Sachverhalte: Strafprozess wegen Blutschande gegen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel 1920: Unterschied zwischen den Versionen

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== Hintergründe ==
== Hintergründe ==
Zu dem Prozess selbst, Vorwurf der schweren Blutschande, liegt kein Aktenmaterial vor. Kenntnisse darüber konnten aus dem Bericht des wegen Mordes ermittelnden Staatsanwalt [[Personen: Pielmayr Richard | Pielmayr]] gewonnen werden. Der zuvor ermittelnde Staatsanwalt [[Personen: Renner Ferdinand | Renner]] erwähnt den Sachverhalt nur in einem [[Berichte: 1922-04-10 Renner Ferdinand, Staatsanwalt | Bericht]] vom 10.04.1922.<br>
Zu dem Prozess selbst, Vorwurf der schweren Blutschande, liegt kein Aktenmaterial vor. Kenntnisse darüber konnten aus dem Bericht des wegen Mordes ermittelnden Staatsanwalt [[Ermittler: Pielmayr Richard | Pielmayr]] gewonnen werden. Der zuvor ermittelnde Staatsanwalt [[Ermittler: Renner Ferdinand | Renner]] erwähnt den Sachverhalt nur in einem [[Berichte: 1922-04-10 Renner Ferdinand, Staatsanwalt | Bericht]] vom 10.04.1922.<br>
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Nachdem [[Personen: Gabriel Viktoria | Viktoria Gabriel]] am 07.09.1919 ihren Sohn [[Personen: Gruber Josef | Josef Gruber]] zur Welt gebracht hatte, gab sie [[Personen: Schlittenbauer Lorenz | Lorenz Schlittenbauer]] als Vater ihres unehelich geborenen Sohnes an.
Nachdem [[Personen: Gabriel Viktoria | Viktoria Gabriel]] am 07.09.1919 ihren Sohn [[Personen: Gruber Josef | Josef Gruber]] zur Welt gebracht hatte, gab sie [[Personen: Schlittenbauer Lorenz | Lorenz Schlittenbauer]] als Vater ihres unehelich geborenen Sohnes an.
Lorenz Schlittenbauer war der Meinung, dass auch ihr Vater [[Personen: Gruber Andreas | Andreas Gruber]] als Erzeuger in Frage komme und lehnte die Vaterschaft ab.  
Lorenz Schlittenbauer war der Meinung, dass auch ihr Vater [[Personen: Gruber Andreas | Andreas Gruber]] als Erzeuger in Frage komme und lehnte die Vaterschaft ab.  
Der Grund war nicht nur die [[Sachverhalte: Strafprozess wegen Blutschande gegen Andreas und Viktoria Gruber 1915 | Verurteilung]] von Andreas und Viktoria im Jahre 1915, sondern auch die Vorfälle aus jüngster Vergangenheit, die Lorenz in seiner [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz (Auszüge) | Aussage]] 1931 detailiert schilderte.<br>
Der Grund war nicht nur die [[Sachverhalte: Strafprozess wegen Blutschande gegen Andreas und Viktoria Gruber 1915 | Verurteilung]] von Andreas und Viktoria im Jahre 1915, sondern auch die Vorfälle aus jüngster Vergangenheit, die Lorenz in seiner [[Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz (Auszüge) | Aussage]] 1931 detailliert schilderte.<br>
Aus der [[Dokumente: 1926-11-06 Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayr | Zusammenfassung]] des Staatsanwaltes Pielmayr ist bekannt, dass  Lorenz Schlittenbauer am 10.09.1919 Andreas Gruber und Viktoria Gabriel wegen Blutschande angezeigt hatte, worauf am 13.09.1919 Andreas Gruber in Untersuchungshaft genommen wurde. Warum Viktoria nicht verhaftet wurde ist nicht bekannt. Ein Grund dafür könnte es sein, dass sie gerade erst ein Kind zur Welt gebracht hatte und den Säugling verpflegen musste.<br>
Aus der [[Dokumente: 1926-11-06 Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayr | Zusammenfassung]] des Staatsanwaltes Pielmayr ist bekannt, dass  Lorenz Schlittenbauer am 10.09.1919 Andreas Gruber und Viktoria Gabriel wegen Blutschande angezeigt hatte, worauf am 13.09.1919 Andreas Gruber in Untersuchungshaft genommen wurde. Warum Viktoria nicht verhaftet wurde ist nicht bekannt. Ein Grund dafür könnte es sein, dass sie gerade erst ein Kind zur Welt gebracht hatte und den Säugling verpflegen musste.<br>
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Am 30.09.1919 übernahm Lorenz Schlittenbauer vor dem Vormundschaftsgericht des Amtsgerichts Schrobenhausen, Aktenzeichen V.V.216/19, die Vaterschaft für Josef Gruber und verpflichtete sich zur Zahlung einer Abfindungssumme von 1800 Mark.<br>  
Am 30.09.1919 übernahm Lorenz Schlittenbauer vor dem Vormundschaftsgericht des Amtsgerichts Schrobenhausen, Aktenzeichen V.V.216/19, die Vaterschaft für Josef Gruber und verpflichtete sich zur Zahlung einer Abfindungssumme von 1800 Mark.<br>  
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Anfang Oktorber 1919 zeigte Lorenz Schlittenbauer Andreas Gruber und Viktoria Gabriel erneut an. Aufgrund der Vorgehensweise scheint man ihm keinen Glauben geschenkt zu haben und so wurde seine Aussage, auf Antrag des Landgericht Neuburg an der Donau vom 08.10.1919, am 23.10.1919 gemäß § 65 Abs.III StPO, gesetzlich beeidigt. Die Gründe für die erneute Anzeige nennt Pielmayr jedoch nicht. Ein Grund könnte sein, dass auch die erneut in Aussicht gestellte Hochzeit zwischen Viktoria Gabriel und Lorenz Schlittenbauer ausgeblieben ist. Dabei handelt es sich aber um Spekulation.  
Anfang Oktober 1919 zeigte Lorenz Schlittenbauer Andreas Gruber und Viktoria Gabriel erneut an. Aufgrund der Vorgehensweise scheint man ihm keinen Glauben geschenkt zu haben und so wurde seine Aussage, auf Antrag des Landgericht Neuburg an der Donau vom 08.10.1919, am 23.10.1919 gemäß § 65 Abs.III StPO, gesetzlich beeidigt. Die Gründe für die erneute Anzeige nennt Pielmayr jedoch nicht. Ein Grund könnte sein, dass auch die erneut in Aussicht gestellte Hochzeit zwischen Viktoria Gabriel und Lorenz Schlittenbauer ausgeblieben ist. Dabei handelt es sich aber um Spekulation.  


Staatsanwalt Pielmayr [[Dokumente: 1926-11-06 Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayr | berichtet]] weiter, dass die Staatsanwaltschaft Neuburg an der Donau unter dem Aktenzeichen Str.P.R.1920 No.9. am 31.12.1919 Anklage wegen eines Verbrechen gegen die Sittlichkeit (schwere Blutschande) erhob.
Staatsanwalt Pielmayr [[Dokumente: 1926-11-06 Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayr | berichtet]] weiter, dass die Staatsanwaltschaft Neuburg an der Donau unter dem Aktenzeichen Str.P.R.1920 No.9. am 31.12.1919 Anklage wegen eines Verbrechen gegen die Sittlichkeit (schwere Blutschande) erhob.
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Aufgrund der wechselnden Angaben des Lorenz Schlittenbauer, letztere Aussage unter Eid, konnte die Aussage nicht als genügende Grundlage zu einer Verurteilung erachtet werden.
Aufgrund der wechselnden Angaben des Lorenz Schlittenbauer, letztere Aussage unter Eid, konnte die Aussage nicht als genügende Grundlage zu einer Verurteilung erachtet werden.
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Da Lorenz Schlittenbauer keine rechtlichen Konsequenzen zu tragen hatte, muss davon ausgegangen werden, dass er keinen Meinei geleistet hat.
Da Lorenz Schlittenbauer keine rechtlichen Konsequenzen zu tragen hatte, muss davon ausgegangen werden, dass er keinen Meineid geleistet hat.
Aus der Tatsache, dass man Andreas Gruber keine Haftentschädigung aus der vorangegangenen Untersuchungshaft zugebilligt hatte, kann geschlossen werden, dass es sich um einen zweitklassigen Freispruch, einem Freispruch aus Mangel an Beweisen, handelt. Diese Rückschlüsse können aufgrund der [[Dokumente: 1926-11-06 Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayr | Dokumentation]] des Staatsanwaltes Pielmayr gezogen werden.
Aus der Tatsache, dass man Andreas Gruber keine Haftentschädigung aus der vorangegangenen Untersuchungshaft zugebilligt hatte, kann geschlossen werden, dass es sich um einen zweitklassigen Freispruch, einem Freispruch aus Mangel an Beweisen, handelt. Diese Rückschlüsse können aufgrund der [[Dokumente: 1926-11-06 Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayr | Dokumentation]] des Staatsanwaltes Pielmayr gezogen werden.


== Bemerkungen ==
== Bemerkungen ==
Zu dem oben geschilderten Prozess macht [[Personen: Die Auffindungszeugen | Auffindzeuge]] [[Personen: Sigl Jakob | Jakob Sigl]] in seiner [[Aussagen: 1952-01-10 Sigl Jakob | Aussage]] 1952 folgende Angaben:<br>  
Zu dem oben geschilderten Prozess macht [[Personen: Die Auffindungszeugen | der Auffindungszeuge]] [[Personen: Sigl Jakob | Jakob Sigl]] in seiner [[Aussagen: 1952-01-10 Sigl Jakob | Aussage]] 1952 folgende Angaben:<br>  
Zitat: "...Als die Geschichte war mit dem Buben- die Viktoria hat `s ihm selber gesteckt gehabt- da ist er zum Pölt gekommen und hat gesagt: "Jetzt zeig`ich den Alten an. Jetzt kommt er mir dran wegen Blutschand, ins Gefängnis muss er. Dem brock ich ein, dass er gleich drin bleibt... Man erzählte sich damals, dass, nachdem Gruber eingezogen war, die Viktoria Gabriel den Lorenz Schlittenbauer zur Zurücknahme seiner Angaben umgestimmt hat. Die Gabriel soll damals dem Schlittenbauer einen Schurz voll Geld überbracht haben..."<br>
Zitat: "...Als die Geschichte war mit dem Buben- die Viktoria hat `s ihm selber gesteckt gehabt- da ist er zum Pölt gekommen und hat gesagt: "Jetzt zeig`ich den Alten an. Jetzt kommt er mir dran wegen Blutschand, ins Gefängnis muss er. Dem brock ich ein, dass er gleich drin bleibt... Man erzählte sich damals, dass, nachdem Gruber eingezogen war, die Viktoria Gabriel den Lorenz Schlittenbauer zur Zurücknahme seiner Angaben umgestimmt hat. Die Gabriel soll damals dem Schlittenbauer einen Schurz voll Geld überbracht haben..."<br>
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[[Personen: Pöll Michael | Michale Pöll]] sagte im Zuge seiner [[Aussagen: 1922-04-05 Pöll Michael | Vernehmung]] dazu:<br>
[[Personen: Pöll Michael | Michael Pöll]] sagte im Zuge seiner [[Aussagen: 1922-04-05 Pöll Michael | Vernehmung]] dazu:<br>
Zitat: "... Allgemein im Orte ist bekannt, dass Gruber mit seiner ermordeten Tochter Vikoria Gabriel in geschlechtlicher Beziehung stand..."<br>
Zitat: "... Allgemein im Orte ist bekannt, dass Gruber mit seiner ermordeten Tochter Viktoria Gabriel in geschlechtlicher Beziehung stand..."<br>
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Die ehemalige Magd [[Personen: Rieger Kreszenz | Kreszenz Rieger]], spätere Schmidt [[Aussagen: 1922-04-24 Rieger Kreszenz | berichtet ]] 1922 von diesbezüglichen Vorkommnissen. In ihrer [[Aussagen: 1952-07-09 Rieger Kreszenz II | Aussage]] 1952 geht sie ebenfalls auf den Inzest ein:<br>
Die ehemalige Magd [[Personen: Rieger Kreszenz | Kreszenz Rieger]], spätere Schmidt [[Aussagen: 1922-04-24 Rieger Kreszenz | berichtet ]] 1922 von diesbezüglichen Vorkommnissen. In ihrer [[Aussagen: 1952-07-09 Rieger Kreszenz II | Aussage]] 1952 geht sie ebenfalls auf den Inzest ein:<br>
Zitat: "... Mir war bekannt, dass die junge Bäuerin mit ihrem Vater geschlechtlich verkehrte. Anläßlich eines Kirchgangs wurde ich von einigen jungen Burschen daraufhin aufmerksam gemacht, dass der alte Bauer mit der jungen Frau, also mit seiner Tchter geschlechtliche Beziehungen unterhalte. Mir war vorher von dieser Angelegenheit noch nichts bekannt und mir ist auch nichts aufgefallen, dass die beiden Zärtlichkeiten ausgetauscht hätten. Ich war damals dennoch neugierig und habe in der Flgezeit besonders aufgepasst. Eines Tages, es war im Frühjahr 1921, kam ich in den Stadel und wollte dem alten Gruber beim Aufladen eines Wasserfasses behilflich sein. Als ich dann in die Scheune kam, traf ich Gruber im Stroh liegend an, wie er gerade mit seiner Tochter Viktoria den Geschlechtsverkehr ausübte. Ich weiß bestimmt, dass ich damals von der Viktoria Gabriel gesehen wurde. Dies deshalb, weil sie mir nachher sagte, dass wenn sie das gewusst hätte, dass ich in den Stadel komme, sie sich ihrem Vater nicht hingegeben hätte. Bei anderer Gelegenheit hörte ich wie Andreas Gruber zu seiner Tochter, Frau Gabriel sagte, dass sie nicht heiraten brauche, denn solange er lebe ist er für "dies" da. Damit wollte er sagen, dass er seine Tochter in geschlechtlicher Hinsicht immer befriedigen werde. Als Gruber dies sagte, waren die beiden beim Instandsetzen des Taubenschlages im Getreideboden beschäftigt. Dies war nachdem ich die beiden vorher im Stadel bei der Ausübung des Geschlechtsverkehrs überrascht habe..."
Zitat: "... Mir war bekannt, dass die junge Bäuerin mit ihrem Vater geschlechtlich verkehrte. Anlässlich eines Kirchgangs wurde ich von einigen jungen Burschen daraufhin aufmerksam gemacht, dass der alte Bauer mit der jungen Frau, also mit seiner Tochter geschlechtliche Beziehungen unterhalte. Mir war vorher von dieser Angelegenheit noch nichts bekannt und mir ist auch nichts aufgefallen, dass die beiden Zärtlichkeiten ausgetauscht hätten. Ich war damals dennoch neugierig und habe in der Folgezeit besonders aufgepasst. Eines Tages, es war im Frühjahr 1921, kam ich in den Stadel und wollte dem alten Gruber beim Aufladen eines Wasserfasses behilflich sein. Als ich dann in die Scheune kam, traf ich Gruber im Stroh liegend an, wie er gerade mit seiner Tochter Viktoria den Geschlechtsverkehr ausübte. Ich weiß bestimmt, dass ich damals von der Viktoria Gabriel gesehen wurde. Dies deshalb, weil sie mir nachher sagte, dass wenn sie das gewusst hätte, dass ich in den Stadel komme, sie sich ihrem Vater nicht hingegeben hätte. Bei anderer Gelegenheit hörte ich wie Andreas Gruber zu seiner Tochter, Frau Gabriel sagte, dass sie nicht heiraten brauche, denn solange er lebe ist er für "dies" da. Damit wollte er sagen, dass er seine Tochter in geschlechtlicher Hinsicht immer befriedigen werde. Als Gruber dies sagte, waren die beiden beim Instandsetzen des Taubenschlages im Getreideboden beschäftigt. Dies war nachdem ich die beiden vorher im Stadel bei der Ausübung des Geschlechtsverkehrs überrascht habe..."
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