Zeitungsartikel: 1951-11-16 Schwäbische Landeszeitung: Unterschied zwischen den Versionen

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Mein Großvater, dem ich die Sache erzählte, verbot mir bei Lebzeiten über diese Beobachtung zu sprechen. Auf unsere Zwischenfrage:“ Wer könnte denn der Russe gewesen sein, der sie entlassen hat? Sie haben doch auch den Schwiegersohn Gabriel, den jungen Hinterkaifecker gekannt, der auf den Hof geheiratet hatte.“ Da meinte Eser bedächtig:“ Ja ich kann mich erinnern an den Gabriel. Wenn ich das Alter dazu rechne und mir das Gesicht da unter der russischen Schirmmütze nochmals vorstelle, möchte ich sagen, dass er es gewesen sein kann.“ –„ Aber der ist doch im ersten Krieg gefallen, das steht doch fest.“ Und der alte Landser, der den Krieg kennt, lächelte: „Es sind schon viele amtlich gefallen, die nachher wiedergekommen sind.“  
Mein Großvater, dem ich die Sache erzählte, verbot mir bei Lebzeiten über diese Beobachtung zu sprechen. Auf unsere Zwischenfrage:“ Wer könnte denn der Russe gewesen sein, der sie entlassen hat? Sie haben doch auch den Schwiegersohn Gabriel, den jungen Hinterkaifecker gekannt, der auf den Hof geheiratet hatte.“ Da meinte Eser bedächtig:“ Ja ich kann mich erinnern an den Gabriel. Wenn ich das Alter dazu rechne und mir das Gesicht da unter der russischen Schirmmütze nochmals vorstelle, möchte ich sagen, dass er es gewesen sein kann.“ –„ Aber der ist doch im ersten Krieg gefallen, das steht doch fest.“ Und der alte Landser, der den Krieg kennt, lächelte: „Es sind schon viele amtlich gefallen, die nachher wiedergekommen sind.“  
Es laufen also Spuren nach Russland. Nicht nur durch Esers neue Aussage sind diese Vermutungen bestärkt worden. Auch aus einer anderen Schilderung, die unabhängig und zeitlich verschieden von Esers Angaben von einem ehemaligen Hauptmann der Wehrmacht angegeben sein soll, geht hervor, dass Täterspuren von Hinterkaifeck aus nach dem Osten führen. Und noch ein anderer Hinweis: Etwa 1924 brach ein mehrfach vorbestrafter Landwirt aus der Gegend um Waidhofen aus einem Gefängnis aus, in dem er eine kleine Strafe für einen Diebstahl verbüßte. Er hatte im Gefängnis durch einen Brief seiner Frau erfahren, dass er im Verlaufe der Ermittlungen mit den Verdachtsbereich der Hinterkaifecker Mordtat einbezogen worden war. Der Mann ist nach seinem Ausbruch nirgends mehr aufgetaucht. Seiner politischen Einstellung nach liegt der Schluss nahe, dass er sich nach Osten wandte.  
Es laufen also Spuren nach Russland. Nicht nur durch Esers neue Aussage sind diese Vermutungen bestärkt worden. Auch aus einer anderen Schilderung, die unabhängig und zeitlich verschieden von Esers Angaben von einem ehemaligen Hauptmann der Wehrmacht angegeben sein soll, geht hervor, dass Täterspuren von Hinterkaifeck aus nach dem Osten führen. Und noch ein anderer Hinweis: Etwa 1924 brach ein mehrfach vorbestrafter Landwirt aus der Gegend um Waidhofen aus einem Gefängnis aus, in dem er eine kleine Strafe für einen Diebstahl verbüßte. Er hatte im Gefängnis durch einen Brief seiner Frau erfahren, dass er im Verlaufe der Ermittlungen mit den Verdachtsbereich der Hinterkaifecker Mordtat einbezogen worden war. Der Mann ist nach seinem Ausbruch nirgends mehr aufgetaucht. Seiner politischen Einstellung nach liegt der Schluss nahe, dass er sich nach Osten wandte.  
Es gäbe noch den Schatten einer dritten Spur. Ein bereits verstorbener [[Personen: Haas Michael|Pfarrer]] soll einmal erzählt haben, daß ihm eine Bauersfrau nach ihrer letzten Beichte auf dem Totenbett gestanden habe: Meine beiden Brüder waren die Mörder von Hinterkaifeck.“ Der alte Priester sagte nie, wer die alte Frau war und wen sie benannte, obwohl er in diesem Fall das Beichtgeheimnis nicht verletzt hätte. Der Papst in Rom habe damals Dispens gegeben. Aber als dieser eintraf, war der Beichtvater bereits gestorben.  
Es gäbe noch den Schatten einer dritten Spur. Ein bereits verstorbener Pfarrer soll einmal erzählt haben, daß ihm eine Bauersfrau nach ihrer letzten Beichte auf dem Totenbett gestanden habe: Meine beiden Brüder waren die Mörder von Hinterkaifeck.“ Der alte Priester sagte nie, wer die alte Frau war und wen sie benannte, obwohl er in diesem Fall das Beichtgeheimnis nicht verletzt hätte. Der Papst in Rom habe damals Dispens gegeben. Aber als dieser eintraf, war der Beichtvater bereits gestorben.  
Der Priester nahm sein vielleicht so wichtiges Geheimnis mit ins Grab.  
Der Priester nahm sein vielleicht so wichtiges Geheimnis mit ins Grab.  
Des Rätsels Lösung fand bislang noch keiner, weil rund um Hinterkaifeck nicht nur die Wälder schweigen.  
Des Rätsels Lösung fand bislang noch keiner, weil rund um Hinterkaifeck nicht nur die Wälder schweigen.  
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'''Ich kenne die Mörder'''<br>
Mir dem erwähnten Priester wurde einer unserer Leser bekannt und berichtet hier über ein Gespräch mit ihm: <br>
Es war in einer kleinen Stadt Schwabens, als ich ihn kennenlernte. Er ist ein beliebter freundlicher Herr mit viel Idealismus und großem Berufseifer. Als wir eines Abends beisammen saßen, kamen wir auf das Beichtgeheimnis zu sprechen. Er wurde plötzlich still und nachdenklich. "Sehen Sie", sagte er dann, "hier kann ich Ihnen einen selbsterlebten Fall auftischen. Es wird Ihnen der Mord von Hinterkaifeck in Erinnerung sein. Sie wissen auch, daß trotz der vielen Vermutungen und zahlreichen Verhaftungen bis heute kein Mörder bekannt ist. Und doch bräuchte ich nur den Mund aufzutun und das Geheimnis wäre gelüftet. Ich kenne die Mörder von Hinterkaifeck!" Er sagte das so selbstverständlichem und ungerührtem Ton, daß ich sagen mußte: "Und es hat sie keine seelischen Kämpfe gekostet, ihr Beichtgeheimnis zu wahren, als Umschuldige vor dem Richter standen?" "Sie werden staunen", entgegnete er lächelnd, "aber es ist gar kein Beichtgeheimnis. Sie müssen wissen, daß ich zuletzt Stadtkaplan in Augsburg war. Dort wurde ich vor einigen Jahren an das Sterbebett einer Frau geholt. Es vergingen wohl sechs Stunden, bis sich die Sterbende von ihrer schweren seelischen Last befreit und beruhigt hatte. Trotzdem schloß sie erst nach einem erschütternden Todeskampf die Augen. Mir aber hatte sie ihr schreckliches Geheimnis aufgedeckt. Wohlgemerkt geschah dies außerhalb des Beichtsiegels und mit dem Wunsch, ich solle das Bekenntnis auf der Polizei zu Protokoll geben." Dann teilte mir der Geistliche, teils von selbst, teils auf meine Fragen, einen Teil seines Wissens mit: Die beiden Brüder der Toten seien die Mörder. Zurzeit des Todes ihrer Schwester hätten sie noch in Augsburg gelebt. Als Motiv gab er reinen Raubmord an. Die Beute sei mehr als lohnend gewesen. Erst nach der Bluttat hätten Eltern und Schwester von dem Verbrechen erfahren.<br>
Was aber das Erstaunlichste ist: Nicht ein Schatten des Verdachts fiel während der jahrelangen Fahndungen auf die Täter. All die vielen Verhafteten und Vernommenen, die oft nur wegen mangelnder Beweise wieder freigelassen wurden, waren unschuldig.<br>
Warum aber schwieg der Mann, der mir dies erzählte, der einzige Mitwisser der Mörder, obwohl der letzte Wunsch der Sterbenden war, er solle sprechen? "Warum sollte ich nach Jahrzehnten noch einmal Staub aufwirbeln?, meinte er auf eine diesbezügliche Frage, "auch wenn die Mörder nicht bekannt sind, ist niemand benachteiligt. Wenn ich heute sprechen würde, gäbe es bestimmt Leute, die mir nicht glaubten, daß ich mein Wissen außerhalb des Beichtsiegels erfahren habe, und die es verständen, das Vertrauen der Katholiken zum Beichtvater zu erschüttern. Damit würde ich unserer Aufgabe nur schaden".<br>
R. S. - München


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