Dokumente: 1922-08-22 Beschluß des obersten bayer. Landgericht in München in Erbsachen Gabriel: Unterschied zwischen den Versionen
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Jn welcher Reihenfolge die Bewohner des Anwesens in Hinterkaifeck von den Raubmördern oder dem einzigen Täter tötlich verletzt wurden und in welchem Zeitpunkt die einzelnen Opfer ihr Leben ließen, ist zur Zeit völlig im Dunkeln. Ob diese Frage bei Ermittlung der Täter jemals eine zweifelsfreie Lösung finden wird, kann dahin gestellt bleiben. Zur Zeit steht nur soviel fest, daß anlässlich des im besagten Anwesen verübten Verbrechens dessen sämtliche Jnwohner getötet wurden; nach der Rechtsvermutung des § 20 BGB. müssen dieselben deshalb als gleichzeitig gestorben erachtet werden. Die Vorschrift des § 2356 BGB. steht der Ausstellung des beantragten Erbscheins nicht entgegen . Allerdings hat der Antragsteller nach § 2356 Abs.1 Satz 1 a.a.O. durch öffentliche Urkunden nachzuweisen, in welcher Weise die Person weggefallen ist, durch die er von der Erbfolge ausgeselassen wurde (§ 2354 Abs.2). Allein mangels solcher Urkunden genügtt gemäß §t 2356 Abs. I S.2 die Angabe anderer Beweismittel und als ein solches Beweismittel muß die dem Antragsteller im gegebenen Fall gemäß §20 BGB. zur Seite stehende Rechtsvermutung gelten. <br> | Jn welcher Reihenfolge die Bewohner des Anwesens in Hinterkaifeck von den Raubmördern oder dem einzigen Täter tötlich verletzt wurden und in welchem Zeitpunkt die einzelnen Opfer ihr Leben ließen, ist zur Zeit völlig im Dunkeln. Ob diese Frage bei Ermittlung der Täter jemals eine zweifelsfreie Lösung finden wird, kann dahin gestellt bleiben. Zur Zeit steht nur soviel fest, daß anlässlich des im besagten Anwesen verübten Verbrechens dessen sämtliche Jnwohner getötet wurden; nach der Rechtsvermutung des § 20 BGB. müssen dieselben deshalb als gleichzeitig gestorben erachtet werden. Die Vorschrift des § 2356 BGB. steht der Ausstellung des beantragten Erbscheins nicht entgegen . Allerdings hat der Antragsteller nach § 2356 Abs.1 Satz 1 a.a.O. durch öffentliche Urkunden nachzuweisen, in welcher Weise die Person weggefallen ist, durch die er von der Erbfolge ausgeselassen wurde (§ 2354 Abs.2). Allein mangels solcher Urkunden genügtt gemäß §t 2356 Abs. I S.2 die Angabe anderer Beweismittel und als ein solches Beweismittel muß die dem Antragsteller im gegebenen Fall gemäß §20 BGB. zur Seite stehende Rechtsvermutung gelten. <br> | ||
Aber selbst wenn man in vowürfiger Sache von einer gemeinsamen Gefahr nicht sprechen könnte und in dem begangenen Verbrechen mehrere selbständige gegen die einzelnen Personen gerichtete Lebensbedrohungen erblicken würde, so dürfte man doch mangels Jeglichen Nachwelses über die Reihenfolge der Todesfälle zum gleichen Ergebnis wie unter Anwendung des ¢ 20 BGB. gelangen, denn es wäre willkürlich von einer dieser Personen anzunehmen, daß sie die andere überlebt hat (v.Thur BGB. Bd. I S.384). Demnach erweist sich die weitere Beschwerde als unbegründet. Die Entscheidung im Kostenpunkte stützt sich auf Art.131 Ausf. Ges. zum BGB. Der Antrag der weiteren Beschwerde, die Kosten des Verfahrens den Erbbeteiligten nach Maßgabe des Erbscheins aufzuerlegen, ist unbegründet, da das gesamte Beschwerdeverfahren von Karl Gabriel betrieben wurde und nur hiedurch die ihm auferlegten Kosten entstanden sind.<br> | Aber selbst wenn man in vowürfiger Sache von einer gemeinsamen Gefahr nicht sprechen könnte und in dem begangenen Verbrechen mehrere selbständige gegen die einzelnen Personen gerichtete Lebensbedrohungen erblicken würde, so dürfte man doch mangels Jeglichen Nachwelses über die Reihenfolge der Todesfälle zum gleichen Ergebnis wie unter Anwendung des ¢ 20 BGB. gelangen, denn es wäre willkürlich von einer dieser Personen anzunehmen, daß sie die andere überlebt hat (v.Thur BGB. Bd. I S.384). Demnach erweist sich die weitere Beschwerde als unbegründet. Die Entscheidung im Kostenpunkte stützt sich auf Art.131 Ausf. Ges. zum BGB. Der Antrag der weiteren Beschwerde, die Kosten des Verfahrens den Erbbeteiligten nach Maßgabe des Erbscheins aufzuerlegen, ist unbegründet, da das gesamte Beschwerdeverfahren von Karl Gabriel betrieben wurde und nur hiedurch die ihm auferlegten Kosten entstanden sind.<br> | ||
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|gez. Unzner | |gez. Unzner | ||
|Ulrich | |Ulrich | ||
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Dr.Engelmann ist beurlaubt und deshalb an der Unterzeichnung verhindert.<br> | Dr.Engelmann ist beurlaubt und deshalb an der Unterzeichnung verhindert.<br><br> | ||
gez. Unzner. <br> | |||
Für den Gleichlaut der Ausfertigung mit der Urschrift. München, den 22. August 1922<br> | Für den Gleichlaut der Ausfertigung mit der Urschrift. München, den 22. August 1922<br> | ||
Der Gerichtsschreiber des Obersten Landesgerichts | Der Gerichtsschreiber des Obersten Landesgerichts |
Version vom 28. September 2022, 13:50 Uhr
Detailinformationen
Datum
22.08.1922
Ort
München
Art des Dokumentes
Antwortschreiben vom Obersten Landesgericht
Verfasser
Oberstes Landesgericht
Quelle
Staatsarchiv München, AG Schrobenhausen NR 1922/41-43
Inhalt
Reg III. Nr. 75/1922 Zum Abdruck bestimmt
Beschluß.
Auf die weitere Beschwerde des Gütlers Karl Gabriel in Laag gegen den Beschloss des Landgerichts Neuburg a.D. vom 30. Juni 1922 in der Nachlaßsache der Gütlerswitwe Viktoria Gabriel von Hinterkaifeck beschließt das Oberste Landesgericht -Ferienzivilsenat - unter Mitwirkung des Präsidenten Staatsrats Dr. von Unzner und der Räte Ulrich, Knauer, Dr. Silberschmidt und Dr. Engelmann in der Sitzung vom 29 Juli 1922: Zum Abdruck bestimmt
Beschluß.
Auf die weitere Beschwerde des Gütlers Karl Gabriel in Laag gegen den Beschloss des Landgerichts Neuburg a.D. vom 30. Juni 1922 in der Nachlaßsache der Gütlerswitwe Viktoria Gabriel von Hinterkaifeck beschließt das Oberste Landesgericht -Ferienzivilsenat - unter Mitwirkung des Präsidenten Staatsrats Dr. von Unzner und der Räte Ulrich, Knauer, Dr. Silberschmidt und Dr. Engelmann in der Sitzung vom 29 Juli 1922: I. Die weitere Beschwerde des Karl Gabriel wird als unbegründet zurückgewiesen. Gründe:
Jr. der Nacht vom 31. März auf 1. April 1922 wurden im Einödsanwesen Hinterkaifeck die sämtlichen Bewohner desselben, darunter die verwitwete Anwesensbesitzerin Viktoria Gabriel, ihre siebenjährige Tochter Zäzilie Gabriel und ihre leiblichen Eltern, die Austräglerseheleute Andreas und Zäzilie Gruber ermordet. I. Die weitere Beschwerde des Karl Gabriel wird als unbegründet zurückgewiesen. Gründe:
Jr. der Nacht vom 31. März auf 1. April 1922 wurden im Einödsanwesen Hinterkaifeck die sämtlichen Bewohner desselben, darunter die verwitwete Anwesensbesitzerin Viktoria Gabriel, ihre siebenjährige Tochter Zäzilie Gabriel und ihre leiblichen Eltern, die Austräglerseheleute Andreas und Zäzilie Gruber ermordet. Aber selbst wenn man annehme, daß Mutter und Tochter in einer gemeinsamen Gefahr gemäß 5 20 BGB. umgekommen wären, erscheine die Ausstellung des Erbscheins unbegründet, denn nach § 2354 BGB. habe derjenige, der die Ausstellung des Erbscheins als gesetzlicher Erbe beantragt, anzugeben, in welcher Weise die Personen, durch die der Antragsteller von der Erbfolge ausgeschlossen in Wegfall gekommen seien und die Richtigkeit dieser. Angaben nach § 2356 BGB. in erster Linie durch öffentliche Urkunden und ausnahmsweise durch Angabe anderer Beweismittel nachzuweisen. Das Landgericht Neuburg a.D. wies durch Beschluß -vom 20.04.1922 die Beschwerde des Karl Gabriel gegen den Beschluß des Amtsgerichts Schrobenhausen vom 7. Juni 1922 zurück und überbürdete die durch das Rechtsmittel verursachten Kosten dem Beschwerdeführer. Unbestrittenermaßen hat das Nachlaßgericht den von, den Beteiligten erbetenen Erbschein lediglich zu den Akten ausgestellt, eine Bekanntgabe desselben an die Antragsteller durch Zustellung einer Ausfertigung des Erbscheins aber unterlassen und nur dem Finanzamt zum. Zwecke der Umschreibung des Katasters vom Inhalt des Erbscheins Mitteilung gemacht. {|
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gez. Unzner | Ulrich | Knauer | Silberschmidt |
Dr.Engelmann ist beurlaubt und deshalb an der Unterzeichnung verhindert.
gez. Unzner.
Für den Gleichlaut der Ausfertigung mit der Urschrift. München, den 22. August 1922
Der Gerichtsschreiber des Obersten Landesgerichts