Kriminalpolizei Augsburg
Abteilung I
Augsburg, den 7. März 1927
Betreff: Mord in Hinterkaifeck
Hurtner Josef, verh. Händler, geb. 14. Dezember 1898 zu Lechhausen, wohnhaft in Augsburg, H 253/II, erschien heute im Laufe des Nachmittages bei der Kriminalpolizei und machte folgende Angaben:
"Ich verbüsste im Amtsgerichtsgefängnis Friedberg in der Zeit vom 21. Februar bis heute eine 14 tägige Haftstrafe wegen Ruhestörung und groben Unfugs. Bei meinem Strafbeginn wurde ich in die Zelle Nr. 8 im I. Stock gelegt. Dort waren folgende Insassen: Helmer Josef, etwa 30 Jahre alt aus Kempten wegen Hordenreisens; Bischhof Josef, etwa 28 Jahre aus Friedberg wegen Diebstahls; Moser Karl, etwa 42 Jahre aus Heidelberg wegen Betrugs und Gröner Johann, etwa 30 Jahre aus Egenburg wegen Sittlichkeitsvergehens. Schon nach etwa 2 Tagen machte mich Bischhof auf Helmer aufmerksam, bedeutete mir, dass dies ein Mann sei, der schon viel hinter sich habe. Er sei auch erst 1926 aus der Gefangenenanstalt Landsberg entlassen worden und habe dort 4 bis 5 Jahre verbracht. Am gleichen Tage wurde zwischen Helmer und Bischhof vom Mord in Hinterkaifeck gesprochen. Aus dem Gespräch konnte ich aber nichts erfahren. Hiebei machte mich Bischhof darauf aufmerksam, dass Helmer den Täter von Hinterkaifeck kennt und auch weiß, wo dieser sich aufhält. Darauf erwiderte ich, dass ich diese Ansicht nicht teilen könne, denn ich sei der Meinung, wenn Helmer etwas wüsste, würde er den Mörder verraten. Hierauf warf Helmer ein, dass dies seine Sachen seien, ob er den Täter verrate, oder nicht. Alsdann wurde längere Zeit von dem Mord nichts mehr gesprochen. Ich beobachtete aber ab und zu wohl, dass die 4 übrigen Insassen der Zelle verschiedentlich Heimlichkeiten unter sich austauschten. Auch machte ich hiebei die Bemerkung, dass die 4 genannten Häftlinge mir nicht recht trauten, sonst würden sie entschieden freier und mehr gesprochen haben. Glaublich am Dienstag oder Mittwoch (1. oder 2. März 27) abends, nachdem wir uns niedergelegt hatten, rief mich Moser unter dem Namen Augsburger an, um scheinbar feststellen zu können, ob ich schlafe. Ich gab keine Antwort und verhielt mich ruhig, denn ich wollte erfahren, was meine Mitinsassen vorhatten. Alsdann sagte ein anderer, ich glaube nicht, dass der schläft, worauf ein dritter einwarf, der ist schon tot, sonst würde er eine Antwort geben. Hierauf ersuchte Bischhof den Helmer nun von der Mordsache in Hinterkaifeck zu erzählen. Helmer fing nun folgendes Gespräch an: Wenn es drumm und darauf ankommen würde, wäre ich der einzige der den Mörder kennt und weiss, dass er die Tat begangen hat. Bischhof erwiderte hierauf, wenn er den Mörder kenne, so solle er den Menschen doch verraten. Es sei nicht mehr als billig, wenn man den Mörder der gerechten Strafe zuführen würde, da er doch 6 Leute um das Leben brachte. Helmer antwortete, dies kann ich nicht tun, weil ich sonst selbst der Gefahr ausgesetzt bin, da ich mit dem Betreffenden schon viel zu schaffen gehabt habe. Ich kenne den Menschen schon lange und bin im vergangenen Jahre (1926) als ich in Niederbayern durchreiste, wiederholt mit ihm zusammengetroffen. Er hält sich dauernd in Niederbayern in der Gegend von Pfeffenhausen auf, findet wie seinerzeit Kneissl, bei einzelnen grossen Bauern und Einödhöfen Unterschlupf und hat in dortiger Gegend schon viel verübt. Diese Bauern leisten ihm gleichzeitig Hehlerdienste. Er geht auch auf verschiedene Namen und hat dementsprechende Ausweispapiere. Bei ihm befindet sich auch eine Frau, die ständig mit ihm reist. Er übt auch das Korbmacherhandwerk aus und erscheint dabei harmlos. Unter Verbrecherkreisen wird er mit dem Spitznamen "Blauer Heinrich" gerufen. Ende 1926 traf ich mit ihm das letztemal zusammen. Damals hatte er seine Geliebte bei sich und ich auch meine. Hiebei ist es zwischen mir und ihm zu Auseinandersetzungen gekommen. (Den Grunde nannte Helmer nicht). Als ich ihm drohte, dass es zum Bruch kommen könnte, drohte er mir mit dem Revolver und äusserte sich gleichzeitig, dass er mich auf der Stelle erschiessen werde, wenn ich nicht schweigen könne. Er weiss auch, dass ich von dem durch ihn verübten Mord weiss. Bischhof warf hier ein: Der hätte dich doch nicht erschossen. Darauf sagte Helmer weiter: "Der hätte es totsicher getan, weil es dem auf einen Mord nicht ankommt." Ich will mit diesem Menschen auch in meinem Leben nicht mehr zusammentreffen.
Helmer hat bei seiner Erzählung auch den richtigen Namen des Mörders genannt, aber in einem solchen Flüstertone, dass ich ihn nicht verstehen konnte.
Die Erzählung des Helmer haben die eingangs genannten Insassen meiner Zelle mitangehört. es ist möglich, dass Gröner, der sich seine Tat sehr zu Herzen gehen lässt und viel weint, für die Erzählung kein Interesse gezeigt hat. Ich bin der festen Überzeugung, dass Helmer tatsächlich den Mörder kennt und seine Erzählung auf Wahrheit beruhen wird. Doch glaube ich, dass er sich hievon keine Anzeige erstatten getraut, weil er wahrscheinlich mit dem Betreffenden irgend etwas verbrochen hat und fürchtet neuerlich in Strafe zu kommen. Ich bin auch der Meinung, dass die übrigen Insassen bei einer gesonderten Einvernahme den Inhalt der Erzählung wiedergeben. Doch wünsche ich, dass bei der Vernehmung mein Name nicht genannt wird.
Helmer wird am Dienstag, den 8. März 1927 nach. 1 1/2 oder 2 Uhr aus dem Amtsgerichtsgefängnis Friedberg entlassen.
Meine hier gemachten Angaben entsprechen der vollen Wahrheit und ich kann sie jederzeit unter Eid bekräftigen.
V.G.U.U. Joseph Hurtner
Es wurde festgestellt, dass Helmer Josef, Hilfsarbeiter geb. 12. 12. 1897 in Bernbeuren A.G. Schongau und dessen Geliebte Maria Pfaffelhuber, geb. 21. 12. 1896 in Kempten, diejenige Personen sind, welche über den Mord in Hinterkaifek, Aufschluss geben können.
Im Benehmen mit dem Amtsgerichtsgefängnis Friedberg wurden am 10. 3. 27 die von Hurtner erwähnten Zellengenossen des Helmer im Amtsgerichtsgefängnis Friedberg einvernommen. Die Angaben des Schreiners Karl Moser, geb. 25. 9. 83 in Karlsruhe und Bischof Josef, geb. 2. 3. 1899 in Augsburg, decken sich mit denen des Hurtner. Der noch weiters angeführte Gröner wurde nicht vernommen, weil er nach Aussagen der übrigen Zeugen das Gespräch nicht mit angehört haben soll.
Helmer Josef und seine Geliebte Pfaffelhuber wurden am 10. 3. 27 nachmittags 2 Uhr 15 Minuten aus dem Amtsgerichtsgefängnis Friedberg entlassen. Beide wurden zur Einvernahme mittels Autos zur Krim. Pol. nach Augsburg verbracht.
Helmer Josef hat angegeben:
"Ich war zuletzt bis November 1926 in Kempten im Kohlenkontor als Hilfsarbeiter beschäftigt. Sodann begab ich mich mit meiner Geliebten Pfaffelhuber auf Wanderschaft. Wir kamen auch in die Gegend von Schrobenhausen, Rottenburg und Mallersdorf. Durch die umherziehenden Händler und Wanderburschen erfuhren wir, dass sich in dieser Gegend der Mörder von Hinterkaifek herumtreibe. Man heisse diesen den eisernen Heini. Im Januar 27 gingen wir auf der Landstrasse zwischen Mengofen und Dingolfing. Wir sahen im Walde ein Feuer auf das wir zugingen. Bei dem Feuer lag ein Mann der sich auf meinen Gruss hin nicht rührte und tat als könne er nicht Deutsch. Ein weiterer Bursche beschäftigte sich im Walde mit Holzsammeln. Ich dachte mir, dass dies der eiserne Heini sein könnte, denn es passte der Beschrieb, der uns gesagt wurde auf ihn. Zwei Tage später wurden wir durch die Gendarmerie Mallersdorf kontrolliert. Wir teilten den Beamten das Geschehene mit. Diese sagten, dass es der gesuchte Josef Bärtl sei. Beide Herrn legten Zivilkleider an und mussten wir ihnen die Stelle zeigen, wo wir den Mann beim Feuer liegen sahen. Gesehen haben wir den Mann und seinen Komplizen nicht mehr. in meiner Zelle wurde verschiedenens gesprochen, unter anderem auch über den Mord in Hinterkaifeck. Ich erzählte meinen Zellengenossen, dass ich den Mörder kenne und diesen in der Gegend von Mallersdorf auf meiner Wanderschaft gesehen habe. Weitere Angaben kann ich nicht machen." Eine telefonische Anfrage bei der Gend. Stat. Mallersdorf ergab, dass die Angaben des Helmer richtig sind. Der Bäckergehilfe Josef Bärtle, von Geisenfeld wird wegen des Raubmords in Hinterkaifeck steckbrieflich verfolgt. Er treibt sich unter dem Namen "Eidenhammer" in der besagten Gegend umher und ist in Landfahrerkreisen unter dem Namen "Eiserner Heinrich" bekannt. Der durch Helmer und Pfaffelhuber im Walde betroffene Mann soll mit dem Gesuchten personengleich sein. Die Angaben der Pfaffelhuber decken sich ebenfalls mit denen des Helmer. Bärtl ist im Bayr. Pol. Bl. Nummer 172/26 Ziffer 10320 zur Festnahme ausgeschrieben.
Jaser
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