Der Inzest betrachtet im historischen Kontext: Unterschied zwischen den Versionen

Zeile 44: Zeile 44:
Die Berliner Morgenpost berichtete am 02.05.2008  zum Inzest-Drama von Amstetten sehr treffend:<br>
Die Berliner Morgenpost berichtete am 02.05.2008  zum Inzest-Drama von Amstetten sehr treffend:<br>


''Dem Stumpfsinn entspricht die moralische Verödung. Geschieht nebenan eine Untat oder ein Unglück, zuckt der Beobachter die Schultern. Man habe nichts tun können, lautet später seine Ausrede: weil man ja nichts gewusst habe. In Wahrheit verhält es sich umgekehrt. Man hat nicht zu viel wissen wollen, weil man nichts tun wollte; aber man hat stets so viel gewusst, dass man wusste, was man so genau nicht wissen wollte, aus Bequemlichkeit, Ängstlichkeit und Feigheit. Man lernte mit dem Panzer zu leben. Auch wenn man heute einen Vorfall schrecklich findet, in Wahrheit berührt es einen kaum.<br>
''Dem Stumpfsinn entspricht die moralische Verödung. Geschieht nebenan eine Untat oder ein Unglück, zuckt der Beobachter die Schultern. Man habe nichts tun können, lautet später seine Ausrede: weil man ja nichts gewusst habe. In Wahrheit verhält es sich umgekehrt. Man hat nicht zu viel wissen wollen, weil man nichts tun wollte; aber man hat stets so viel gewusst, dass man wusste, was man so genau nicht wissen wollte, aus Bequemlichkeit, Ängstlichkeit und Feigheit. Man lernte mit dem Panzer zu leben. Auch wenn man heute einen Vorfall schrecklich findet, in Wahrheit berührt es einen kaum.<br>
''Zur praktischen Erkenntnis von Gut und Böse muss der menschliche Wille empfänglich sein für die Nötigung des Gesetzes. Das moralische Sensorium liefert zwar kein Richtmaß für sittliche Urteile, aber es ist unabdingbar für das Bewusstsein der Tugend und Wahrheit. Ohne moralisches Gefühl ist der Mensch sittlich und geistig tot. Laute Empörung übertüncht nur den Mangel an moralischer Empfindung und Urteilskraft. Im allgemeinen haben Zuschauer wenig Skrupel und Zweifel. Von Scham oder Schuld sind sie weitgehend verschont. Es geht sie nichts an, was nebenan passiert. Ihre Moral erstreckt sich zuletzt bis zum Gartenzaun. Entgegen aller Appelle gilt der alte Befund: Die Grenzen der Moral sind die Grenzen der eigenen Gruppe. Auch im Haus des Verbrechens galt eine spezielle Moral: die des Gehorsams, der Loyalität, der Angst, der Strafe.''
''Zur praktischen Erkenntnis von Gut und Böse muss der menschliche Wille empfänglich sein für die Nötigung des Gesetzes. Das moralische Sensorium liefert zwar kein Richtmaß für sittliche Urteile, aber es ist unabdingbar für das Bewusstsein der Tugend und Wahrheit. Ohne moralisches Gefühl ist der Mensch sittlich und geistig tot. Laute Empörung übertüncht nur den Mangel an moralischer Empfindung und Urteilskraft. Im allgemeinen haben Zuschauer wenig Skrupel und Zweifel. Von Scham oder Schuld sind sie weitgehend verschont. Es geht sie nichts an, was nebenan passiert. Ihre Moral erstreckt sich zuletzt bis zum Gartenzaun. Entgegen aller Appelle gilt der alte Befund: Die Grenzen der Moral sind die Grenzen der eigenen Gruppe. Auch im Haus des Verbrechens galt eine spezielle Moral: die des Gehorsams, der Loyalität, der Angst, der Strafe.''
''
''
<br>
<br>
Editoren, Bürokraten
3.397

Bearbeitungen