Stefan Jörg berichtet über die Bluttat von Hinterkaifeck
Schluß
Die Kriminalpolizisten stellen fest, daß auch der jüngere Bruder, der heute als Rentner in Ingolstadt lebt, als junger Bursche einmal auf einem Hof im Landkreis Schrobenhausen gedient hatte, also die Gegend kennen mußte.
Als der Staatsanwalt zugreift, der Rentner in Untersuchungshaft genommen wird, leugnet er zunächst ab, irgend etwas von den Vorgängen in und um Hinterkaifeck zu wissen.
Aber in den stundenlangen Verhören verstrickt er sich in Widersprüche. Schließlich kann ihm bewiesen werden, daß er, entgegen seinen anfänglichen Behauptungen, die Gegend um Schrobenhausen, Brunnen, Gröbern, Waidhofen kennt. Der Staatsanwalt läßt ihn einen beliebigen Bauernhof beschreiben. Der Mann merkt erst nach Minuten, daß er, ungewollt, haarklein den Hof von Hinterkaifeck schildert und schwenkt jäh um. Und endlich belastet der Verhaftete sich selbst schwer durch Aussagen, die er einem Mitgefangenen gegenüber macht.
Aber die Justiz ist machtlos. Nachdem der Mann Haftbeschwerde einlegt und nicht nachgewiesen werden kann, daß in den Jahren nach der Mordtat schon jemals irgendeine richterliche Untersuchungsverhandlung gegen ihn eingeleitet worden war, wird er auf freien Fuß gesetzt. Denn nach Paragraph 67 des Strafgesetzbuches verjährt eine Straftat bei Verbrechen, die mit dem Tode oder mit lebenslänglichem Zuchthaus bedroht sind, nach 20 Jahren. Diese Verjährung wird jedoch unterbrochen durch jede richterliche Handlung, die wegen der begangenen Straftat gegen den Täter gerichtet ist. (Zum Beispiel: Erlaß eines Haftbefehls durch den Richter.) Dann beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen. Das bedeutet folgendes: Wäre der Ingolstädter Rentner nachweislich unter den schon vor Jahren verdächtigen Personen gewesen und hätte er sich jemals früher schon einmal in diesem Zusammenhang in Halft befunden, so könnte er heute noch unter Umständen auf Grund der unterbrochenen Verjährung vor Gericht gestellt, und, falls sich seine Schuld nachweisen läßt, verurteilt und bestraft werden.
Im Mai 1952 wird der Rentner aus Ingolstadt wieder aus dem
Untersuchungsgefängnis nach Hause geschickt. Aber es sieht so aus, als
soll er seit diesem Tag keine Ruhe mehr haben. Man tuschelt und
wispert in Ingolstadt, es gibt Leute, die machen einen großen Bogen um
ihn. Irgendwie ist das Gerücht durchgesickert, daß dieser65jährige Mann etwas mit dem Mord in Hinterkaifeck zu tun hat.
In der Ingolstädter Zeitung „Donau-Kurier" steht auf Seite vier eine
Anzeige.
Sie hat folgenden Wortlaut:
WARNUNG
Im Zusammenhang mit der Mordtat von Hinterkaifeck und den diesbezüglichen Presseberichten wurde in Ingolstadt und auswärts mein
Name genannt. Ich werde jeden gerichtlich belangen, der mich mit der genannten Tat mündlich oder schriftlich in irgendeine Verbindung
bringt. Ich bin mir keinerlei Schuld bewußt und werde versuchen, auf dem Prozeßwege meine Unschuld zu beweisen.
Anton Gump, Ingolstadt
Griesmühlstr. 5
Wann der Akt „Hinterkaifeck" endgültig geschlossen wird, ist bis heute noch nicht bekannt.
Ende
|