Aussagen: 1951-12-17 Freundl Johann

Quelle

Staatsarchiv Augsburg/ 1 Js 244/52

Detailinformationen

Datum

17.12.1951

Ort

Gröbern

Zugegen

Johann Freundl,
unbekannter Protokollant

Inhalt

Landpolizei Bayern
Chefdienststelle Schwaben
-Kriminalstelle-

z.Zt. Gröbern, den 17.12.1951


Vernehmungsniederschrift

Aufgesucht in seiner Wohnung, mit dem Gegenstand der Vernehmung vertraut gemacht und zur Wahrheitsangabe ermahnt, gibt Johann Freundl folgendes an:

Zur Person:

Freundl Vorname Johann, verh. Waldaufseher, geb. 3.7.1882 in Gröbern wohnhaft in Gröbern Haus Nr. 28, Ldkrs. Schrobenhausen

Zur Sache:

Ich bin seit meiner Geburt, mit Ausnahme meiner Militärzeit von 1914-1918, ständig hier wohnhaft und daher mit den örtlichen Verhältnissen vertraut. Der Bauer Andreas Gruber von Hinterkaifeck war mir gut bekannt. Er stammt glaublich von Gerolsbach und hat in das Anwesen Hinterkaifeck eingeheiratet. Die Hinterkaifecker Bäuerin war Witwe. Aus deren erster Ehe waren glaublich 2 Kinder vorhanden. Aus der 2. Ehe entstammte nur die ermordete Viktoria. Diese hatte sich kurz vor Kriegsausbruch mit dem Landwirtssohn Karl Gabriel verheiratet. Über die Familienverhältnisse bei Gruber ist mir nichts bekannt. Jedoch hörte man erzählen, dass Gruber mit seiner Frau nicht gut gelebt hat. Weiter erzählte man, dass Gruber mit seiner Tochter Blutschande getrieben hat. Außerdem muss ich die Leute von Hinterkaifeck als etwas sonderbar bezeichnen. Wenn man zum Beispiel am Haus vorbeiging, gingen die Bewohner lieber in das Haus zurück bevor sie mit jemandem gesprochen hätten. Wirtschaftlich waren die Hinterkaifecker sehr gut gestellt. Sie waren sehr arbeitsam. Wenige Jahre vor Kriegsausbruch ließ Gruber sein Haus baulich instandsetzen. Damals war ich als Handlanger beschäftigt. Die Tochter Viktoria hatte damals mit mir Mörtel und Steine getragen, genauso wie ein Mann, so dass sie als kräftige und arbeitsame Frau bezeichnet werden muss. Wie die Ehe Gabriel verlaufen ist, kann ich nicht sagen. Karl Gabriel musste bei Kriegsausbruch einrücken und ist alsbald in Frankreich gefallen. Aus dieser Ehe ging ein Kind (Cäcilie) hervor. Ob über den Todesfall des Karl Gabriel in Hinterkaifeck große Trauer herrschte, weiß ich nicht, weil ich zur damaligen Zeit nicht zuhause war. Am 18.12.1918 kam ich vom Krieg heim. Nach meiner Rückkehr aus dem Krieg bin ich nicht mehr so oft nach Hinterkaifeck gekommen. Ich half nur einige Male noch beim Dreschen mit. Wann ich das letzte Mal vor der Mordtat in Hinterkaifeck war, weiß ich heute nicht mehr.
An einem mir nicht mehr näher bekannten Tag im Frühjahr 1922 gegen 17.00 Uhr erhielt ich davon Kenntnis, dass man in Hinterkaifeck alle erschlagen habe. Wenn ich mich noch recht entsinne, war dies an einem Dienstag. Jedenfalls war es an dem Tag, als abends noch die Gerichtskommission aus Neuburg/Donau am Tatort eintraf. Von der Mordtat machte mir der Nachbar Stegmaier Mitteilung. Mit diesem begab ich mich sofort nach Hinterkaifeck. Wir liefen über die Wiesen und Äcker zum Anwesen. Bevor wir das Anwesen erreicht hatten, trafen wir mit den Landwirten Pöll Michael und Jakob Sigl zusammen. Diese waren bereits am Tatort gewesen und befanden sich auf dem Heimweg. Sie sagten uns, dass alle erschlagen sind. Im Anwesen Hinterkaifeck befand sich bei unserem Eintreffen nur der Landwirt und Bauernführer Lorenz Schlittenbauer. Das Anwesen Hinterkaifeck betraten wir durch die Haustüre und ich weiß heute nicht mehr genau wo wir mit Schlittenbauer zusammengetroffen sind. Schlittenbauer zeigte uns anschließend die Toten im Stadel. Es handelte sich dabei um die Eheleute Gruber, der Viktoria Gabriel und des Kindes Cäcilie.

Die Leichen lagen auf einem Haufen beieinander. Über die Verletzungen der Leichen kann ich keine Angaben machen, weil ich nicht so genau hingeschaut habe. Sodann führte uns Schlittenbauer in die Magdkammer, wo die Dienstmagd Maria Baumgartner am Boden lag. Anschließend führte er uns in das Schlafzimmer und zeigte uns die Leiche des kleinen Buben. Dieser lag im Kinderwagen. Während wir die Räume durchgegangen sind, kamen immer mehr Leute auf den Hof und schließlich auch der Bürgermeister und die Gendarmerie von Hohenwart. Der Hund befand sich im Stall bei den Kühen. Das Vieh rührte sich nicht, weil es inzwischen von Schlittenbauer gefüttert worden war. Über den Leichen im Stadel lag eine alte Stalltüre und etwas Heu. Die Hühner waren im Kuhstall. Von der Flöz (Hausgang) aus gingen Treppen zum Dachboden hoch. Im Motorenhaus, welches im Stadel eingemauert war, stand ein Zuber eingesurtes Fleisch. Schlittenbauer forderte mich auf von dem Fleisch etwas wegzunehmen und zu essen. Wo im Anwesen Hinterkaifeck die Kartoffeln gestampft wurden, weiß ich nicht. Ich glaube nicht, dass man zur damaligen Zeit auf dem Hinterkaifecker Hof schon einen Kartoffeldämpfer hatte.

In der Folgezeit wurde ich dann einige Male zur Bewachung des Anwesens Hinterkaifeck eingeteilt. Wir waren bei unseren Nachtwachen immer zu Dritt. Als wir seinerzeit von Schlittenbauer durch die Räume geführt wurden, zeigte er uns im Schlafzimmer eine leere Brieftasche. Diese lag auf dem Bett in der Mitte der Zudecke. Sie war geschlossen. Schränke öffnete Schlittenbauer in meinem Beisein nicht. Von einem Wandschränkchen ist mir nichts bekannt. Weiter habe ich noch nie etwas von einem herunterhängenden Heuseil und von Sassen im Heu gehört.

Bekannt war mir, dass Schlittenbauer die verwitwete Viktoria heiraten wollte. Mit dieser Heirat soll aber der alte Gruber nicht einverstanden gewesen sein. Schlittenbauer war zur damaligen Zeit ebenfalls Witwer. Er hatte 4 Kinder, die er mit in die Ehe gebracht hätte. Aus diesem Grunde nehme ich an, dass Gruber gegen die Heirat war.

Schlittenbauer war seinerzeit der Tat dringend verdächtig, weil er sich sehr um die Sache angenommen hatte. Außerdem zeigte er bei Begehung des Tatortes keinerlei Erschütterung als er uns die Opfer gezeigt hatte. Schlittenbauer war dann längere Zeit in Untersuchungshaft. Vermutlich konnte ihm aber nichts nachgewiesen werden. Weiterhin fiel mir das Verhalten des Schlittenbauer am Tatort deswegen auf, weil er von den Neugierigen die vorhandenen Spuren vernichten ließ. Ich habe ihn seinerzeit sogar aufgefordert, dass durch die Leute die Spuren (Anm. nicht) vernichtet werden. Schlittenbauer entgegnete mir, dass die Leute nun schon da seien und er nichts mehr machen könne.

Eine Beschreibung über die Einrichtungsgegenstände der einzelnen Zimmer usw. kann ich nicht mehr geben. Das Motorenhaus war im Stadel eingebaut. Es war gemauert und hatte zwei Eingangstüren. Die eine führte zum Stadel, die andere ins Freie, an der Rückseite des Hauses. Unter Maschinenhaus verstehe ich den Teil, an welchem früher im Stadel der Göppel war. Dies war im südlichen Teil vom Stadel, siehe Skizze. Bei dem Göppel handelte es sich um einen liegenden Göppel. Die Tat soll nach Angaben des Schlittenbauer durch den Monteur, welcher im Anwesen Hinterkaifeck einen Motor repariert hatte, aufgekommen sein. Der Monteur konnte trotz Rufen von den Inwohnern nicht gehört werden und es wurde ihm nicht geöffnet. Er soll sich dann mit Gewalt Eingang ins Motorenhaus verschafft haben. Nach Beendigung der Reparatur soll er auf dem Rückweg in Gröbern zu Schlittenbauer gesagt haben, dass in Hinterkaifeck niemand angetroffen werden konnte und man möchte dort ausrichten, dass der Motor wieder instandgesetzt sei. Schlittenbauer soll dann seinen Sohn ins Anwesen Hinterkaifeck geschickt haben, wo er ebenfalls nicht ins Haus kommen konnte. Daraufhin soll Schlittenbauer mit den Bauern Siegl und Pöll nach Hinterkaifeck gegangen sein und die Tat entdeckt haben. Erzählen hörte ich, dass das Vieh nicht den Eindruck machte, als ob es schon mehrere Tage kein Futter bekommen hätte. Andererseits erzählte man auch, dass das Vieh vor Müdigkeit hätte nicht mehr brüllen können. Wer die Kühe gemolken hat, weiß ich ebenfalls nicht. Ich bin aber der Ansicht, dass das Vieh, wenn es solange nichts zu fressen bekommen hätte, stark gebrüllt hätte. Dies wäre insbesondere bei einem Kalb, welches im Schweinestall eingesperrt war, der Fall gewesen. Gerade dieser Umstand machte mir schon immer Gedanken, weil Kälber sehr laut schreien können, wenn sie eine Mahlzeit nicht gefüttert werden.

Der Name Eser oder Kerner Hiasl ist mir nicht bekannt. Ich war über den Zeitungsartikel, die dieser im Donaukurier schrieben ließ, sehr verärgert. Die von Eser gemachten Angaben entsprechen in keiner Weise den Tatsachen. Es ist vollkommen unwahr, dass die Bauern von Gröbern mit Sensen und Mistgabeln bewaffnet bei Bekanntwerden der Tat nach Hinterkaifeck gezogen sind. Weiterhin entspricht es nicht den Tatsachen, dass die Opfer von Hinterkaifeck an einem Nachmittag in Waidhofen beerdigt wurden. Tatsache ist, dass die Beerdigung am Samstagvormittag stattfand. Ich selbst habe damals dabei geholfen, als die Särge zum Friedhof getragen wurden. Bezüglich der Angaben über seine Entlassung aus russischer Kriegsgefangenenschaft betrachte ich diese als eine glatte Lüge.

gez. Johann Freundl

Verbindung zum Mordfall Hinterkaifeck

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