Schwierigkeiten der Polizeiarbeit im Fall Hinterkaifeck

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Die damaligen Möglichkeiten der Polizei unterschieden sich bei Weitem von den heutigen. Telefone waren selten, die Wege zwischen München und dem Tatort sehr weit, das Wetter und die Straßenverhältnisse schlecht, Autos und Personal nicht grenzenlos verfügbar und gegenseitige Ressentiments zwischen Dorf- und Kriminalpolizei erschwerten die Ermittlungen.
Mit welchen Hindernissen musste sich die Polizei im Mordfall Hinterkaifeck auseinandersetzen?

Organisatorisches

Späte Auffindung

Die Leichen wurden erst 4 Tage nach der Tat entdeckt. Dabei ging wertvolle Zeit für die Spurensicherung aber auch für die Ermittlungen verloren.

Große Entfernungen/ Schlechte Straßen

Bis zur Benachrichtigung der Münchner Kriminalpolizei vergingen fast 2 Stunden. Noch einmal 3,5 Stunden dauerte es, bis die Kriminalpolizei in München aufbrechen konnte. Auf schlechten Straßen und in der Dunkelheit dauerte die Fahrt mehrere Stunden.

Neue Strukturen innerhalb der Bayerischen Polizei

Erst 4 Tage zuvor war eine komplett neue Strukturierung der Ermittlungsbehörden in Kraft getreten. Viele Dienstwege waren noch unbekannt oder ungewohnt, viele Zuständigkeiten unklar.

Fehlender Stromanschluss

„Das Elektrische“ war auf Hinterkaifeck nie angekommen. Deshalb kam die Kriminalpolizei erst bei Tagesanbruch des 5. Aprils 1922 an den Tatort.

Mühsame Kommunikation/ Viele involvierte Dienststellen / Fehlende Akten

Die neue Struktur der Polizeibehörden in Bayern stellte eine große Herausforderung für die Ermittler dar. Die einzelnen Abteilungen mussten sich in das neue Gefüge einpassen und neue Kommunikationswege beachten – ganz ohne moderne Hilfsmittel. Aktensammlungen wurden an mehreren Stellen und in unterschiedlichem Umfang angelegt. Einige Akten gingen schon während der zeitnahen Ermittlungen verschütt. Nach der Augsburger Bombennacht von 1944 verlieren sich zudem die Spuren der Asservate und vieler wichtiger Akten.

Schwächen der Zeugenaussagen

Mangels Sachbeweisen waren die Zeugenvernehmungen das Greifbarste bei den Mordermittlungen. Dass diese sich in wesentlichen Dingen unterschieden oder große Lücken aufwiesen machte die Aus- und Bewertung nicht gerade leicht. Es gab anscheinend keinen einheitlichen Fragenkatalog, die Zeugenaussagen ähneln einer freien Rede, so dass viele Angaben nur einfach beschrieben sind und nicht durch weitere Aussagen bestätigt wurden.

Auswahl der Zeugen

Die zeitnahen Zeugenaussagen vermitteln einen pragmatischen, eher groben Ansatz der Befragungen mit dem Focus auf ortsfremde Täter und dementsprechenden Beobachtungen.. Das erst später vervollständigte Bild über die Opfer und deren Verhältnisse war dann auch oft schon von den Ereignissen geprägt und nicht mehr unbelastet.

Schnelle Festlegung auf ein Tatmotiv

Die Ermittler gingen sehr früh von einem Raubmord. Im Umfeld der Opfer wurde zunächst nicht ermittelt.

Beschränkungen in der Beweissicherung

Späte Tatortabsperrung

Bis zum Eintreffen der Polizei auf Hinterkaifeck vergingen mehrere Stunden, in denen Schaulustige den Hof und die Leichen besichtigten. Die Ermittler fanden keinen Originaltatort vorgefunden vor – die Leichen waren bewegt worden, die Tiere gefüttert.

Keine Fingerabdrücke gesichert

Obwohl die Daktyloskopie schon seit mehr als 30 Jahren Routine war (u.a. im Bereich der Erfassung von Straffälligen) waren die technischen Methoden zur Sicherung von Fingerabdrücken begrenzter als heute. Beste Chancen hatten Spurensicherer bei sofortiger Sicherung, mit jedem Tag degradierten die Spuren. Eine unüberschaubare Anzahl von Schaulustigen hatte zudem den Tatort kontaminiert, so dass die Abgrenzung zu dem oder den Tätern 4 Tage nach der Tat nahezu ausgeschlossen war.

Spürhunde

Nach 4 Tagen mit Schnee und Regen und Sturm gab es für damalige Polizeihunde nichts mehr zu wittern. Zumal zwischen Auffindung und Eintreffen der beiden Polizeihunde mehrere Dutzend Schaulustige im und um den Hof anwesend waren.

Fußabdrücke

Die Witterung erlaubte keine Sicherung von gefundenen Fußspuren und die Anwesenheit der vielen Schaulustigen hätte die Zuordnung zu einem Täter schwierig gemacht.

Fotografie

Es gibt von den 3 Tatorten nur 4 Tatortfotos, dazu 1 Hofbild von der Südseite. Fotomaterial war teuer, sehr empfindlich und 80km von der Münchner Ermittlungszentrale nicht spontan zu beschaffen, das Fehlen von Strom auf dem Hof machte die Beleuchtung zu einem Kraftakt