Sachverhalte: Die Polizeihunde

Was?

Die seit 1908 bestehende Diensthundeabteilung der Münchner Polizeidirektion wurde auch im Mordfall Hinterkaifeck einbezogen. Was weiß man über diesen Hundeeinsatz vor Ort und wie weit ging die damalige Ausbildung der Hunde? Was konnte unter den gegebenen Umständen ermittelt bzw. nicht ermittelt werden?

Die Polizeihunde auf Hinterkaifeck

Am Tag nach der Auffindung der sechs Leichen durch 3 Gröberner Nachbarn wurde der Tatort Hinterkaifeck sowie die Umgebung von zwei ausgebildeten Polizeihunden durchsucht.
Im Mordfall Hinterkaifeck arbeiteten die Polizeihunde und ihre Führer unter erschwerten Bedingungen, weshalb ihr Einsatz den Ermittlern keine neuen Erkenntnisse lieferte.
Zu diesen schwierigen Bedingungen zählen:

  • Großer Zeitraum zwischen der Anwesenheit der Täter auf dem Hof und dem Einsatz der Hunde, damit einhergehend Alterung der Spur (je nach Szenario zwischen 1 und 5 Tagen)
  • Ungünstige Wetterverhältnisse (Regen und Schnee vernichten Spuren)
  • Kontamination der Spuren durch Auffinder, Schaulustige, Polizei

Hunde

  • Flora
  • Argus

Hundeführer

Aktenfundstellen


  Hinweis: Die Aktenfundstücke sind chronologisch in aufsteigender Reihenfolge angegeben. Je höher die Quellennummer, umso weiter ist diese Aussage zeitlich gesehen vom Tatgeschehen entfernt. Bitte beachten Sie dies bei der Einschätzung der Glaubwürdigkeit/Belastbarkeit der jeweiligen Quelle/Information.



  • "Im Auftrage des Leiters der Krim. Abtl. – Polizeidirektor Ramer – begab ich mich in Begleitung des Krim. Kom. Neuss, Oberwachtmeister Kraus und den beiden Polizeihundeführern Oberwachtmeister Michael Ohlein der 24. Abtlg. N I und des Wachtmeisters Schering der N. II, mit ihren Polizeihunden, sowie des Krim. Sekr. Biegleder des Erkennungsdienstes mit einem Auto der Leitung der Landespolizei noch am gleichen Abend 9 ½ Uhr nach Wangen. Dort trafen wir nachts 1 ½ Uhr ein." [3]
  • "Die Polizeihunde konnten eine Witterung von den Tätern nicht aufnehmen. Es ist zu berücksichtigen, dass in der Zwischenzeit Schneefall und Regenwetter eingetreten ist." [3]
  • "Vom polizeil. Erkennungsdienst sind dann gestern früh mehrere Beamte mit 2 Hunden am Tatort eingetroffen" [4]
  • "Während die Kommission der Münchner Polizeidirektion im Einödhof weilte, kam die Meldung, daß zwei Burschen, 18 bis 20 Jahre alt, der eine mit einer Maske vor dem Gesicht, am Abend zuvor in dem Bauernhof eingedrungen waren, den Bauern ziemlich schwer verletzt und einen größeren Geldbetrag erbeutet hatten. Sofort wurde der Münchner Polizeihund vom Tatort in Wangen auf den Bauernhof geschickt, um die Spur der Täter aufzunehmen. In den großen Wäldern der Gegend verlor sich die Spur." [5]
  • "Heute Mittwoch ist ein Polizeihund aus München zur Verfolgung allenfallsiger Spuren eingetroffen. " [6]
  • "Der Raub bei Wangen, ... bei dem auch ein Münchner Polizeihund in Tätigkeit trat," [7]
  • "Es sind sofort 6 Kriminalbeamte aus München mit zwei Polizeihunden an den Tatort abgegangen. Leider ohne Erfolg. Durch das regnerische Wetter war jede Spur ausgetilgt worden." [8]
  • "am Mittwoch morgens um 1Uhr kamen die Herren von München mit zwei Polizeihunden. Die auf die Spur angesetzten Tiere konnten aber nichts ausrichten, da seit Samstag reichlich Regen und Schnee gefallen war und die Mörder sehr vorsichtig zu Werke gegangen waren, so daß sie keinerlei Spuren und verdächtige Anzeichen hinterließen." [9]
  • "während des frühen Morgens am Mittwoch traf auch im Auto ... Oberinspektor Reingruber von der Polizeidirektion München mit ... zwei Polizeihunden ... ein" [10]
  • "Die Polizeihunde konnten keinerlei Spuren mehr aufnehmen." [10]
  • "Auch die Polizeidirektion München war durch die Gendamerie verständigt worden und hatte noch in der Nacht 6 Beamte mit Polizeihunden an den Tatort entsandt." [11]
  • "Sofort wurde der Münchner Polizeihund vom Tatort in Wangen auf den Bauernhof geschickt, um die Spur der Täter aufzunehmen. In den großen Wäldern der Gegend verlor sich die Spur." [12]
  • "Die Gendarmeriehauptstation Schrobenhausen hat am 4.April 1922 abends 6 Uhr 15 Minuten fernmündlich um Abstellung von Kriminalbeamten des Erkennungsdienstes und von Polizeihunden ersucht." [13]
  • "Oben an dem verstaubten Querbalken, an dem das Seil befestigt war, sah man noch zwei Handabdrücke. Der Knoten, der das Seil mit dem Querbalken verband, war fest zugezogen. Wir teilten unsere Beobachtung der Kommission mit. Trotz Ansetzung des Hundes konnte jedoch keine Spur von den Tätern gefunden werden. An jenem Tage lag Neuschnee." [14]
  • "weil das Verbrechen erst an vierten Tage entdeckt wurde und frischer Schneefall Spuren verwischte, versagten selbst die Hunde der Polizei." [15]
  • "Die sind da mit ihren Hunden gekommen. Die haben schöne Hunde gehabt. So ein brauner mit Schlappohren und einen anderen Hund. Das ist ganz gut gegangen. Ich habe die Schuhe voll Blut gehabt. Die haben mich auch abgeschnuppert und andere Leute auch. Dann sind die Hunde in die Tenne hinaufgegangen auf den Streuboden hinauf, wo die Streu umhergestreut war. Hinterhalb, wo die Zwischenscheune war, sind die Heunester gewesen. Die Hunde scharrten immer am Streuboden. Da haben die Herren gemeint, dass da Blutspuren wären und sind dann gleich weggefahren. Weiter ist nichts gemacht worden." [16]
  • "Beim Mord damals ham`s auch einen Polizeihund gholt. Der ist de Tapper (Spuren) im Schnee nachganga. Und wo ist der Hund stehbliebn? Immer bloß beim Schlittenbauer is er um seine Fiaß rumgschlichn und dann hams`n zur Red gestellt. Dann hat er gsagt, des is ja kein Wunder, ich war ja bei den Leichen dort." [17]

Weitere Hundeeinsätze

Laut Leuschner (2007) wurden kurz nach der Auffindung unter Leitung von Polizeimajor Mayer und Polizeihauptmann Ried insgesamt 56 Mann und 1 Hund nach Hinterkaifeck geschickt, um die Gegend zu bewachen und der Bevölkerung ein Sicherheitsgefühl zu vermitteln.

Polizeihundeausbildung Anfang 20. Jahrhundert

In unserem Forum (Registrierung erforderlich) wurde oft spekuliert, wie gut die Ausbildung von Polizeihunden Anfang des 20. Jahrhunderts gewesen sei.
Die unten genannte Literatur bietet genau zu dieser Frage einen guten Überblick. So werden eine Vielzahl von Fallbeispielen und Beispielübungen vorgestellt, die ein Polizeihund lernen muss.
Der Übungsplan eines Hundes umfasste ein breites Spektrum, von einfachen Befehlen wie "Setzen" und "Daun" bishin zu Rettungseinsätzen oder erschwerter Spurensuche.
Zwei Übersichtspläne über die aufeinander aufbauenden Übungen sind in den untenstehenden Abbildungen zu sehen.

Spurensuche des Polizeihundes Die Ausbildung sah vor, mit frischen (ca. 10min alten) Spuren zu beginnen. Dabei wurde die Witterung anhand eines von der Zielperson berührten Gegenstandes aufgenommen. Der Schwierigkeitsgrad wurde gesteigert, indem das Spuralter verlängert wurde, erst 20min, dann 35min. Das längste Zeitintervall zwischen Spurenlegung und Verfolgung, das in den damaligen Übungsbüchern angesprochen wird ist 1 Tag. Danach kamen zu frischen und alten Spuren noch Störungen hinzu, zum Beispiel ein Zaun oder ein Graben oder im Weiteren über eine belebte Straße. Ziel ist immer das Auffinden und Verbellen der Zielperson.
Um die Grenzen bzgl. des Mordfalles Hinterkaifeck aufzuzeigen, ist es sinnvoll, sich zu vergegenwärtigen, dass man damals von einer älteren Spur schon ab 1 Stunde sprach und den Radius der Übungen auf max. 3000m ausdehnte.

Offene Fragen/Bemerkungen

Ein Satz aus "Der Polizeihund" [1] ist evtl. für die Einschätzung der Bewaffnung von Räubern um 1910 interessant: "Der Gehilfe verliere beim Spurenlegen öfters Gegenstände, welche nun der Wirklichkeit angepasst werden (Beil, Messer, Revolver, Stock usw.)."

Quellen/Herkunft

Ergänzende Literatur:
[1] Friederichs 1910
[2] Gersbach 1914

1922:
[3] Bericht Reingruber 06.04.1922
[4] Bericht Goldhofer 06.04.1922
[5] Zeitungsartikel Münchner Neueste Nachrichten 06.04.1922
[6] Zeitungsartikel Schrobenhausener Wochenblatt 06.04.1922
[7] Zeitungsartikel Münchner Neueste Nachrichten 07.04.1922
[8] Zeitungsartikel Neuburger Anzeigenblatt 07.04.1922
[9] Zeitungsartikel: Münchner Zeitung 09.04.1922
[10] Zeitungsartikel Schrobenhausener Wochenblatt 08.04.1922
[11] Bericht Renner 10.04.1922
[12] Zeitungsartikel Freie Presse Ingolstadt 10.04.1922
[13] Begründung Fahrzeugbenutzung durch den Erkennungsdienst 07.06.1922

1953:
[14] Aussage Ney 20.03.1953
[15] Zeitungsartikel Weltbild 06.05.1953

1980:
[16] Aussage Schwaiger 04.07.1980

1984:
[17] Aussage Fuchs 15.02.1984

Zusatzinformationen

Inhalte Polizeihundeausbildung:

Weitere Informationsquellen

Volltextsuche im Hinterkaifeck-Wiki: