Wissen: Die Obduktion aus historischer Sicht

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Fand die Obduktion nach dem damals geltenden Gesetzen statt? Anhand dessen, was darüber bekannt ist, lassen sich Rückschlüsse zu, denen man entnehmen kann, dass die Sektionen den Vorschriften für das Verfahren der Gerichtsärzte bei den gerichtlichen Untersuchungen menschlicher Leichen entsprachen.
Anhand der Gerichtsmedizinischen Standards, des § 87 StPO sowie der Qualifikation des Gerichtsmediziners kann man bereits Schlüsse ziehen.

Gegenübergestellt sieht, dass dann zu den vorhandenen und uns bekannten Informationen wie folgt aus:

li.: unbekannt/unklar
Mitte: nicht durchgeführt
re.: durchgeführt







§ Richtlinien und Vorgaben Text im Fall Hinterkaifeck Bewertung
§ 87 StPO
§ 1Vorschriften für das Verfahren der Gerichtsärzte
Die gerichtliche Leichenöffnung wird nach den bestehenden Vorschriften von zwei Ärzten, unter denen sich ein Gerichtsarzt befinden muss, im Beisein eines Richters vorgenommen.
  • Die Sektionen auf Hinterkaifeck fanden am 06.04.1922, und am07.04.1922 statt. Am 07.04.1922 war nachweislich einer Unterschrift die Gerichtskommission, mit Oberamtsrichter Konrad Wiessner am Tatort.


  • zu einem 2. Arzt findet sich kein Hinweis, lediglich der Zeitzeuge Andreas Schwaiger berichtet 60 Jahre später, dass der praktische Arzt Dr. Pointner aus Hohenwart die Leichen obduziert hätte. Da aber feststeht, dass die Obduktion vom Landgerichtsarzt Dr. Aumüller vorgenommen wurde, kann es sich hier allenfalls um den 2. anwesenden Arzt gehandelt haben.

Zu beiden Punkten liegen keine konkreten bejahenden Details vor. Die Anwesenheit eines Richters am 07.04. ist gesichert, ob dieser am 06.04 ebenfalls da war, und ob er an der Obduktion bleibt fraglich. Ebenfalls ist die Teilnahme des Arztes durch nur einen Zeugen ca. 60 Jahre nach der Tat schwammig.
§ 6 Sektionsraum und dessen Beleuchtung Für die Leichenöffnung ist ein hinreichend geräumiger und heller Raum zu beschaffen, auch muß für angemessene Lagerung der Leiche und Entfernung störender Umgebungen gesorgt werden. Leichenöffnungen bei künstlichem Licht sind, einzelne keinen Aufschub gestattende Fälle ausgenommen, unzulässig. Die Opfer wurden im Innenhof von Hinterkaifeck seziert. Auf einer Anfang der 1950-iger Jahre entstandenen Tatortskizze von Xaver Dersch ist der Obduktionstisch im Innenhof schräg gegenüber der Haustüre zu sehen. Auch die Zeitungen berichteten zeitnah von der Sektion „im Unglückshof“.
§ 8 Fortschaffung der Leichen von einer Stelle zur anderen Bei allen mit der Leiche vorzunehmenden Bewegungen, namentlich bei dem Ueberführen derselben von einer Stelle zur anderen, ist sorgfältig darauf zu achten, daß kein zu starker Druck auf einzelne Teile ausgeübt und daß die Horizontallage der größeren Höhlen und die durch die Leichenstarre bedingte Stellung der Gliedmaßen nicht erheblich verändert werde.
Anm. HK.net: Da der Transport damals oftmals noch mit Fuhrwerken auf unbefestigten Straßen stattfand bestand auch die Gefahr dass sich vorhande Frakturen verschieben können
siehe unter § 6, die Obduktionen fanden im Innenhof des Anwesens statt, und durch den anwesenden Heinrich Ney ist bekannt, dass mindestens der Leichnam von Cäzilia Gabriel mittels Bahre vom Auffindeort zum Arzt getragen wurde. So berichtet er in seiner Aussage vom 19.01.1953
§ 25 Aufnahme des Protokolls Über alles die Leichenöffnung Betreffende wird an Ort und Stelle von dem Richter ein Protokoll aufgenommen. Der erste Gerichtsarzt hat dafür zu sorgen, daß der technische Befund in allen seinen Teilen, wie er von den Gerichtsärzten festgestellt worden ist, wörtlich in das Protokoll aufgenommen werde. Der Richter ist zu ersuchen, dies so geschehen zu lassen, daß die Beschreibung und der Befund jedes einzelnen Organs aufgezeichnet ist, bevor zur Untersuchung eines folgenden geschritten wird. Ein Obduktionsprotokoll war Pflicht, dieses hat sich wenn angefertigt nicht erhalten. Es gibt auch in den bekannten Akten keine Querverweise, die direkt darauf Bezug nehmen.
Da sämtliche Vorschriften ordnungsgemäß ausgeführt wurden, hierbei sogar bei der vorgefundenen und als Tatwaffe ausgeschlossenen Kreuzhaue die Schädeldächer entnommen wurden, um sie mit möglicherweise später gefundenen Schlagwerkzeugen abzugleichen, ist nahezu ausgeschlossen, dass kein Obduktionsbericht angefertigt wurde.
§28 Zusätzliche Erklärungen über Werkzeuge Hat die Leiche Verletzungen, welche ursächlich für den Tod gewesen sind und ist der Verdacht vorhanden, daß ein vorgefundenes Werkzeug bei Zufügung der Verletzungen benutzt worden ist, so haben die Gerichtsärzte auf Erfordern des Richters beide zu vergleichen und sich darüber zu äußern, ob und welche Verletzungen mit dem Werkzeuge bewirkt werden konnten und ob und welche Schlüsse (aus der Lage und der Beschaffenheit der Verletzung) auf die Art, wie der Täter, und auf die Kraft, mit der er verfahren ist, zu ziehen seien. Werden bestimmte Werkzeuge nicht vorgelegt, so haben sich die Gerichtsärzte, soweit dies dem Befunde nach möglich ist, über die Art der Entstehung der Verletzungen, und über die Beschaffenheit der dabei in Anwendung gekommenen Werkzeuge zu äußern. als die Tat entdeckt wurde, fand man im Stall auch einen Kreuzhacke, diese konnte vom Gerichtsmediziner als Tatwaffe ausgeschlossen werden. Dr. Aumüller war der Ansicht, daß die Verletzungen mit einem stumpfen Gegenstand und nicht mit der Kreuzhacke der Toten beigebracht wurde.

Quellen

Vorschriften für das Verfahren der Gerichtsärzte bei den gerichtlichen Untersuchungen menschlicher Leichen, Springer Verlag Berlin, 1905
Aussage Andreas Schwaiger, 04.07.1980
Tatortskizze Xaver Dersch
Aussage Heinrich Ney vom 19.01.1953
Fernspruch z. Leichenöffnung 07.04.1922