und [[Orte: Hohenwart|Hohenwart]] in der Paarniederung liegt, eine größere Anzahl Neugieriger eingefunden. Als sie sich in ihrer Vermutung getäuscht sehen, suchten sie den "hinteren Kaifeck" auf, der jedoch von der Gendarmerie abgesperrt war. Die eingesargten Leichen blieben über Nacht im Kaifeckschen Stadel liegen und wurden heute morgen nach Waidhofen überführt, wo um 9 Uhr vormittags die Beerdigung stattfand und zwar unter einem Andrange von Menschen, wie ihn Waidhofen noch nicht gesehen hat.  
Es hatte sich herumgesprochen, daß die [[Sachverhalte: Die Kirche in Waidhofen#Der Friedhof |Beerdigung]] der Opfer bereits am Freitag erfolgen werde. Deshalb hatte sich in [[Orte: Waidhofen|Waidhofen]], das an der Staatstraße zwischen [[Orte: Schrobenhausen|Schrobenhausen]](7 Kilometer von letzerem entfernt) und [[Orte: Hohenwart|Hohenwart]] in der Paarniederung liegt, eine größere Anzahl Neugieriger eingefunden. Als sie sich in ihrer Vermutung getäuscht sehen, suchten sie den "hinteren Kaifeck" auf, der jedoch von der Gendarmerie abgesperrt war. Die eingesargten Leichen blieben über Nacht im Kaifeckschen Stadel liegen und wurden heute morgen nach Waidhofen überführt, wo um 9 Uhr vormittags die Beerdigung stattfand und zwar unter einem Andrange von Menschen, wie ihn Waidhofen noch nicht gesehen hat.  
Es war bei der bisher gänzlich ungeklärten Art, wie sich die Mörder eingeschlichen und entfernt hatten, von größten Belange, als man am Donnerstag auf folgende wichtige Entdeckung kam: bei der Durchsuchung des Dachbodens ging man auch den Getreide-und Heuboden durch (das [[Sonstiges: Der Hof Hinterkaifeck|alte Anwesen]] hatte keine Brandmauer) und entdeckte im Heu zwei Stellen, die stark zusammengelegen waren. Von den Liegestellen bis zum Getreideboden führte aufgestreutes Heu. Größer wurde das Erstaunen, als man unter einem Dachsparren ein Seil gewickelt vorfand, das auf dem Boden zusammengelegt, jedenfalls dazu bestimmt war, den Mordbuben bei ev. Überraschung leichter zur Flucht zu verhelfen. Weiter ging die Überraschung; beim Kamin wies das Dach eine Lücke auf, die dadurch entstanden sein müßte, daß die Eindringlinge mehrere [[Sachverhalte: Fremde immer nur Fremde#Heukuhlen/ Notdurft im Heu/ Verschobene Dachziegel/Speckschwarten |Dachziegel]] ausgehoben hatten. Das vorgestreute Heu führte bis zu dieser Aushubstelle, von der aus, wie man nachträglich ausprobierte, man die im Vorgarten arbeitenden Personen genau übersehen und beobachten konnte. Mit dieser Entdeckung wurde verschiedenes klar: Zweifelslos waren zwei Mordbuben am Werke, die, nach den Vorbereitungen zu schließen, in ihrem schrecklichen Plan alle Möglichkeiten vorgesehen hatten. Mit dieser Entdeckung erfährt auch die Vermutung des alten [[Personen: Gruber Andreas|Gruber]] ihre Bestätigung: bekanntlich suchte der alte Gruber am Donnerstag, den 30 März die Umgebung des Hauses nach [[Sachverhalte: Vorkommnisse vor der Tat|Spuren]] ab und äußerte seine Beobachtung einer vorübergehenden [[Personen: Schlittenbauer Lorenz|Person]] gegenüber. Gruber hat sich auch dahin verdutzt ausgesprochen, daß er wohl die Spur her, aber nicht wegführen sehe. Das müßte aber den sonst sehr vorsichtigen und argwöhnischen Mann zur Vorsicht veranlaßt haben. Nichts war einfacher, als ins Dorf hinabzugehen, dort einige Nachbarn zu verständigen und sie zu ersuchen, sie möchten mit ihm das Haus absuchen. Gruber hat es bei seiner Art, mit welcher er die Menschen mied, nicht.  
Es war bei der bisher gänzlich ungeklärten Art, wie sich die Mörder eingeschlichen und entfernt hatten, von größten Belange, als man am Donnerstag auf folgende wichtige Entdeckung kam: bei der Durchsuchung des Dachbodens ging man auch den Getreide-und Heuboden durch (das [[Sonstiges: Der Hof Hinterkaifeck|alte Anwesen]] hatte keine Brandmauer) und entdeckte im Heu zwei Stellen, die stark zusammengelegen waren. Von den Liegestellen bis zum Getreideboden führte aufgestreutes Heu. Größer wurde das Erstaunen, als man unter einem Dachsparren ein Seil gewickelt vorfand, das auf dem Boden zusammengelegt, jedenfalls dazu bestimmt war, den Mordbuben bei ev. Überraschung leichter zur Flucht zu verhelfen. Weiter ging die Überraschung; beim Kamin wies das Dach eine Lücke auf, die dadurch entstanden sein müßte, daß die Eindringlinge mehrere [[Sachverhalte: Fremde immer nur Fremde#Heukuhlen/ Notdurft im Heu/ Verschobene Dachziegel/Speckschwarten |Dachziegel]] ausgehoben hatten. Das vorgestreute Heu führte bis zu dieser Aushubstelle, von der aus, wie man nachträglich ausprobierte, man die im Vorgarten arbeitenden Personen genau übersehen und beobachten konnte. Mit dieser Entdeckung wurde verschiedenes klar: Zweifelslos waren zwei Mordbuben am Werke, die, nach den Vorbereitungen zu schließen, in ihrem schrecklichen Plan alle Möglichkeiten vorgesehen hatten. Mit dieser Entdeckung erfährt auch die Vermutung des alten [[Personen: Gruber Andreas|Gruber]] ihre Bestätigung: bekanntlich suchte der alte Gruber am Donnerstag, den 30 März die Umgebung des Hauses nach [[Sachverhalte: Vorkommnisse vor der Tat|Spuren]] ab und äußerte seine Beobachtung einer vorübergehenden [[Personen: Schlittenbauer Lorenz|Person]] gegenüber. Gruber hat sich auch dahin verdutzt ausgesprochen, daß er wohl die Spur her, aber nicht wegführen sehe. Das müßte aber den sonst sehr vorsichtigen und argwöhnischen Mann zur Vorsicht veranlaßt haben. Nichts war einfacher, als ins Dorf hinabzugehen, dort einige Nachbarn zu verständigen und sie zu ersuchen, sie möchten mit ihm das Haus absuchen. Gruber hat es bei seiner Art, mit welcher er die Menschen mied, nicht.  
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