Neuburg, 8. April. (Zum 6fachen Raubmord bei Schrobenhausen.) Da es noch immer nicht gelungen ist, irgendeinen Anhaltspunkt zur Ausfindigmachung der Verüber des sechsfachen Mordes in dem Weiler Hinterkaifeck in der Gemeinde Wangen zu finden, hat das Ministerium des Innern eine Belohnung von 100 000 Mark für die Ergreifung der Täter ausgesetzt.
Zu dem Raubmord wird noch bekannt:
Etwa 800 Meter südlich der kleinen Ortschaft Gröbern ist der "hintere Kaifeck", ein Bauernanwesen mit etwa 50 Tagwerk Grund, darunter etwas Wald, zwei Fahrochsen und 8 Stück Vieh. Auf dem Anwesen wirtschaftete die etwa 35jährige Bauerswitwe Gabriel mit ihrem etwa in den 70er Jahren stehenden Eltern Andreas und Cäzilie Gruber und einer Magd. Frau Gabriel war Kriegerswitwe, sie hatte zwei Kinder, die 8jährige Viktoria und den erst 2einhalb Jahre alten Josef. Die Leute machten wenig von sich reden, die alten Grubers galten als Sonderlinge; früher "knickerig", vor dem Kriege auch nicht zu wohlhabend, hatten sie sich seit dem Kriege ein größeres Vermögen zurückgelegt, das von den Nachbarn auf 100 000 Mark geschätzt wurde. Man erzählte sich auch, daß die alten Gruber ein anständiges Sümmchen Gold u. Silber zu Hause verwahrt hätten. Der "hintere Kaifeck" war ein älterer Hof, Wohnhaus, Stall und Stadel ineinandergebaut, rund 25 Meter lang.
Im allgemeinen kümmerte man sich in Gröbern wenig um die Gruberischen, wie auch umgekehrt diese ihre Einöde nicht allzu oft verließen. Nun fiel es am letzten Sonntag auf, dass die "Kaifecken" diesmal nicht zur Kirche gekommen waren, wie man es sonst von ihnen gewohnt war. Ebenso war die kleine Viktoria von der Schule weggeblieben. Da machte sich am Dienstagabend der Ortsführer von Gröbern, das zur Gemeinde Wangen, eine kleine halbe Stunde westlich von Hohenwart gehört, mit noch zwei Leuten auf den Weg, um Nachschau zu halten. Man hatte sich auch erzählt, daß beim "hinteren Kaifecken" das Vieh brüllte, als ob es seit ein paar Tagen nichts zu fressen bekommen hätte; auch war es aufgefallen, daß seit Samstag kein Kaminrauch mehr gesehen wurde. Der Postbote hatte am Samstag bei seinem Gang das Haus verschlossen vorgefunden, dachte aber an nichts Schlimmes und steckte die Post, wie er es auch sonst tat, an das Fenster.
Als die Drei das Haus betreten wollten, fanden sie die Türe geschlossen. Auch die übrigen Türen waren zu; außer dem Vieh vernahm man nicht das Geringste. Die drei Männer vermuteten Schlimmes; sie erbrachen die Haustüre, gingen durch die Küche vor nach der Magdkammer und fanden dort eine in den 40er Jahren stehende Frau mit dem Gesicht auf dem Boden liegend, tot vor. In der Annahme, daß auch den übrigen Bewohnern ein Unheil zugestoßen, drangen die Drei durch den Stall, den sie in Ordnung antrafen, nach dem Stadel vor und hier bot sich ihnen nach ganz kurzem Suchen ein furchtbarer Anblick. Rechts neben der Türe lagen bei der Futtermaschine, mit Heu überdeckt, die vier Leichen der beiden alten Gruber, der Witwe Gabriel und der kleinen Viktoria. Drei Leichen waren nebeneinander, die der alten Gruber darüber gelegt. Die Leichen wiesen mit Ausnahme der alten Frau Gruber, keine auffallenden Entstellungen auf, lediglich der alten Frau Gruber war die ganze linke Gesichtsseite eingeschlagen. Ihr Mann wies eine nicht gerade lange Wunde am Hinterkopf auf, der kleinen Viktoria war die rechte Kinnlade von unten her eingeschlagen.
Die Frage nach der im Magdzimmer liegenden Frau war schnell gelöst; es handelte sich um die im 45. Jahre stehende Dienstmagd Marie Baumgartner, die für 1. April gedungen und von ihrer Schwester aus Kühbach (bei Aichach) am 31. März in ihre neue Dienststelle eingeführt worden war. Die Ermordete, die also nach wenigen Stunden ihrer Einstellung mit der Familie Gruber und Gabriel das furchtbare Schicksal teilte, lag mit dem Gesicht am Boden, noch vollständig bekleidet. Neben dem Rücksack, der die Kleider enthielt, stand ein Regenschirm.
Nach den Anzeichen zu schließen, mußte der sechsfache Mord, wie besonders aus dem Umstande entnommen werden kann, daß die Magd noch ganz bekleidet vor dem Bette lag, unmittelbar vor dem Schlafengehen der Kaifeckischen verbrochen worden sein. Für diese Annahme zeugt der Umstand, daß sämtliche Betten unbenutzt vorgefunden wurden. Vermutlich war es abends zwischen 8 und 9 Uhr.
Die Meldung von der Durchwühlung der Wohnung durch die Täter trifft nach den eingezogenen Informationen nicht zu. Es soll lediglich ein Schrank aufgerissen und durchwühlt worden sein. Wertpapiere wurden von der Kommission u. Kriminalpolizei bei der Haussuchung nicht vorgefunden. An Geld fand die Gerichtskommission 1880 Mark in Gold und 1700 Mark in Silberstücken. Was den Tätern die Hände fiel, lässt sich nicht sagen.
Umlaufende Gerüchte, daß der Täter sich in Augsburg gestellt habe, bestätigen sich nicht.
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