Aussagen: 1931-02-19 Yblagger Hans

Quelle

Staatsarchiv München / Pol. Dir. 8091b

Detailinformationen

Datum

19.02.1931

Ort

Bad Reichenhall

Zugegen

Hans Yblagger, Lehrer
Amtsrichter AGR. Mayr stv. Urkundsbeamter: Hiebl

Inhalt

19. Februar 1931

Vernehmung des Hans Yblagger

Ich kam im Oktober 1922 als Lehrer nach Waidhofen und war dort bis 1927 im Oktober. Erst wie ich einige Zeit dort war, habe ich von der Mordsache gehört, das heisst, dass Hinterkaifeck zu meinem Schulsprengel gehörte. In der Bevölkerung ist über die Mordangelegenheit sehr viel gesprochen worden, es sind auch von Zeit zu Zeit versch. Gerüchte über den event. Täter gegangen. Einige Zeit lang hat man Verdacht gehabt auf den Gütler Kaspar von Waidhofen. Auch dessen Sohn ist einmal verdächtigt worden. Aus welchen Gründen aber kann ich weiter nicht mehr angeben.

Auch darüber ist viel gesprochen worden, dass Schlittenbauer von Gröbern der Täter sein könnte. Diesen habe ich einmal in auffälliger Weise am Tatort angetroffen. Ich glaube es war dies im April oder Mai 1925. Damals kam mein Schwiegervater Josef Müller, Magistratsbeamter in München, Türkenstr.60/4 1., zu mir auf Besuch und wollte sich dieser die Stelle ansehen, wo sich der Mord zugetragen hat. Wir gingen zusammen zu der Mordstelle. Damals war das Haus schon fast völlig abgebrochen. Es standen nur noch die Grundmauern und der Eingang zum Keller in der Mitte. D. h. es war das Loch zum Keller offen. Ganz in der Nähe des früheren Anwesens befindet sich der Wald, durch den der Fussweg von Waidhofen zum Mordanwesen führt. Wie wir damals aus dem Wald heraustraten, bemerkte ich den Schlittenbauer in der Mitte des Anwesens vor dem Kellerloch. Er schaute zum Kellerloch hinunter in etwas nach vorn geneigter Haltung, aber stehend. Er hat uns im Näherkommen nicht wahrgenommen, was auffallend war. Er war ganz vertieft in die Betrachtung. Erst als wir auf etwa 5 – 7 m an ihn herangekommen waren, hat er uns plötzlich bemerkt.Ich hatte da den Eindruck, als ob er über unser Kommen erschrocken wäre. Ohne dass wir ein Wort gesagt hätten, fing Lorenz Schlittenbauer sofort zu reden an und sagte zu mir: „Dass da bei dem Bau des Hauses so furchtbar dicke Kellermauern gebaut wurden.“ Er erzählte mir dann den Mordfall und zwar unaufgefordert, d. h. er erklärte mir, wo die einzelnen Leichen bei der Auffindung gelegen seien und zwar furchtbar hastig. Das hätte mich aber noch nicht so eigenartig berührt. Aber dann führte er mich an die äusserste Ecke des Anwesens beim Stadel und dort erzählte er mir, was ich bisher noch nicht gehört hatte, nämlich, dass dort der Täter ein Loch haben aufgraben wollen, um die Leichen dort zu verscharren. Es war dies an der Stelle, wo auf der mir aus der bei den Akten befindlichen Zusammenstellung angehefteten und mir vorgezeigten Anwesensskizze die Futterkammer, V und i von Viertel eingezeichnet ist. Er erzählte mir auch, dass da auch noch eine Stelle gefunden worden sei, wo schon aufzugraben angefangen war. Da habe ich eingewandt: „Das würde eigentlich den Verdacht erregen, dass der Täter von der Nähe sein muss, denn wenn der Täter von weit her wäre, so hätte er geschaut, dass er sobald wie möglich wieder fortkommt!“ Darauf antwortete mir Schlittenbauer: „Nein, Nein, Nein, der Täter ist von weither, der ist nicht von der Nähe!“ Er hat das als ganz bestimmt gesagt und zwar sehr erregt über meine Meinung, dass der Täter von der Nähe wäre. Das fiel mir besonders auf und ich hatte den Eindruck, als ob er sich dagegen wehren wollte, dass man annimmt, der Täter sei von der Nähe. Ob mein Schwiegervater alles gehört hat, weiss ich nicht, weil er nicht immer bei uns gestanden ist, sondern umherging. Beim Nachhausegehen haben wir beide schon über das eigenartige Benehmen des Schlittenbauer gesprochen. Ich hatte den Eindruck, dass Schlittenbauer damals etwas befangen war, dass noch eine fremde Person dabei war. Denn er hatte wohl mich gekannt, da (ja seine Kinder lies:) sein Anwesen zu meinem Schulbezirk gehörte, nicht aber meinen Schwiegervater.

Ich hatte den Eindruck, als ob es ihm peinlich war, dass man ihn am Tatort antraf. Denn bei der Bevölkerung bestand ja der Verdacht auf ihn.
Am Schluss hat damals Schlittenbauer ganz plötzlich abgebrochen und auch das war mir auffällig. Er hat bei der ganzen Sache fast immer allein geredet. Ich selbst habe nicht viel gesagt. Plötzlich sagte er zu mir, er müsse in den Wald gehen und nach den Fuchs- oder Mardereisen sehen. Seine Buben hätten Fallen gestellt, weil bei ihm immer Hühner weggekommen seien.

Ich sagte noch: Da können Sie mit den Jägern in Konflikt kommen", worauf er in den Wald gegen Schrobenhausen wegging.
Ich bin vor diesem Vorfall und auch nachher öfter am Tatort vorbeigekommen, habe dort niemals Schlittenbauer gesehen, auch nicht bei dem dort später errichteten Marterl. Davon habe ich auch dem Wenzeslaus Bley nichts erzählt, wohl aber von der erwähnten Begebenheit in Anwesenheit meines Schwiegervaters, d. h. von der Begebenheit, bei der mein Schwiegervater mit an der Mordstelle war.

Ich habe natürlich auch mit Pfarrer Haas öfter über den Mordfall gesprochen. Es sind unsere Meinungen über den Täter auseinandergegangen. Während Pfarrer Haas immer den Gütler Kaspar als verdächtigeren hielt, war ich der Meinung, dass Schlittenbauer sehr verdächtig wäre.
In der Bevölkerung war schon verbreitet, dass das Vieh bis zur Aufdeckung der Leichen gefüttert worden sein muss. Es ist auch in der Bevölkerung als auffallend erzählt worden, dass Lorenz Schlittenbauer nach der Aufdeckung der Leichen sofort das Vieh gefüttert habe. Er soll da in den Keller gegangen sein und Milch geholt und damit die Schweine gefüttert haben. Wer das erzählt hat, daran kann ich mich nicht erinnern. Ich meine aber von einem, der bei der Aufdeckung der Leichen dabei war. Ich weiss dies aber nicht mehr ganz sicher. Ich könnte den Betreffenden aber nicht mehr angeben.
Ich kann mich auch daran erinnern, dass einmal über die Möglichkeit, wie der Mord sich abgespielt haben kann, gesprochen wurde. Aber wer das gesagt hat, kann ich nicht mehr angeben.
Den Schlittenbauer habe ich natürlich immmer beobachtet, wenn ich ihn gesehen habe, wie alle, die als Täter in Frage kamen. Er war ein ganz eigenartiger Mensch, bald so, bald wieder anders, bald heiter, bald wieder ganz deprimiert.
Ich konnte auch das Gefühl nicht ganz unterdrücken, als ob er nicht ganz normal wäre.
Ich habe den an sich an der Mordstelle zwischen mir und Schlittenbauer abgespielten Vorfall für die Sache nicht so bedeutend gehalten und deshalb bisher auch der Staatsanwaltschaft nichts mitgeteilt.

Verbindung zum Mordfall Hinterkaifeck

Fragen/Bemerkungen

Von Oktober 1922 bis Oktober 1927 war H. Yblagger Lehrer in Waidhofen.