Theorien: Schlittenbauer Lorenz: Unterschied zwischen den Versionen

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Einer der Tatverdächtigen im Mordfall Hinterkaifeck ist [[Personen: Schlittenbauer Lorenz | Lorenz Schlittenbauer]], der Nachbar der [[Personen: Die Opfer von Hinterkaifeck | Hinterkaifecker]]  
Einer der Tatverdächtigen im Mordfall Hinterkaifeck ist [[Personen: Schlittenbauer Lorenz | Lorenz Schlittenbauer]], der Nachbar der [[Personen: Die Opfer von Hinterkaifeck | Hinterkaifecker]]  


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=== Vorgänge in der Zeit der Schwangerschaft von Viktoria Gabriel ===
=== Vorgänge in der Zeit der Schwangerschaft von Viktoria Gabriel ===
Als sie den mutmaßlichen Vater LS informierte, äußerte Schlittenbauer Zweifel an der Vaterschaft. Er hatte den [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz (Auszüge) | Verdacht]], dass auch der Vater von Viktoria, [[Personen: Gruber Andreas | Andreas Gruber]], als Vater des ungeborenen Kindes in Frage kommen könnte. Unbegründet war dieser Verdacht nicht, denn Viktoria Gabriel und Andreas Gruber wurden 1915 wegen [[Sachverhalte: Inzest | Inzest]] [[Sachverhalte: Strafprozess wegen Blutschande gegen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel 1915 | verurteilt]].
Als sie den mutmaßlichen Vater LS informierte, äußerte Schlittenbauer Zweifel an der Vaterschaft. Er hatte den [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz|Verdacht]], dass auch der Vater von Viktoria, [[Personen: Gruber Andreas | Andreas Gruber]], als Vater des ungeborenen Kindes in Frage kommen könnte. Unbegründet war dieser Verdacht nicht, denn Viktoria Gabriel und Andreas Gruber wurden 1915 wegen [[Sachverhalte: Der Inzest | Inzest]] [[Sachverhalte: Strafprozess wegen Blutschande gegen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel 1915 | verurteilt]].


In einem Gespräch soll Viktoria zu ihm gesagt haben, [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz (Auszüge) | Zitat]]: "Das ist das Beste, was ich sagen konnte, Vater Du bist auch dabei, sonst tät er mich erschlagen".
In einem Gespräch soll Viktoria zu ihm gesagt haben, [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz|Zitat]]: "Das ist das Beste, was ich sagen konnte, Vater Du bist auch dabei, sonst tät er mich erschlagen".


Lorenz hatte beim alten Gruber um die Hand seiner Tochter angehalten, er wollte Viktoria heiraten. Erst stimmte Gruber einer Heirat zu, kurze Zeit später soll er die Erlaubnis zurück genommen haben. LS führte dies auf die Tatsache zurück, [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz (Auszüge) | Zitat]]: "...dass er den Geschlechtsverkehr mit seiner Tochter aufhören müsse. Er solle sich bekehren von seinen Sünden und seine Tochter werde ich dann schon auf die rechten Wege führen. Ich sagte ihm auch, dass ich ein guter Christ sei und solche Sachen nicht leiden könne..."
Lorenz hatte beim alten Gruber um die Hand seiner Tochter angehalten, er wollte Viktoria heiraten. Erst stimmte Gruber einer Heirat zu, kurze Zeit später soll er die Erlaubnis zurück genommen haben. LS führte dies auf die Tatsache zurück, [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz|Zitat]]: "...dass er den Geschlechtsverkehr mit seiner Tochter aufhören müsse. Er solle sich bekehren von seinen Sünden und seine Tochter werde ich dann schon auf die rechten Wege führen. Ich sagte ihm auch, dass ich ein guter Christ sei und solche Sachen nicht leiden könne..."


=== Vorgänge nach der Geburt des Kindes ===
=== Vorgänge nach der Geburt des Kindes ===
Nachdem [[Personen: Gruber Josef | Josef Gruber]] geboren wurde, gab man Lorenz Schlittenbauer als Vater an. Schlittenbauer wies aber die Vaterschaft ab. Er zeigte umgehend Andreas Gruber und Viktoria Gabriel am 10.09.1919 wegen Blutschande an (siehe [[Dokumente: 1926-11-06 Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayr | Zusammenstellung]] des StA. Pielmayr). Andreas Gruber wurde aufgrund der Anzeige am 13.09.1919 in Untersuchungshaft genommen. Über die Gründe, warum Viktoria Gabriel nicht in U-Haft kam, kann nur spekuliert werden. Evtl. weil sie erst kürzlich ein Kind zur Welt gebracht hatte.
Nachdem [[Personen: Gruber Josef | Josef Gruber]] geboren wurde, gab man Lorenz Schlittenbauer als Vater an. Schlittenbauer wies aber die Vaterschaft ab. Er zeigte umgehend Andreas Gruber und Viktoria Gabriel am 10.09.1919 wegen Blutschande an (siehe [[Dokumente: 1926-11-06 Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayer | Zusammenstellung]] des StA. Pielmayer). Andreas Gruber wurde aufgrund der Anzeige am 13.09.1919 in Untersuchungshaft genommen. Über die Gründe, warum Viktoria Gabriel nicht in U-Haft kam, kann nur spekuliert werden. Evtl. weil sie erst kürzlich ein Kind zur Welt gebracht hatte.
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Viktoria Gabriel soll LS dann bekniet haben, die Vaterschaft für Josef zu übernehmen. Sie würde ihm auch das nötige Geld, welches er in Form von Alimenten zurückzahlen sollte, "vorschiessen". Damit hätte er keine eigenen Ausgaben für Josef. Auch eine Heirat wurde ihm angeblich wieder in Aussicht gestellt. So könnte die Situation aus der [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz (Auszüge) | Aussage]] von LS zu deuten sein.
Viktoria Gabriel soll LS dann bekniet haben, die Vaterschaft für Josef zu übernehmen. Sie würde ihm auch das nötige Geld, welches er in Form von Alimenten zurückzahlen sollte, "vorschiessen". Damit hätte er keine eigenen Ausgaben für Josef. Auch eine Heirat wurde ihm angeblich wieder in Aussicht gestellt. So könnte die Situation aus der [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz|Aussage]] von LS zu deuten sein.
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LS nahm dann die Anzeige am 25.09.1919 vor dem Ermittlungsrichter zurück und kannte Josef am 30.09.1919 als seinen Sohn an. Zwischenzeitlich, am 27.09.1919, wurde Gruber aus der U-Haft entlassen (siehe [[Dokumente: 1926-11-06 Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayr | Zusammenfassung]] des StA. Pielmayr).<br>
LS nahm dann die Anzeige am 25.09.1919 vor dem Ermittlungsrichter zurück und kannte Josef am 30.09.1919 als seinen Sohn an. Zwischenzeitlich, am 27.09.1919, wurde Gruber aus der U-Haft entlassen (siehe [[Dokumente: 1926-11-06 Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayer | Zusammenfassung]] des StA. Pielmayer).<br>
Schlittenbauer machte eine Einmalzahlung, was zu dieser Zeit nichts Ungwöhnliches war, über 1800 Mark. Zuvor soll ihm Viktoria Gabriel 2000 Mark in bar und Wertpapiere über 3000 Mark gegeben haben. Nach Festlegung der Summe habe er das restliche Geld und die geldwerten Papier freiwillig zurück gegeben (siehe [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz (Auszüge) | Aussage]] LS).
Schlittenbauer machte eine Einmalzahlung, was zu dieser Zeit nichts Ungewöhnliches war, über 1800 Mark. Zuvor soll ihm Viktoria Gabriel 2000 Mark in bar und Wertpapiere über 3000 Mark gegeben haben. Nach Festlegung der Summe habe er das restliche Geld und die geldwerten Papier freiwillig zurück gegeben (siehe [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz|Aussage]] LS).


=== Vorgänge nach der Vaterschaftsanerkennung / Blutschandeprozess ===
=== Vorgänge nach der Vaterschaftsanerkennung / Blutschandeprozess ===
Es muss nun zu einem Vorfall gekommen sein, der nicht bekannt ist. Denn LS zeigte ca. am 08.10.1919 Andreas Gruber erneut an. Ob Viktoria Gabriel auch angezeigt wurde ist nicht bekannt. Die Polizei glaubte dieses Mal Schlittenbauer nicht, da er schon einmal eine Anzeige gemacht und wieder zurück genommen hatte. LS machte aber seine Aussage am 23.10.1919 unter Eid und so erhob die Staatsanwaltschaft Neuburg an der Donau am 31.12.1919 Klage.
Auf Antrag der Staatsanwaltschaft beim Landgerichte Neuburg vom 08.10.19 wurde Schlittenbauer am 23.10.19 gemäß § 65 Abs. 3 StPO aF als Zeuge gesetzlich beeidigt. Er gab bei dieser Vernehmung an, dass seine Anzeige voll und ganz der Wahrheit entspreche und er bei seiner Vernehmung am 23.09.1919 die Unwahrheit gesagt habe, weil die Viktoria Gabriel ihn zur Zurücknahme seiner Behauptungen veranlasst habe und Andreas Gruber ihm in Aussicht gestellt habe, er werde ihm die Sache möglichst leicht machen, wenn er nur die Vaterschaft annehme. Die Staatsanwaltschaft [[Orte: Neuburg a. d. Donau|Neuburg an der Donau]] klagte dann am 31.12.1919 Viktoria Gabriel und Andreas Gruber wegen Inzests an.
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Der [[Sachverhalte: Strafprozess wegen Blutschande gegen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel 1920 | Prozess]] im Mai 1920 brachte keinen erneuten Inzestfall ans Tageslicht. A. Gruber und Viktoria G. wurden frei gesprochen.<br>
Der [[Sachverhalte: Strafprozess wegen Blutschande gegen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel 1920 | Prozess]] im Mai 1920 brachte keinen erneuten Inzestfall ans Tageslicht. Andreas Gruber und Viktoria Gabriel wurden frei gesprochen.<br>
Es heisst, man hätte keinen erneuten Inzest nachweisen können und der Zeuge LS hätte widersprüchliche Aussagen gemacht.<br>
Es heisst, man hätte keinen erneuten Inzest nachweisen können und der Zeuge Schlittenbauer hätte widersprüchliche Aussagen gemacht.<br>
Dieser Sachverhalt ist der [[Dokumente: 1926-11-06 Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayr | Zusammenfassung]] des StA. Pielmayr entnommen.
Dieser Sachverhalt ist der [[Dokumente: 1926-11-06 Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayer | Zusammenfassung]] des StA. Pielmayer entnommen.
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Da A. Gruber keine Haftentschädigung für die Untersuchungshaft bekommen hatte, ist es naheliegend, dass es ein Freispruch aus Mangel an Beweisen war.
Da Andreas Gruber keine Haftentschädigung für die Untersuchungshaft bekommen hatte, ist es naheliegend, dass es ein Freispruch aus Mangel an Beweisen war.
Aber auch Lorenz Schlittenbauer wurde nicht wegen eines Meineides gesetzlich belangt.
Aber auch Lorenz Schlittenbauer wurde nicht wegen eines Meineides gesetzlich belangt.
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Die Familien waren zerstritten, was sich aber laut LS mit der Zeit wieder gegeben hatte. Er habe wieder mit dem Gruber gesprochen. [[Dokumente: 1933-11-29 Ersuchen bzgl Aufentshaltort Rieger Kreszenz | Zitat]]  aus einem Verhör der ehem. Magd [[Personen: Rieger Kreszenz | Kreszenz Rieger ]]: "Der alte Gruber und Schlittenbauer redeten miteinander, dagegen nicht die Frauen mit Schlittenbauer."
Die Familien waren zerstritten, was sich aber laut LS mit der Zeit wieder gegeben hatte. Er habe wieder mit dem Gruber gesprochen. [[Dokumente: 1933-11-29 Ersuchen bzgl Aufentshaltort Rieger Kreszenz | Zitat]]  aus einem Verhör der ehem. Magd [[Personen: Rieger Kreszenz | Kreszenz Rieger ]]: "Der alte Gruber und Schlittenbauer redeten miteinander, dagegen nicht die Frauen mit Schlittenbauer."<br>
Die Aussage des LS, daß sich die angespannte Situation zwischen den Familien Gruber/Gabriel und Schlittenbauer mit der Zeit wieder verbesserte wird auch durch die Aussagen der beiden Nachbarn und Mitauffinder gestützt. Zitat [[Aussagen: 1922-04-05 Pöll Michael |Pöll]]: <i>„Soviel ich weiß, hatte Schlittenbauer beabsichtigt, die Viktoria G. zu heiraten, noch dass er der Vater des außerehel. Knaben Josef G. war. Die Ehe wurde aber durch den alten Gruber, der Vater der Viktoria Gabriel, verhindert. Da sie sich in letzter Zeit also der Schlittenbauer u. der Gruber feindlich gesinnt waren ist mir nicht bekannt.“</i> und [[Aussagen: 1922-04-05 Sigl Jakob|Sigl]]: <i>„Die letzte Zeit war Gruber mit Schlittenbauer nicht mehr in Feindschaft.“</i>.


== Verdachtsmoment Auffindung==
== Verdachtsmoment Auffindung==
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== Verdachtsmoment Fahrt nach Schrobenhausen==
== Verdachtsmoment Fahrt nach Schrobenhausen==
Es gibt ein Gerücht, das [[Personen: Schwaiger Andreas | Andreas Schwaiger]] Anfang der 50ziger Jahre aufgebracht hatte. Angeblich hätte er es von Dritten erfahren: Viktoria soll mit [[Personen: Schwaiger Thomas | Thomas Schwaiger]] in dessen Fuhrwerk nach Schrobenhausen gefahren sein, um dort "reinen Tisch zu machen".<br>
Es gibt ein Gerücht, das [[Personen: Sigl Jakob |Jakob Sigl]] Anfang der 50ziger Jahre aufgebracht hatte. Angeblich hätte er es von Dritten erfahren: Viktoria soll mit [[Personen: Schwaiger Thomas | Thomas Schwaiger]] in dessen Fuhrwerk nach Schrobenhausen gefahren sein, um dort "reinen Tisch zu machen".<br>
Etwa zur gleichen Zeit erschien im Schrobenhausener Wochenblatt ein Bericht, in dem ein Gerichtsurteil erläutert wurde. Eine alleinerziehende Mutter hatte aufgrund der eingetretenen Inflation mehr Unterhalt für ihr Kind eingeklagt. Ihrer Klage wurde statt gegeben, es wurde ein Inflationsausgleich gewährt.
Etwa zur gleichen Zeit erschien im Schrobenhausener Wochenblatt ein Bericht, in dem ein Gerichtsurteil erläutert wurde. Eine alleinerziehende Mutter hatte aufgrund der eingetretenen Inflation mehr Unterhalt für ihr Kind eingeklagt. Ihrer Klage wurde statt gegeben, es wurde ein Inflationsausgleich gewährt.
Schwaiger gibt an, dass auch Viktoria sich dazu durchgerungen hatte, weitere Alimente von LS für Josef zu fordern.
Schwaiger gibt an, dass auch Viktoria sich dazu durchgerungen hatte, weitere Alimente von LS für Josef zu fordern.
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* Wenn Viktoria tatsächlich die Alimente vorgeschossen hatte, wäre das ein ziemlich dreister Schritt. Es ist auch fraglich, ob die Vereinbarung zur Alimentenzahlung im [[Sachverhalte: Strafprozess wegen Blutschande gegen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel 1920 | Prozess]]  1920 zur Sprache kam. Wenn, hätte Viktoria keine Aussicht auf Erfolg gehabt und hinter ihrem Rücken wäre wohl getuschelt worden "erst schiesst sie das Geld vor und jetzt will sie doch Geld von LS, Bereicherung auf eine üble Art und Weise"...
* Wenn Viktoria tatsächlich die Alimente vorgeschossen hatte, wäre das ein ziemlich dreister Schritt. Es ist auch fraglich, ob die Vereinbarung zur Alimentenzahlung im [[Sachverhalte: Strafprozess wegen Blutschande gegen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel 1920 | Prozess]]  1920 zur Sprache kam. Wenn, hätte Viktoria keine Aussicht auf Erfolg gehabt und hinter ihrem Rücken wäre wohl getuschelt worden "erst schiesst sie das Geld vor und jetzt will sie doch Geld von LS, Bereicherung auf eine üble Art und Weise"...
* Viktoria wäre mit einer Nachverhandlung ein hohes Risiko eingegangen. Genau wegen der Vaterschaftsfrage war sie selbst schon angezeigt worden. Wäre noch einmal eine solche Anzeige getätigt worden, so hätte ihr eine Zuchthausstrafe gedroht. Mit zwei alten Eltern und 2 Kindern auf dem Hof und ohne Mann, wäre das das Ende des Hofes gewesen. Sie hatte auf der einen Seite also viel zu verlieren für den vergleichsweise geringen Gegenwert. Und da die Familie wohlhabend war wäre sie auf das zusätzliche Geld nicht angewiesen gewesen.
* Viktoria wäre mit einer Nachverhandlung ein hohes Risiko eingegangen. Genau wegen der Vaterschaftsfrage war sie selbst schon angezeigt worden. Wäre noch einmal eine solche Anzeige getätigt worden, so hätte ihr eine Zuchthausstrafe gedroht. Mit zwei alten Eltern und 2 Kindern auf dem Hof und ohne Mann, wäre das das Ende des Hofes gewesen. Sie hatte auf der einen Seite also viel zu verlieren für den vergleichsweise geringen Gegenwert. Und da die Familie wohlhabend war wäre sie auf das zusätzliche Geld nicht angewiesen gewesen.
*Einem Aktenvermerk aus 1929 ist zu entnehmen, daß man  bei den Verdachtsmomenten gegen LS etwaige Alimentennachforderungen bzw. Auseinandersetzungen zwischen LS und Viktoria G. ausgeschlossen hat. Inwieweit man das jedoch überprüft und letztlich dann ausgeschlossen hat, ist nicht bekannt.


== Verdachtsmoment Verhalten am Tatort ==
== Verdachtsmoment Verhalten am Tatort ==
LS war am Tatort bei der Auffindung und später vor Schaulustigen sowie vor den Polizeibeamten sehr rührig. Es wird berichtet, er hätte das Vieh gefüttert, zwei stark geschwächte Ferkel zu seinem Hof gebracht, die Stall sauber gemacht und aufgeräumt. Auf dieses auffällige Verhalten angesprochen, gab LS an, er habe nur helfen wollen.<br>
LS war am Tatort bei der Auffindung und später vor Schaulustigen sowie vor den Polizeibeamten sehr rührig. Es wird berichtet, er hätte das Vieh gefüttert, zwei stark geschwächte Ferkel zu seinem Hof gebracht, die Stall sauber gemacht und aufgeräumt. Auf dieses auffällige Verhalten angesprochen, gab LS an, er habe nur helfen wollen.<br>
Über konkrete Tätigkeiten von LS berichten u.a. Zeugen wie [[Personen: Schwaiger Andreas | A. Schwaiger]], Krim. Kom. [[Ermittler: Reingruber Georg | Reingruber]] in seinem [[Berichte: 1922-04-06 Reingruber Georg, Kriminal Oberinspektor | Bericht]] und [[Personen: Sigl Jakob | Jakob Sigl]] in seiner Aussage im [[Aussagen: 1922-04-05 Sigl Jakob | April 1922]] und im [[Aussagen: 1952-01-10 Sigl Jakob | Januar 1952]].
Über konkrete Tätigkeiten von LS berichten u.a. Zeugen wie [[Personen: Schwaiger Andreas | A. Schwaiger]], Krim. Kom. [[Ermittler: Reingruber Georg | Reingruber]] in seinem [[Berichte: 1922-04-06 Reingruber Georg | Bericht]] und [[Personen: Sigl Jakob | Jakob Sigl]] in seiner Aussage im [[Aussagen: 1922-04-05 Sigl Jakob | April 1922]] und im [[Aussagen: 1952-01-10 Sigl Jakob | Januar 1952]].


=== Pro ===
=== Pro ===
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=== Kontra ===
=== Kontra ===
* Wäre er der Täter gewesen, so hätte er 4 Tage Zeit gehabt, um Spuren zu verwischen und sich auf die Auffindesituation und die anschliessende polizeiliche Untersuchung vorzubereiten. Die Aufmerksamkeit von Anderen durch auffälliges Verhalten auf sich zu lenken, wäre in dieser nicht mehr akuten Situation sehr riskant und dumm.
* Wäre er der Täter gewesen, so hätte er 4 Tage Zeit gehabt, um Spuren zu verwischen und sich auf die Auffindesituation und die anschließende polizeiliche Untersuchung vorzubereiten. Die Aufmerksamkeit von Anderen durch auffälliges Verhalten auf sich zu lenken, wäre in dieser nicht mehr akuten Situation sehr riskant und dumm.


*Nachdem die Gendarmen [[Ermittler: Blank Alois | Blank]] und  [[Ermittler: Goldhofer Georg | Goldhofer]] zusammen mit dem Bürgermeister aus Wangen [[Personen: Greger Georg| Greger]] am Tatort eingetroffen waren, schafften sie es nicht, das Anwesen zu räumen. Erst durch Verstärkung der Gendarmerie Schrobenhausen wurde das Gebäude abgesperrt. Was der Polizei nicht gelang kann einem LS auch nicht angelastet werden.
*Nachdem die Gendarmen [[Ermittler: Blank Alois | Blank]] und  [[Ermittler: Goldhofer Georg | Goldhofer]] zusammen mit dem Bürgermeister aus [[Orte: Wangen|Wangen]] [[Personen: Greger Georg| Greger]] am Tatort eingetroffen waren, schafften sie es nicht, das Anwesen zu räumen. Erst durch Verstärkung der Gendarmerie Schrobenhausen wurde das Gebäude abgesperrt. Was der Polizei nicht gelang kann einem LS auch nicht angelastet werden.


== Verdachtsmoment Haustürschlüssel ==
== Verdachtsmoment Haustürschlüssel ==
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=== Kontra ===
=== Kontra ===
* Wenn es so gewesen wäre, hätte sich LS mit der [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz (Auszüge) | Aussage]], er sei sicher, dass es keinen zweiten Schlüssel gab, selbst belastet. Nicht zu wissen, wie viele Schlüssel es gab oder gar anzugeben, es gäbe ganz sicher zwei Schlüssel, hätte ihm mehr gedient.
* Wenn es so gewesen wäre, hätte sich LS mit der [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz|Aussage]], er sei sicher, dass es keinen zweiten Schlüssel gab, selbst belastet. Nicht zu wissen, wie viele Schlüssel es gab oder gar anzugeben, es gäbe ganz sicher zwei Schlüssel, hätte ihm mehr gedient.
* Wie soll LS in den Besitz des Schlüssels gekommen sein?
* Wie soll LS in den Besitz des Schlüssels gekommen sein?


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*LS könnte gedacht haben, dass Josef mit dem Geld nicht mehr lebendig wird und er es ja schließlich für seinen Sohn gezahlt hat und nicht für die Erben.
*LS könnte gedacht haben, dass Josef mit dem Geld nicht mehr lebendig wird und er es ja schließlich für seinen Sohn gezahlt hat und nicht für die Erben.
*Wenn er das Geld nie aus eigener Tasche bezahlt hat, hätte er im Nachhinein noch eine kleine Entschädigung für seine [[Sachverhalte: Strafprozess wegen Blutschande gegen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel 1920 | Scherereien]] bekommen/haben wollen.
*Wenn er das Geld nie aus eigener Tasche bezahlt hat, hätte er im Nachhinein noch eine kleine Entschädigung für seine [[Sachverhalte: Strafprozess wegen Blutschande gegen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel 1920 | Scherereien]] bekommen/haben wollen.
*Staatsanwalt Pielmayer der für seinen [[Dokumente: 1926-11-06 Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayer|Bericht vom 06.11.1926]] die Vormundschaftsakte von Josef Gruber heranzog, berichtete nichts darüber, daß LS die Alimente zurück gefordert haben soll.


== Verdachtsmoment Alibi ==
== Verdachtsmoment Alibi ==
Während des [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz (Auszüge) | Verhörs]] 1930 hat man ihm vorgehalten, dass er angeblich in der Tatnacht auf Heuwache war, ''allein''. Man hätte es von seiner Frau [[Personen: Schlittenbauer Anna | Anna]] erfahren. LS zeigt sich entrüstet und behauptet, es sei nicht wahr. Er wäre bei seiner Frau gewesen.
Während des [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz|Verhörs]] 1930 hat man ihm vorgehalten, dass er angeblich in der Tatnacht auf Heuwache war, ''allein''. Man hätte es von seiner Frau [[Personen: Schlittenbauer Anna | Anna]] erfahren. LS zeigt sich entrüstet und behauptet, es sei nicht wahr. Er wäre bei seiner Frau gewesen.


=== Pro ===
=== Pro ===
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== Verdachtsmoment Verdächtigungen ==
== Verdachtsmoment Verdächtigungen ==
LS wird über die Jahre hinweg immer wieder von verschiedenen Personen verdächtig. Dabei handelt es sich nicht ausschliesslich um Menschen aus dem direkten Umfeld wie [[Personen: Sigl Jakob | Jakob Sigl]] oder [[Personen: Schwaiger Andreas | Andreas Schwaiger]], sondern auch um Leute, die nicht nahe am Geschehen lebten oder damit zu tun hatten, wie z.B. [[Aussagen: 1922-11-21 Ramelmeier Matthias  | Matthias Rammelmeier]], [[Aussagen: 1929-07-02 Messner Joseph | Joseph Messner]] und [[Aussagen: 1931-04-26 Maier Sebastian | Sebastian Maier]]. Auch die Polizei erfährt von den Vorwürfen und Verdächtigungen. Es wird eine "Sonderakte Schlittenbauer" [[Berichte: 1931-02 Riedmayr Martin | angelegt]].
LS wird über die Jahre hinweg immer wieder von verschiedenen Personen verdächtig. Dabei handelt es sich nicht ausschliesslich um Menschen aus dem direkten Umfeld wie [[Personen: Sigl Jakob | Jakob Sigl]] oder [[Personen: Schwaiger Andreas | Andreas Schwaiger]], sondern auch um Leute, die nicht nahe am Geschehen lebten oder damit zu tun hatten, wie z.B. [[Aussagen: 1922-11-24 Ramelmeier Matthias  | Matthias Rammelmeier]], [[Aussagen: 1929-07-02 Messner Joseph | Joseph Messner]] und [[Aussagen: 1931-04-26 Maier Sebastian | Sebastian Maier]]. Auch die Polizei erfährt von den Vorwürfen und Verdächtigungen. Es wird eine "Sonderakte Schlittenbauer" [[Berichte: 1931-02 Riedmayr Martin | angelegt]].


=== Pro ===
=== Pro ===
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*Der [[Sachverhalte: Vorkommnisse vor der Tat | Einbruchsversuch]] und die [[Sachverhalte: Vorkommnisse vor der Tat | Fußspuren]] in der Nacht vor der Tat hätten mit der Tat nichts zu tun.
*Der [[Sachverhalte: Vorkommnisse vor der Tat | Einbruchsversuch]] und die [[Sachverhalte: Vorkommnisse vor der Tat | Fußspuren]] in der Nacht vor der Tat hätten mit der Tat nichts zu tun.
*Die [[Sachverhalte: Vorkommnisse vor der Tat | Münchner Zeitung am Waldrand]], für die sich Gruber interessierte und beim Postschaffner Mayer[[Aussagen: 1952-01-10 Mayer Josef | Recherchen]] anstellte , hätte nichts mit der Tat zu tun.
*Die [[Sachverhalte: Vorkommnisse vor der Tat | Münchner Zeitung am Waldrand]], für die sich Gruber interessierte und beim Postschaffner Mayer[[Aussagen: 1952-01-10 Mayer Josef | Recherchen]] anstellte , hätte nichts mit der Tat zu tun.
*Der [[Aussagen: 1930-08-08 Bley Wenzeslaus | Zeuge]], der Rauch im Kamin gesehen haben will und von einem Mann mit einer Taschenlampe geblendet worden sein soll, wäre frei erfunden.
*Die [[Sachverhalte: Die Begegnung am Backofen | Aussage des Zeugen]], der Rauch im Kamin gesehen haben will und von einem Mann mit einer Taschenlampe geblendet worden sein soll, wäre unzutreffend.
*Die [[Sachverhalte: Vorkommnisse vor der Tat#Nächtliche Suche nach Viktoria oder nach ihrer Mutter | Suche]] nach Cäzilia Gruber / Viktoria Gabriel stünde mit der Tat in keinen Zusammenhang.
*Die [[Sachverhalte: Vorkommnisse vor der Tat#Nächtliche Suche nach Viktoria oder nach ihrer Mutter | Suche]] nach Cäzilia Gruber / Viktoria Gabriel stünde mit der Tat in keinen Zusammenhang.
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