Dokumente: 1925-xx-xx Überlegungen Rubner zu Schmaderer

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Detailinformationen

Datum

1925 (genaues Datum unbekannt, vor 11. März 1925)

Ort

München

Art des Dokumentes

Ermittlungsansatz gegen Ignaz Schmaderer

Verfasser

Josef Rubner, Erkennungsdienst München

Verfasst für

Gendarmeriehauptstation Schrobenhausen

Quelle

Staatsarchiv München: PolDir 8091 B

Inhalt

Betreff:
Unentdeckte Raubmorde.

Im Jahre 1903 wurde in München eine vielköpfige Einbrecherbande, deren Haupt ein gewisser Josef Schmaderer, geboren am 13. September 1848, war. Schmaderer und seine Bande haben vom Allgäu bis zum bayerischen Wald und auch Württemberg heimgesucht. Hunderte von Einbruchdiebstählen, die sie begangen haben, wurden festgestellt. Mehrere Raubmorde wurden ihnen nachgewiesen. Zur Aburteilung konnte aber ein solcher nicht gebracht werden, weil die Beteiligten gestorben waren, oder von Schmaderer, wenn er Verrat fürchtete selbst beseitigt wurden. Schmaderer selbst hat sich im Polizeigefängnis aufgehängt, als er merkte, dass man für seine Beteiligung an dem im Jahre 1893 verübten, ungeheueres Aufsehen erregenden Raubmord in Salmdorf, Anhaltspunkte gefunden hatte. Als Schmaderer mit seiner Bande verhaftet wurde, war ich noch Funktionär im Referat II. Daher kann ich mich an den Fall noch in grossen Zügen erinnern. Auch an den Salmdorfer Raubmord, bei dem 7 Personen vom Greis bis zum Kind in der Wiege erschlagen wurden und das Anwesen dann in Brand gesetzt wurde, kann ich mich noch lebhaft erinnern. Eine kleine Faust aus roter Koralle, zwei verschlungene Hände und ein Herz mit Kreuz und Anker (Symbol für Glaube, Hoffnung und Liebe) waren die einzigen Gegenstände, die man bestimmt feststellen konnte, dass sie beim Raubmord in Salmdorf u.A. mitgeraubt wurden. Ich glaube, die betreffende Familie ist durch diesen Mord völlig ausgestorben. Das Anwesen soll nicht mehr aufgebaut worden sein.
Lange Jahre hörte man nichts mehr von diesem Raubmord bis in Stuttgart ein Bursche erfasst wurde, der wie später nachgewiesen wurde, mit Schmaderer zusammengearbeitet hatte. Bei diesem soll man Anhaltspunkte für den Salmdorfer Raubmord gefunden haben. Als ihm dies bekannt wurde, hat er sich auch im Gefängnis erhängt.
Später wurde in der Nähe von Salzburg oder Kufstein von Grenzbeamten ein Mann, der ihnen bei der Festnahme Widerstand leistete, erschlagen oder erschossen. Auch dieser Mann war, wie später festgestellt wurde, ein Mitglied der Schmaderer Bande. Der letzte der bekanntgewordenen Mörder war Josef Schmaderer. Man fand bei ihm die 3 vom Salmdorfer Raubmord herrührenden oben erwähnten Gegenstände. Die Schmadererbande hatte es hauptsächlich auf Pfarrhöfe und grosse Bauernhöfe abgesehen. Geraubt haben sie neben Bargeld nur Schmucksachen. Die geraubten Geld- und Silbersachen hat Schmaderer fast ausnahmslos in der K. Bayer. Münze in München einschmelzen lassen. Zu diesem Zweck legitimierte er sich mit einem Gewerbeschein für Gold- und Silberhandel.
Zu ihren Mordtaten haben sie niemals speziell dafür bestimmte Waffen mitgenommen, sondern sich solche in dem betreffenden Anwesen, das sie berauben wollten, verschafft. In Bauernanwesen haben sie das Vieh abgelassen, damit die Leute in den Stall sich begaben, wo sie dann meuchlings erschlagen wurden. Die Devise des alten Schmaderer war "Nur erschlagen nicht erschiessen! Schlagen macht fast kein Geräusch!" An den Raubzügen war die ganze Familie Schmaderer beteiligt. Die treibende Kraft war die Frau des Schmaderer. Sie bestimmte, dass die Trinkgelage, die nach jeder Tat folgten, aufhören mussten, und dass man wieder an die Arbeit ging, d.h. neue Raubzüge unternahm. Sie erhielt auch 15 Jahre Zuchthaus und ist im Zuchthaus gestorben. Eine Tochter des Schmaderer erhielt 8 Jahre Zuchthaus und der Sohn Ignaz Schmaderer, geboren am 10. Mai 1875 zu Metten, bekam auch 15 Jahre Zuchthaus. Es waren damals ungefähr 13 Mitglieder der Bande. Manche konnten nicht mehr verfolgt werden, weil sie gestorben oder von Schmaderer erschlagen wurden. Alle ermittelten Bandenmitglieder wurden zu sehr hohen Freiheitsstrafen verurteilt.
Vor kurzem erinnerte ich mich wieder an den im Jahre 1920 verübten Raubmord in Ebersberg, bei dem die Gütlerseheleute Huber nachts mit einem Beil erschlagen wurden. Ich habe damals die Tatbestandsberichte erstattet und darauf hingewiesen, dass an dem Mord eine Frauensperson beteiligt gewesen sein muss, weil an der Hand der erschlagenen Huber Frauenhaar klebte und weil sein Kopf fürchterlich zerhackt war. Ein Umstand, den man eher einem hysterischen Frauenzimmer zuschreiben möchte, als einem Manne. Ferner fand ich in einem Zimmer neben dem Mordzimmer eine blutbefleckte fremde Haarnadel. Das zum Mord verwendete Beil war aus dem Huber'schen Anwesen entnommen. Das schliesst allerdings nicht aus, dass auch noch ein Mann an der Tat beteiligt gewesen sein könnte. Nun kam mir der Gedanke, dass der Sohn des Schmaderer, Ignaz Schmaderer, seine 15 Jahre Zuchthaus abgesessen haben muss.
Durch die Personalakten und mit Hilfe der Einwohnerliste konnte ich folgendes feststellen: Ignaz Schmaderer ist am 6. Mai 1917 aus dem Zuchthaus Kaisheim entlassen worden. Er nahm bei seiner Schwester Anna Pfeiffer, geborene Schmaderer, Elektrotechnikerswitwe, geb. am 29. Juli 1879, wohnhaft Rumfordstrasse 14/III Wohnung. Am 4. Oktober 1918 wurde er nach Ebersberg abgemeldet. Kam dann am 18. Mai 1922 von Straubing nach München bei Anna Pfeiffer, nun Frauenstr. 4/1, vorübergehend zur Anmeldung und ist seit 27. Mai 1922 nach Wolfratshausen, Wofratshauserbergstrasse 165 abgemeldet. Schmaderer war also vor der Ermordung der Huber'schen Eheleute in Ebersberg. Er kann daher von den Verhältnissen der Huber'schen Eheleute Kenntnis bekommen haben. Der Raubmord in Hinterkaifeck ist ebenfalls noch ungeklärt. Dieser Raubmord und der Salmdorfer Raubmord haben ausserordentliche Ähnlichkeit in ihrer Ausführung. Auch in Hinterkaifegg wurde die ganze Familie von der Grossmutter bis zum Kind in der Wiege, ich glaube es waren 6 Personen, erschlagen.
Wie später festgestellt wurde, wurde die Mordwaffe, ein Pickel, im Heustadel gefunden. Die Täter scheinen auch vom Stall aus eingedrungen zu sein. Der Mord an dem Privatier Haggenmüller in Kaufbeuren hat mit der Schmaderer Affaire insofern Ähnlichkeit, als nur Goldmünzen geraubt wurden und der Mord auch durch Erschlagen wie in Hinterkaifegg und in Salmdorf verübt wurde. Ich gehe nun von dem Gedanken aus, dass ein Mensch wie Ignaz Schmaderer, der schon als Knabe die Raubzüge seines Vaters mitgemacht hat, der in seinem Leben nichts arbeitete, sondern nur Raub und Stehlen lernte, der von seinen Eltern dazu sogar angehalten wurde und der bei manchem Mord, wenn man ihm auch einen solchen nicht nachweisen konnte, dabei gewesen sein mag, während seiner 15jährigen Zuchthausstrafe nicht besser geworden ist. Im Gegenteil, die Erfahrung lehrt, dass im Zuchthaus keiner besser wird, sondern die Verbrecher dort erst recht auf neue Taten nach ihrer Entlassung sinnen. Dazu kommen noch die wirtschaftlichen Verhältnisse nach der Entlassung des Schmaderer. Die Inflation schritt vorwärts und das Gold bekam unglaublichen Wert. Für einen geborenen Räuber und Einbrecher wie Schmaderer mussten diese Verhältnisse noch verderbender wirken, wie auf viele andere.
Ausserdem war er nach so langer Freiheitsstrafe der Welt entfremdet. Arbeit war nie nach seinem Geschmack, denn er hat mit seinen Eltern ein sehr luxeriöses Leben geführt, solange die Leute ihre Raubzüge verrichteten. Es liegt daher sehr nahe, dass der von Kindheit auf an Verbrechen gewöhnte und auch darin geübte Ignaz Schmaderer wieder seine Verbrecherlaufbahn beschritten hat, und dass es nicht ausgeschlossen ist, dass er die Methode seines Vaters wieder aufgenommen hat.
Jedenfalls dürfte es sehr angebracht erscheinen, den Ignaz Schmaderer und seinen Umgang näher ins Auge zu fassen.

gez. Rubner
Kr. Ober-Inspektor.

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