Aussagen: 1931-04-26 Maier Sebastian
Quelle
Staatsarchiv München
Detailinformationen
Datum
26.04.1931
Ort
Zugegen
Inhalt
Gend. Station Hohenwart, Hohenwart, den 26. April 1931
Ich bin am 13.3.30 mit meiner Familie von Nandlstadt aus, wo ich längere Zeit wohnte, nach Wangen, B.A. Schrobenhausen verzogen und bewohne hier ein kleines Häuschen. Ich bin im Sägewerk des Mühlenbesitzers Georg Frank in Wangen unständig als Säger beschäftigt. Seit meinem Aufenthalt in Wangen, habe ich mich mit meiner Ehefrau Rosa für die Klärung des Raubmordes in Hinterkaifeck befaßt und bin nun nach meiner Überzeugung zu der bestimmten Anschauung gekommen, daß als Täter dieses Raubmordes nur der ohnehin schon viel verdächtigte Landwirt Lorenz Schlittenbauer in Gröbern, Gde. Wangen, in Frage kommen kann. Von meinem Nachbarn, dem verh. Landwirt Georg Greger in Wangen, der um die Mordzeit Bürgermeister der Gde. Wangen war, habe ich erfahren, daß dieser nach Bekanntwerden des Mordes, mit Schlittenbauer, als erster zum Tatort kam. Schlittenbauer hat sich dabei sehr wichtig gemacht, sofort das Scheunentor geöffnet und dabei gesagt,“gebt obacht, daß keiner darüber fällt, wenn vielleicht gar alle erschlagen wären“. Schlittenbauer hat als erster die Scheune, in welcher die Leichen der Eheleute Gruber und deren Tochter Viktoria Gabriel lagen, betreten und dabei gesagt,“da reckt der Alte schon die Hacksen (Füße) raus“. Zugleich hat Schlittenbauer mit den Händen einen Fuß des alten Gruber gepackt, etwas hervorgezogen und gesagt,“da liegen ja allesamt drinnen, da muß ich schon gleich schauen, ob mein Bub auch erschlagen ist“. In demselben Augenblick sprang Schlittenbauer über die Leichen hinweg in den Stall, wo er noch schnell Heu in den Viehbarren warf und rannte dann weiter in das Haus, aus welchem er schnell wieder zurück kam und unter Jammern erzählte, daß auch sein Bub erschlagen ist. Als dann später die Mordkommission aus Neuburg kam und auch Greger befragt wurde, ob dieser den Schlittenbauer für die Ausführung des Mordes fähig halte, hat Greger diese Frage verneint. Greger hat mir gesagt, daß er sich diese Frage nicht bejahend beantworten habe getraut, weil er den Schlittenbauer fürchte. Heute dagegen ist Greger anderer Ansicht und hält den Schlittenbauer dieses Mordes für fähig. Vorstehendes hat mir Greger in meiner Wohnstube, wo sich auch meine Ehefrau befand, erzählt. Von dem Gütler und nunmehrigen Gemeindediener Michael Plöckl in Wangen habe ich erfahren, daß derselbe um die Zeit des Mordes tagtäglich am Morgen und am Abend, als dieser von und zur Arbeitsstelle ging, stets am Anwesen des Hinterkaifeckers vorbeigegangen ist. Eines Abends gegen 9:00 Uhr, als Plöckl wieder von der Arbeit heimging, ist dieser in der Nähe von Hinterkaifeck von einer Mannsperson, die aus einem Acker heraus auf ihn zukam, mit einer Taschenlaterne angeleuchtet worden. Diese Mannsperson, die er nicht genau kannte, ist dann ohne etwas zu sagen wieder in den Acker zurückgesprungen. Wie Plöckl zu mir sagte, paßt die Gestalt dieser Mannsperson auf Schlittenbauer. Bei seinem Weitergang hat Plöckl die Wahrnehmung gemacht, daß im Backofen des Hinterkaifeckers, ein Feuer sein mußte, weil er Rauch aufsteigen sah. Dieser Rauch hatte einen widerlichen Geruch und zwar so, als wenn alte Lumpen verbrannt würden. Plöckl hat mir weiters erzählt, daß an diesem Abend, bzw. in dieser Nacht, die Bewohner von Kaifeck umgebracht wurden, wenigstens wurde diese Nacht von der Mordkommission als Mordnacht bezeichnet. Ich bin überzeugt, daß Schlittenbauer an diesem Abend im Backofen seine blutbefleckten Kleider verbrannte. Der verh. Gütler Johann Schaupp in Wangen hat mir erzählt, daß dieser an einem Abend um die Zeit des Mordes einmal nach Edelshausen gegangen ist, um dort vom Bahnhof seine Ehefrau abzuholen. Sein weg führte ihn in der Nähe des Hinterkaifeckers vorbei. Es war gegen 9:00 Uhr und schon dunkel, als eine Mannsperson aus dem Felde heraus auf ihn zukam. Diese Mannsperson hat aber, bevor er sie erkennen konnte, wieder kehrt gemacht. Schaupp hat diese Mannsperson für Schlittenbauer gehalten. Auf dem Heimweg haben die Eheleute Schaupp, als diese in die Nähe des Hinterkaifeckers kamen, aus diesem Hause einen Lärm vernommen, als ob ein Streit wäre. Schaupp versicherte mir, daß dieses die Mordnacht war. Weiters erfuhr ich, daß eine Tochter des Schlittenbauer, die vor einigen Jahren in eine Bäckerei eingeheiratet hat, gelegentlich eines Familienstreites nach diesem Morde, zu ihrem Vater gesagt habe, „Vater hin, Vater her, jetzt verschone ich Dich nicht mehr“. Auf dieses hin habe Schlittenbauer seine Tochter als geisteskrank bezeichnet. Später habe dann Schlittenbauer seine Tochter nach Schrobenhausen heiraten lassen und hat dieser sehr viel Geld als Heiratsgut mitgegeben. Meine Ehefrau Rosa Maier kam im vergangenen Jahr einmal nach Koppenbach, wo auch eine Tochter des Schlittenbauer verheiratet ist. Als meine Frau in das Haus dieser Tochter kam und dort nach Arbeit in reparaturbedürftiges Blechgeschirr nachfragte, hat die Tochter meine Frau etwas warten gelassen, sie wollte unterdessen nachschauen. Meine Frau sagte dann,“ich bete unterdessen ein Vaterunser für die armen Seelen von Hinterkaifeck“, was sie dann auch tat. Sofort fing die Tochter an zu weinen, rannte von einer Türe zur anderen und wußte zum Schluß nicht mehr was sie wollte. Meine Frau hat absichtlich in diesem Hause ein Vaterunser gebetet, um zu sehen, was die Tochter dazu macht. Durch das Benehmen dieser Tochter ist sowohl meine Frau als auch ich überzeugt, daß sie von der Mordtat, im Zusammenhang mit ihrem Vater, etwas weiß. An einem mir nicht mehr erinnerlichen Tag im verg. Jahr bin ich von Schrobenhausen herkommend, in der Heinzinger`schen Gastwirtschaft in Waidhofen eingekehrt. Ich setzte mich am Ofentisch nieder und kam gerade gegenüber dem Schlittenbauer, der mit weiteren 3 Gästen Schafkopf spielte. Absichtlich ließ ich den Schlittenbauer nicht aus den Augen, d.h. ich sah ihm ununterbrochen in die Augen. Nach ca. 1/2 Stunde warf Schlittenbauer die Spielkarten auf den Tisch, mit der Bemerkung, er wolle nicht mehr spielen. Zugleich stand Schlittenbauer auf, bezahlte an der Türe seine Zeche und verschwand. Durch dieses plötzliche Verschwinden und weil Schlittenbauer meinen Blick nicht aushalten konnte, verstärkt sich mein Verdacht gegen Schlittenbauer noch mehr. Im August vorigen Jahres bin ich beim Eintritt der Dämmerung vor dem Grabdenkmal in Hinterkaifeck gestanden und habe gerade vor die Namen der Ermordeten abgelesen, als 2 Mannspersonen vom Walde her gegen mich kamen. Ich beschäftigte mich noch mit der Gedenktafel und als ich glaubte, die beiden Männer könnten nun bald in Kennweite herangekommen sein, waren dieselben spurlos verschwunden. Ich suchte nach ihnen, warf dabei sogar einige Kornmandl um, die um diese Zeit auf dem Felde standen, fand aber nichts mehr. Dagegen sah ich vom Waldrande her zwei Lichter, wie Autoscheinwerfer. Ich ging auf diese Lichter zu, kam aber nur wenige Meter, als dann die Lichter auch spurlos verschwunden waren. Ich hab auch keinen Motor gehört, weshalb ich erst recht stutzig geworden bin. Was dieses mit den Lichtern war und was es mit diesen beiden Männern für eine Bewandtnis hatte, konnte ich nicht begreifen. Auch im heur. Jahr war ich um die 9. Jahreswende dieser Mordtat zweimal des Nachts an der Mordstelle, ich glaubte nämlich, daß der Täter an die Mordstelle kommt. Ich konnte aber leider nichts wahrnehmen. Da Schlittenbauer in den letzten Jahren 2 Töchter ausgeheiratet hat, von welchen jede ziemlich viel Geld als Heiratsgut mitbekommen hat, und z. Zt. Ein neues Anwesen baut für seinen Sohn, glaube ich sicher, daß Schlittenbauer die Mittel hierzu von einer anderen Seite her hat. Ich habe dabei im Auge, daß Schlittenbauer bei den Ermordeten das Goldgeld geraubt hat. Als weiteres Motiv der Tat ist, daß Schlittenbauer meines Wissens für ein außereheliches Kind der Viktoria Gabriel, deren Erzeuger Schlittenbauer war, zu sorgen hatte. Um sich dieser Sorge zu entledigen, hat Schlittenbauer die ganze Familie umgebracht. Vor ca. 3 Jahren wurde in der Gastwirtschaft des Engelbert Bauch in Karlshud von verschiedenen Gästen dem Schlittenbauer, der als Gast anwesend war, direkt auf den Kopf zugesagt, daß er der Mörder von Hinterkaifeck ist. Schlittenbauer hat dies weder bejaht, noch verneint. Der Gastwirt Bauch wird sich heute noch an diesen Vorfall erinnern können. Schlittenbauer hat damals keinen dieser Gäste wegen Beleidigung verklagt, obwohl einige darunter waren, die ein Vermögen hatten. Ich bin überzeugt, daß Schlittenbauer zusammenbricht und ein Geständnis ablegt, wenn dieser plötzlich verhaftet wird, wobei demselben der Mord ohne Zögern auf den Kopf bestimmt zugesagt werden müßte. Ich bin auch ferner überzeugt, daß der des Mordes verdächtige Bärtl aus Geisenfeld, gen.“Eiserner Heini“, nicht als Täter in Frage kommt; ich kannte denselben in seiner Jugend sehr gut, weil ich auch in der Nähe seiner Heimat aufgewachsen bin. Ob ich den Bärtl heute noch kennen würde, bezweifle ich, zumal ich den selben seit fast 10 Jahren nicht mehr gesehen habe. Wie ich vor längerer Zeit dem Herrn Oberstaatsanwalt bereits gesagt habe, sollten die notwendigen Erhebungen nicht von der örtlichen Gendarmerie, sondern von einem Kriminalbeamten gepflogen werden, weil ich der Meinung bin, die einzelnen Leute gehen mehr aus sich heraus, wenn der Beamte fremd ist“. Geprüft:
Wahrscheinlich werden schon verschiedene Angaben des Maier, die hier niedergelegt sind, im Mordakt enthalten sein. Einvernahmen von hier angeführten Personen wurden vorerst von mir nicht bestätigt und wird die weitere Anordnung dem Herrn Oberstaatsanwalt überlassen.
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Verbindung zum Mordfall Hinterkaifeck
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