Zeitungsartikel: 1953-05-06 Weltbild: Unterschied zwischen den Versionen
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"Wie konnten Sie so was zulassen? Wissen Sie nicht, was das in den Augen der Leser bedeutet? Sie haben sich selbst gleichsam des Mordes bezichtigt." | "Wie konnten Sie so was zulassen? Wissen Sie nicht, was das in den Augen der Leser bedeutet? Sie haben sich selbst gleichsam des Mordes bezichtigt." | ||
Die Frau tritt neben ihren | Die Frau tritt neben ihren Mann. Ihr Gesicht ist vom Weinen gerötet! "Mein Toni ist kein Mörder!" Sie klammert sich an ihn. Er greift sich mit der Hand an die Brust. Hilflos und schmerzlich ist sein Blick auf uns gerichtet.<br> | ||
"Ich bin unschuldig", sagt er in einem Ton der so wahr und echt klingt, daß es uns erschüttert. "Ich habe überhaupt nichts mit der ganzen Sache zu tun."<br> | "Ich bin unschuldig", sagt er in einem Ton der so wahr und echt klingt, daß es uns erschüttert. "Ich habe überhaupt nichts mit der ganzen Sache zu tun."<br> | ||
"Wir sind jetzt dreiunddreißig Jahre verheiratet", sagt Frau Gump. "Damals ist er in die 'Deutschen Werke eingetreten und hat fünfundzwanzig Jahre dort gearbeitet. Immer im Akkord. Er kam abends müde nach Hause und hat sich gleich hingelegt. Der hatte keine Zeit, um Leute umzubringen. Und damals sind wir jung verheiratet gewesen. Ich war krank. Ich bin sehr viel krank gewesen. Ich kann mir keinen besseren Mann als Toni vorstellen. So geduldig hat er mich gepflegt. Glaube Sie, eine Frau hätte das nicht in dreiunddreißig ihrer Ehe herausbekommen, ob ihr Mann ein Mörder ist oder nicht?" | "Wir sind jetzt dreiunddreißig Jahre verheiratet", sagt Frau Gump. "Damals ist er in die 'Deutschen Werke eingetreten und hat fünfundzwanzig Jahre dort gearbeitet. Immer im Akkord. Er kam abends müde nach Hause und hat sich gleich hingelegt. Der hatte keine Zeit, um Leute umzubringen. Und damals sind wir jung verheiratet gewesen. Ich war krank. Ich bin sehr viel krank gewesen. Ich kann mir keinen besseren Mann als Toni vorstellen. So geduldig hat er mich gepflegt. Glaube Sie, eine Frau hätte das nicht in dreiunddreißig ihrer Ehe herausbekommen, ob ihr Mann ein Mörder ist oder nicht?" | ||
'''''Im Kreuzverhör''''' | '''''Im Kreuzverhör'''''<br> | ||
"Ich war im vergangenen Mai drei Wochen in Untersuchungshaft", sagt Gump. Der Untersuchungsrichter hat mir gesagt, ich solle ruhig gestehen, es wäre ja schon verjährt ... Aber ich konnte ja nicht gestehen, wenn ich nichts wusste!" Dann setzt er leise hinzu: "Ich habe ihm gesagt: 'So etwas kann nicht verjähren. So ein scheußlicher Mord muss aufgeklärt werden. Der darf nicht verjähren.' Aber das hat er auch wieder sehr verdächtig gefunden."<br> | "Ich war im vergangenen Mai drei Wochen in Untersuchungshaft", sagt Gump. Der Untersuchungsrichter hat mir gesagt, ich solle ruhig gestehen, es wäre ja schon verjährt ... Aber ich konnte ja nicht gestehen, wenn ich nichts wusste!" Dann setzt er leise hinzu: "Ich habe ihm gesagt: 'So etwas kann nicht verjähren. So ein scheußlicher Mord muss aufgeklärt werden. Der darf nicht verjähren.' Aber das hat er auch wieder sehr verdächtig gefunden."<br> | ||
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Was hat diesen Mann in diesen furchtbaren Verdacht gebracht? Die Aussage seiner Schwester, einer Frau, die auf dem Totenbett gestanden haben soll, ihre beiden Brüder seien die Mörder von Hinterkaifeck. Eine Frau, die auf dem Totenbett liegt, spricht die 'Wahrheit, scheint ein unumstößlicher Satz zu sein. Aber die Kriminalgeschichte kennt mehr als einen Fall, in dem Sterbende bewußt gelogen haben, um einen satanischen Haß auch nach ihrem Tode noch walten zu lassen. Was ist diese Creszentia Meier, die ihre Brüder des Mordes bezichtigt hat, für eine Frau gewesen! | Was hat diesen Mann in diesen furchtbaren Verdacht gebracht? Die Aussage seiner Schwester, einer Frau, die auf dem Totenbett gestanden haben soll, ihre beiden Brüder seien die Mörder von Hinterkaifeck. Eine Frau, die auf dem Totenbett liegt, spricht die 'Wahrheit, scheint ein unumstößlicher Satz zu sein. Aber die Kriminalgeschichte kennt mehr als einen Fall, in dem Sterbende bewußt gelogen haben, um einen satanischen Haß auch nach ihrem Tode noch walten zu lassen. Was ist diese Creszentia Meier, die ihre Brüder des Mordes bezichtigt hat, für eine Frau gewesen! | ||
"Ich hab' sie 1919 zum erstenmal gesehen, bevor wir geheiratet haben", erzählt die Ehefrau. "Der Toni hat mich als seine Braut vorgestellt, und sie hat wütend zu ihm gesagt: 'Ich kenne dich nicht,' " | "Ich hab' sie 1919 zum erstenmal gesehen, bevor wir geheiratet haben", erzählt die Ehefrau. "Der Toni hat mich als seine Braut vorgestellt, und sie hat wütend zu ihm gesagt:'Ich kenne dich nicht,' " | ||
Am anderen Tag sind wir mit dem alten Mann unterwegs. Wir sind etwas vorsichtig. Immerhin glaubt die Staatsanwaltschaft doch anscheinend immer noch, daß er ein Mörder ist. Vielleicht ist doch etwas dran? Wir setzen Gump vorne neben den Fahrersitz. Der | Am anderen Tag sind wir mit dem alten Mann unterwegs. Wir sind etwas vorsichtig. Immerhin glaubt die Staatsanwaltschaft doch anscheinend immer noch, daß er ein Mörder ist. Vielleicht ist doch etwas dran? Wir setzen Gump vorne neben den Fahrersitz. Der Sicherheit halber... | ||
Bei dem Bauern Thoma in Schönbichl sind wir zuerst. Dort hat der andere Bruder gewohnt, Adolf Gump, von dem es heißt, daß er von erbitterten Kriegsgefangenen, die er brutal gequält haben soll, erschlagen wurde. Aber hier ist nur was von einem Fahrradunfall bekannt. Man stellt ihm das beste Zeugnis aus. Er sei ein großer "Militarist" gewesen, aber sonst eine "Seele von Mensch". Die Witwe legt uns später den Totenschein ihres Mannes vor. Es wird darauf bestätigt, daß Gump eines natürlichen Todes gestorben ist. Dieses Dokument befindet sich anscheinend nicht in den Akten des Staatsanwalts. | Bei dem Bauern Thoma in Schönbichl sind wir zuerst. Dort hat der andere Bruder gewohnt, Adolf Gump, von dem es heißt, daß er von erbitterten Kriegsgefangenen, die er brutal gequält haben soll, erschlagen wurde. Aber hier ist nur was von einem Fahrradunfall bekannt. Man stellt ihm das beste Zeugnis aus. Er sei ein großer "Militarist" gewesen, aber sonst eine "Seele von Mensch". Die Witwe legt uns später den Totenschein ihres Mannes vor. Es wird darauf bestätigt, daß Gump eines natürlichen Todes gestorben ist. Dieses Dokument befindet sich anscheinend nicht in den Akten des Staatsanwalts. | ||
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Zuletzt besuchen wir noch jenes Cafè in Augsburg, wo Centa Meier einmal Hausmeisterin war. Die Besitzerin erinnert sich bald. "Herrgott, das war doch die, die so unglaublich schmutzig war. Gestohlen hat sie, Und sonst war es auch nicht richtig bei ihr. Ja, die haben wir sehr schnell wieder entlassen ... Ja, die ... wenn es die ist, die Sie meinen, dann kann ich Ihnen nur sagen, daß bei ihrer angeborenen teuflisch Art alles Lug und Trug war, was sie gebeichtet hat." | Zuletzt besuchen wir noch jenes Cafè in Augsburg, wo Centa Meier einmal Hausmeisterin war. Die Besitzerin erinnert sich bald. "Herrgott, das war doch die, die so unglaublich schmutzig war. Gestohlen hat sie, Und sonst war es auch nicht richtig bei ihr. Ja, die haben wir sehr schnell wieder entlassen ... Ja, die ... wenn es die ist, die Sie meinen, dann kann ich Ihnen nur sagen, daß bei ihrer angeborenen teuflisch Art alles Lug und Trug war, was sie gebeichtet hat." | ||
Wir | Wir erinnern uns, was ihr Beichtvater, Kaplan Hauber, einigen Jugendlichen über Frau Meier erzählt hat: "Diese Frau hat nur erklärt, daß ihre Brüder in Augsburg leben." Aber weder Adolf noch Anton Gump haben jemals in Augsburg gewohnt... | ||
Anton Gump ist zur Zeit der Tat Fabrikarbeiter gewesen. Adolf Gump, der ältere, war Korbmacher. Er zog mit einem Schubkarren voller Körbe, Bettzeug und ähnlichem Hausrat mit seinem Vater zusammen auf dem Lande umher, von Dorf zu Dorf, wegen seiner Armut und seines Berufes bei den begüterten Bauern nicht eben angesehen.<br> | Anton Gump ist zur Zeit der Tat Fabrikarbeiter gewesen. Adolf Gump, der ältere, war Korbmacher. Er zog mit einem Schubkarren voller Körbe, Bettzeug und ähnlichem Hausrat mit seinem Vater zusammen auf dem Lande umher, von Dorf zu Dorf, wegen seiner Armut und seines Berufes bei den begüterten Bauern nicht eben angesehen.<br> | ||
bettelarm war Adolf, arm war sein Bruder. Aber der Hof in Hinterkaifeck war voller Geld. Gold und Silber fand man in einem Schrank, denn die Mörder nicht einmal aufgemacht hatten, obwohl sie noch drei Tage nach der Tat im Hause gewesen sein müssen. Nicht einmal das Papiergeld, das der alte Bauer in einer Tasche unter seinem Kopfkissen verbarg, haben die Mörder genommen. Welches Unmaß von Haß muß die Mörder getrieben haben, wenn in der damaligen Zeit der beginnenden Inflation sogar Gold und Silber für sie gleichgültig waren. Und man fragt sich: Hätten so arme Leute wie die Gumps, drei Tage mit diesen Schätzen eingesperrt, der Verlockung widerstanden?<br> | |||
Wir haben weiter gesucht. Wir dachten an Eifersucht. Aber war es denkbar, daß einer aus Eifersucht eine ganze Familie ausrottet und daß ihm dabei der unbeteiligte Bruder hilft? Wir haben geforscht und haben einen Zeugen gefunden, der die Grubers gut gekannt hat. Was dieser Mann aussagt, deutet auf Rache, aber weit weg von den Brüdern Gump. Der Staatsanwalt ist eine Spur zu Ende gegangen. Er muß umkehren und weitere Spuren verfolgen, vielleicht lassen sie sich noch einmal auffrischen, vielleicht ergeben sich zwischen ihnen Zusammenhänge. Der Name Hinterkaifeck bleibt auch nach dreißig Jahren in rätselhaftes Dunkel gehüllt.<br> | Wir haben weiter gesucht. Wir dachten an Eifersucht. Aber war es denkbar, daß einer aus Eifersucht eine ganze Familie ausrottet und daß ihm dabei der unbeteiligte Bruder hilft? Wir haben geforscht und haben einen Zeugen gefunden, der die Grubers gut gekannt hat. Was dieser Mann aussagt, deutet auf Rache, aber weit weg von den Brüdern Gump. Der Staatsanwalt ist eine Spur zu Ende gegangen. Er muß umkehren und weitere Spuren verfolgen, vielleicht lassen sie sich noch einmal auffrischen, vielleicht ergeben sich zwischen ihnen Zusammenhänge. Der Name Hinterkaifeck bleibt auch nach dreißig Jahren in rätselhaftes Dunkel gehüllt.<br> | ||
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