Berichte: 1922-05-02 Bericht Neuss

Anzeige des Kriminalkommissärs Neuss an die Polizeidirektion München

Quelle

Staatsarchiv München

Detailinformationen

Datum

02.05.1922

Ort

Schrobenhausen

Art des Dokumentes

Schreiben

Verfasser

Georg Neuss, Kriminalkommissär

Verfasst für

Polizeidirektion München Fahndungsabteilung

Quelle

Staatsarchiv München, PolDir 8091b

Inhalt

Anzeige des Kriminalkommissärs Neuss
an die Polizeidirektion München


Polizeidirektion München
Schrobenhausen, den 2.Mai 1922

Fahndungsabteilung


Betreff: Raubmord in Hinterkaifeck.


Am 5.April 1922 habe ich im Schlafzimmer der Ermordeten unter anderem die anliegende Beitragsaufstellung der Ortskrankenkasse Schrobenhausen vorgefunden. Nach dieser war mindestens in den Monaten Juli oder August 1921 bei Frau Viktoria Gabriel eine Kreszenz Rieger in Arbeit gestanden.

Ich habe deshalb nach Auffindung dieser Beitragsaufstellung, also am 5. April 22 dieselbe mit noch anderen Notizen zwecks unmittelbarer sofortiger Einleitung weiterer Erhebungen dem Sicherheitskommissär Goldhofer der Gend. Stat. Hohenwart in Hinterkaifeck übergeben. Insbesondere hatte ich ihn ersucht wegen Wichtigkeit der Sache umgehend dahin Erhebungen einzuleiten, wie lange die Rieger bei Gabriel beschäftigt war, und um welche Person es sich hier handelt, mit welchen Personen sie im Verkehr stand u.s.w.. Wie nun aus der mir vom Staatsanwalt Neuburg a.D. zwecks Vornahme entsprechender Erhebungen übergebenen Anzeige der Gend. Station Schrobenhausen vom 10. April hervorgeht, wäre die Rieger vom 9. Oktober 21 bis
2. Februar 22 bei Gabriel als Dienstmagd bei der Ortskrankenkasse Schrobenhausen in Stellung gemeldet gewesen. Deren Jetziger Aufenthalt sollte in Adelshausen sein und dort beim Wirt erfragt werden können.

Trotz der Dringlichkeit wurde unterm 15. April 22 eine Aufenthaltsermittlung an die Gendarmeriestation Karlskron gerichtet, die dort infolge der Osterfeiertage verspätet in Lauf gelangte und wegen ihrer anscheinend unwichtiger Natur nicht als vordringlich behandelt worden ist, soll doch lediglich nur der Aufenthalt der Rieger ermittelt werden.

Am Montag, den 24.April vorm. 8 Uhr war ich bei der Gend. Station Hohenwart und erkundigte mich über den Aufenthalt der Rieger, der dort noch nicht bekannt war. Ich setzte mich sofort telefonisch mit der Gend. Stat. Karlskron in Verbindung und von dort aus wurde mir der Aufenthalt der Rieger mitgeteilt. Wegen Wichtigkeit der Angelegenheit begab ich mich sofort nach Adelshausen und habe die Rieger im Beisein des Gend. Oberwachtm. Stemmer der Station Karlskron zur Sache vernommen. Sie machte mir die in der Anl. 2 näher ersichtlichen zur Klärung des Falles nicht unwesentlichen Angaben vom 24. v. M.

Durch diese Angaben und die verschiedenen vernommenen Zeugen ist zweifellos festgestellt, daß der led. Fabrikarbeiter
Anton Bichler
geboren am 12.IV.91 in Waidhofen mit der Rieger ein Liebesverhältnis unterhalten hat und öfters zur Nachtzeit zu ihr ans Kammerfenster gekommen ist. Weiter will sich die Rieger mit Bichler nicht eingelassen haben, weil er von den Ermordeten als Dieb bezeichnet worden ist.

Ferner ist durch die Angaben der Rieger festgestellt, daß Bichler mit den Lokalverhältnissen in Hinterkaifeck sehr vertraut war. Er hat auch dort bei der Kartoffelernte und beim Dampfdreschen mitgeholfen. Bichler wußte auch, daß die Ermordeten finanziell sehr gut gestellt waren, was er der Rieger gegenüber selbst zum Ausdruck gebracht hat.

Das sich die Rieger mit Bichler nicht weiter eingelassen hat, soll dieser auf die Ermordeten zurückgeführt haben. Er soll auch die Rieger mit dem Durchlassen bedroht und sich selbst dahin geäußert haben: “Die Kaifecker gehören alle erschlagen“ s. Anl.1

Wie mir von zuverlässiger Seite mitgeteilt worden ist, hat Anton Bichler in den letzten Jahren im Jagdgebiet des Rechtsanwalts Schneider in Schrobenhausen und zwar im Gemeindebezirk Wangen gewildert. Ich werde in dieser Anzeige am Schlusse näher darauf eingehen. S. Anl.18

Was den Mord betrifft, so muß hier noch insbesondere angeführt werden, daß nach den Angaben der Rieger –Anl.1- der Hofhund der Ermordeten, der sonst als allgemein sehr bissig und wachsam bezeichnet wird, gerade bei Anton Bichler nichts gemacht hat, d.h. bei Betreten des Hofraumes sich ganz ruhig verhalten und nicht gebellt hat.

Sehr bezeichnend sind auch die Angaben des Wiedl –Anl.5- wonach dessen Bruder Karl Bichler
sich darauf interessiert hat, wie man einen wachsamen Hund lahmlegen könnte. Er soll sich in dieser Richtung an den Schäfer des Bauern Josef Greppmeier in Steinenkirch, der ein solches Mittel haben soll, gewandt haben.

Nach den Feststellungen der Ortskrankenkasse Schrobenhausen dürfte hier der led. Schäfer Johann Kreitmeier, geb. 24.11.84 in Brunn, B.A. Schrobenhausen in Betracht kommen. Er war damals zur Zeit, wie Bichler dort vom 15. bis 17. Juli 21 beschäftigt war, ebenfalls schon als Schäfer dort. Eine Einvernahme desselben ist bisher noch nicht erfolgt.

Es scheint aber, daß Bichler ein derartiges Mittel gefunden hat, denn nach Angabe des Beil –Anl. 9- hat er dessen sonst äußerst wachsamen Hunde soweit gebracht, daß sie jetzt keinen Laut mehr geben, wenn er dessen Hofraum betritt.

Was dem von der Rieger bezeichneten Diebstahl eines Pferdegeschirres durch Bichler bei dem Gastwirt Walter in Koppenbach betrifft, so fand dies durch die Angabe des Walter –Anl. 7- seine Aufklärung dahin, daß es damals beim Versuch geblieben ist und daß nicht Bichler, sondern die Gebrüder Thaler und zwar der led. Landwirtssohn Lorenz Thaler geb. 16.8.05 in Ilmenhof B.A. Pfaffenhofen a.I. und dessen Bruder Adam Thaler, geboren 21.10.06 dort, beide in Kaifeck Gde. Wangen wohnhaft, als Täter bei der Tat ertappt, zur Anzeige gebracht und beim Amtsgericht Schrobenhausen abgeurteilt und freigesprochen worden sind. (A.V. 123 ab/20)

Wegen des von der Rieger – Anl. 1 – bezeichneten Einstiegdiebstahls in Hinterkaifeck Ende Oktober Anfangs November 20 kommt nach den Angaben des Georg Siegl – Anl. 3 – als Täter der led. Dienstknecht Josef Hartl, geb. 17.8.05 in Waidhofen in Betracht.

Hartl ist seit 2.2.22 bei dem Bauern Johann Walter in Koppenbach bedienstet. Derselbe erklärte mir, daß er glaublich im Jahre 19 bei Gabriel in Hinterkaifeck als Dienstbube in Stellung war. Wegen schlechter Behandlung sei er davongelaufen, habe aber nicht sich zu seinen Eltern nach Waidhofen begeben, sondern sei an der vorderen Frontseite des Hauses an einer Stange bis zum offenen Fenster im 1. Stock hinaufgeklettert und habe dann auf dem Stroh übernachtet und sei dann am nächsten Tage unter Mitnahme eines viertel Schinkens und etwas Brot davon. Richtig sei es, daß er damals gegen den Wald zugelaufen wäre. Kleidungsstücke hätte er nicht entwendet.

Über den Verkehr bei den Ermordeten, ebenso über die allenfallsige Täterschaft konnte er keine Angaben machen. Zur kritischen Nacht will er zu Hause bei seinem Dienstherren in Koppenbach gewesen sein.

Diese Angaben werden durch die beiden Dienstknechte Andreas Schreier, 41 Jahre alt und Johann Schotterer, 22 Jahre alt, beide bei Walter im Dienste, bestätigt.

Ich möchte hierzu noch bemerken, daß Hartl seinem Alter nach eine unscheinbare Person ist, die unmöglich eine solche Tat mit ausführen könnte.

Georg Siegl –Anl. 5- war in der kritischen Nacht ebenfalls zuhause in Hohenried, welche Ortschaft 1 1/2 Stunde vom Tatort entfernt ist.

Dessen Dienstfrau Kreszenz Huber, 58 Jahre alt, in Hohenried Nr. 37 wohnhaft, erklärte am 27.4.22, daß sie bisher täglich zwischen 7 und 7 1/2 Uhr Abend gegessen haben und Siegl niemals beim Essen gefehlt hat und auch dann nicht, wenn er seine Wäsche zum Umtausch zu seinen Eltern nach Gröbern gebracht hat. Bisher hat sich Siegl stets bis 9 und 10 Uhr im Gastzimmer oder in der Küche aufgehalten und dann erst sei er ins Bett gegangen. Abgegangen sei er auch an kritischem Abend nicht.

Siegl ist eine Person, der infolge seiner körperlichen Figur einer solchen Tat nicht gewachsen ist.

Was die Person der angeblichen “Bauern-Sepp“ von Gröbern betrifft, so kommt nur der led. Arbeiter Josef Schrittenlocher, 20 Jahre alt, in Gröbern wohnhaft in Betracht. Schrittenlocher, gen. “Bauern-Sepp“ von Gröbern erklärte, daß er nie zu der Dienstmagd Rieger zum Kammerfensterln gekommen sei und könne auch nicht angeben, wer sich seines Namens dort bedient haben könnte. Bezüglich der Täterschaft des Mordes konnte auch dieser keine Angaben machen. Ebenso über den dort abgewickelten verkehr mit anderen.

Der jetzige Geliebte der Rieger ist der led. Taglöhner Johann Engelhardt, -Anl. 12- von Schrobenhausen. Derselbe ist zwar seit Januar 22 außer geregelter Beschäftigung, wird aber von seiner Schwester Magdalena Engelhardt von Schrobenhausen verpflegt und beherbergt. Als Täter dürfte er nach den gemachten Erhebungen nicht in Frage kommen.

Nach den Angaben der Gütlersfrau Magdalena Gärtner, 45 Jahre alt, in Gröbern Nr. 23 wohnhaft, hatte die Rieger ein weiteres Verhältnis mit einer Person von Kühbach, den sie heiraten wollte.

Rieger gab unterm 27.4.22 –Anl. 1- hierzu an, daß es richtig sei, daß sie einen Geliebten von Auerbach bei Aichach hatte. Es war dies der led. 28 jährige Taglöhner Josef Heiss, den sie vor ihrer Einstellung im Einödhof Hinterkaifeck in Schrobenhausen kennen gelernt habe. Obwohl sie mit ihm Briefe gewechselt hat, sei er aber niemals nach Hinterkaifeck gekommen. Bezüglich Heiß werde ich Erhebungen einleiten und das Ergebnis dem Staatsanwalt mitteilen.

Der led. Metzger Michael Bichler, -Anl. 2- im Gasthaus zum Unterbräu in Schrobenhausen beschäftigt und wohnhaft, bestätigt, daß die Rieger mit Anton Bichler ein Liebesverhältnis unterhalten hat. Es wird dies auch, wie aus den einzelnen Protokollen hervorgeht, noch von anderen Personen bestätigt. Bichler erklärte ferner noch, daß er vom Anton Bichler schon selbst gehört habe, wie er sich über die finanziellen guten Verhältnisse der Ermordeten geäußert hat.

Schwer belastende Angaben –Anl. 2- macht Bichler über Karl Bichler. So wollte dieser den Michael Bichler zu einem Einbruch im Einödhof Hinterkaifeck, wo er Goldgeld vermutete, bewegen. Bei dieser Gelegenheit hätte sich Karl Bichler dahin geäußert, daß man den alten Gruber wegräumen müßte und von den Weibern würde man dann das Geld schon so bekommen.

Dessen Verschlagenheit und Getriebenheit dürfte wohl aus den verschiedenen dem Michael Bichler in Vorschlag gebrachten und teils auch ausgeführten Diebstählen, ebenso durch dessen verschiedenen Äußerungen –Anl. 2 & 4- deutlich hervorgehen.

Die Annahme, daß bei dem Mord nur Papiergeld geraubt worden ist, dürfte nicht als einwandfrei feststehen. Bekanntlich habe ich mit Oberwachtmeister Kraus der Polizeidirektion München im Schlafzimmer der Ermordeten in einem Schrank eine Büchse mit Hartgeld, darunter 1880 M in Gold, vorgefunden.

Nach den bestimmten Angaben des Simon Schönecker {Anm.: richtig: Schönacher] –Anl. 4- in Rachelsbach, Nr. 33 wohnhaft, hatte jedes von den drei Ermordeten und Gruber, dessen Frau und die Witwe Gabriel eine eigene Kasse. Nachdem aber bis jetzt nur eine Kasse (Büchse) mit Hartgeld vorgefunden worden ist, muß mit der Möglichkeit gerechnet werden, daß die Täter auch Hartgeld geraubt haben könnten.

Wie fast durchwegs aus den anliegenden Vernehmungen hervorgeht, wird Karl Bichler, als des Mordes verdächtig bezeichnet. Er wird, wie aus den bisherigen Feststellungen ersichtlich ist als eine arbeitscheue, zu Eigentumsdelikten sehr geneigte Person geschildert. So hat er sich nach den Angaben des Schönecker im Sommer 21 zum Ärger der arbeitenden Bewohner in Waidhofen und in der Umgebung umhergetrieben, so daß der Antrag zwecks Einschaffung in ein Arbeitshaus bei der Gemeindeverwaltung Waidhofen einlief. Bei einem Zusammentreffen in der Wirtschaft zum Reger in Waidhofen, hat Karl Bichler sich dem Schönecker gegenüber, der ihn gefragt hatte, wie er ohne zu arbeiten so durchkäme, geäußert:“Ja, Simmerl, arbeiten tu ich nichts mehr, so dumm bin ich nicht, daß ich mir die Hände dreckig mache, es muß so auch gehen und wenn ich mir die Hände b l u t i g machen müßte“.

Außerdem soll er gesagt haben, daß er den Hinterkaifeckern ihre Goldstücke noch möchte. Ähnlich hat sich Karl Bichler auch anderen Personen gegenüber geäußert, was aus den Anlagen ersichtlich ist.
Auch Anton Bichler wird vom Riedl –Anl. 5- als eine Person bezeichnet, die nur soviel arbeitet, als unbedingt zum Durchkommen nötig ist.

Was die Arbeitsverhältnisse des Karl Bichler betrifft, so war er, wie folgt bei der Ortskrankenkasse Schrobenhausen als in Arbeit stehend gemeldet:

Vom 1.5.14 bis 2.2.16 bei Franz Preschl in Westerbach
vom 6.2.16 bis 1.12.16 bei Johann Walter in Koppenbach
vom 10.3.19 bis 12.4.19 bei Gutsverwaltung Graf Törring in Engelmannsberg
vom 21.6.20 bis 16.8.20 bei Fritz Straub in Königslachen
vom 30.8.20 bis 15.10.20 bei Josef Koppold in Schrobenhausen
vom 16.11.20 bis 20.2.21 bei Johann Walter in Koppenbach
vom 5.7.21 bis 17.7.21 bei Josef Greppmeier in Steinerskirchen

Von diesem Zeitpunkt ab ist Karl Bichler im Bezirksamt Schrobenhausen als in Arbeit stehend nicht mehr zur Anmeldung gelangt.

Anton Bichler war wie folgt in Arbeitsstellen gemeldet:

Vom 10.12.19 bis 17.1.20 beim Kulturamt Waidhofen
vom 11.5.20 bis 22.5.20 bei Simon Greppmeier in Waidhofen
vom 12.7.20 bis 7.8.20 bei Christian Schad in Oberhaidhof
vom 18.9.20 bis 22.9.20 bei Kaspar Wendl in Waidhofen
vom 26.10.20 bis 28.2.21 bei Landwirtsch. Obstverwert. St. Waidhofen
vom 4.3.21 bis 8.3.21 bei Ludwig Hickl in Schrobenhausen
vom 10.3.21 bis 16.4.21 beim Kulturbauamt Diepoldshofen
vom 24.4.21 bis 7.5.21 bei Landwirtsch. Obstverwert. St. Waidhofen

Seit dieser Zeit ist auch Anton Bichler im Amtsbezirk Schrobenhausen als in Arbeit stehend nicht mehr zur Anmeldung gelangt.


Sofern jene vom Reisländer in der –Anl. 16- näher bezeichneten Burschen die Täter des Mordes bzw. am Mord beteiligt waren, so sind die Angaben desselben in sofern von Bedeutung als daß es sich hier um Burschen gehandelt hat, die Reisländer erkannt hätte.

Der Bruder des hier bezeichneten Reisländer, der 24 jährige Gütlerssohn Johann Reisländer in Westerbach, Nr. 43 wohnhaft, gab mir an, daß er Montag oder Dienstag, den 3. oder 4.April in Schrobenhausen zu tun hatte und das er bei dieser Gelegenheit den ihm persönlich bekannten Karl Bichler gesehen habe. Er trug gelbe Schuhe, war gut gekleidet und wollte nach Angabe des Buchdruckereibesitzers Franz Filsermayr in Schrobenhausen eine Landkarte kaufen.

Der Buchdrucker Filsermayr wurde durch den Krim. Sekr. Kollmer zur Sache gehört und gab er ihm an, daß am Montag, den 4 v.M. in den Vormittagsstunden zu ihm in das Geschäft ein Bursche kam und eine Reisekarte von der Oberpfalz haben wollte. Nachdem er Karten überhaupt nicht führt verwies er ihn an die Buchhändlerin Maria Hieber. Ob er dort die gewünschte Karte bekommen hat, vermochte Filsermayr nicht anzugeben.

Filsermayr beschreibt den Burschen etwa 20 Jahre alt, 1,70 m groß, schlank, längliches Gesicht, trug braunen Anzug, hoch geschlossen mit Gürtel, gelb-grüne Sportmütze und graue Wickelgamaschen. Er sah sehr verkommen aus und machte ihm einen schlechten Eindruck.

Die Buchhändlerin Maria Hieber [1] erklärte, daß sie sich nicht mehr entsinnen könne, ob an diesem Tage von einem Burschen nach einer Karte von der Oberpfalz gefragt wurde.

Wie ich bereits in meiner Anzeige vom 28.4.22 angeführt habe und dies auch aus den Angaben des Greppmeier –Anl. 8- hervorgeht, verkehrte Karl Bichler sehr viel mit dem ehemal. Schmiedlehrling, späteren Gehilfen Georg Mader, geb. 20.12.03 in München. Außerdem brachte ich noch in Erfahrung, daß er mit einem Kulturarbeiter “Hugo“, näheres bis jetzt unbekannt, der von Amerika gekommen sein soll, Verkehr hatte.

Was den Verkehr des Anton Bichler betrifft, so verweise ich auf die Angaben des Rechtsanwalts Anton Schneider in Schrobenhausen. –Anl. 18- Nach diesen Angaben ist Bichler im Laufe des vorigen Jahres mit dem Schuster Kreitmeier von Laag, Gde. Waidhofen freundschaftlich verkehrt und hat außerdem noch mit ihm gewildert.

Auch in der Richtung Kreitmeier werden Erhebungen erst dann eingeleitet, sobald die Festnahme der beiden Bichler erfolgt ist. Es ist nicht von der Hand zu weisen, daß dieser in irgend einer Weise mit am Morde beteiligt ist.

Nach den Angaben des Johann Walter –Anl. 7- ist Karl Bichler während seines Dienstes bei ihm mit einem gewissen Hammerl aus Ingolstadt verkehrt. Der genannte ist zweifellos personen-gleich mit Josef Hammerl, geb. 13.4.04 in Ingolstadt. In dieser Richtung werden Erhebungen eingeleitet und im Nachgange dem Herrn Staatsanwalt übermittelt.

Sämtliche noch in den einzelnen Protokollen aufgeführten Personen wurden über ihr Wissen in der Mordangelegenheit befragt und konnten nichts wesentliches zur Sache angeben. Es würde zu weit führen alle Personen namentlich aufzuführen, die wir in dieser Sache bezgl. der Täterschaft gehört haben, da deren Wissen von keinerlei Bedeutung war.

Wie ich noch ferner feststellen konnte, hätte der led. Dienstknecht Andreas Schreier, 41 Jahre alt, bei dem Bauern Johann Walter in Koppenbach mit 1 ¼ Jahre im Dienst, ein Verhältnis mit der ermordeten Witwe Gabriel anknüpfen wollen. Zu diesem Zwecke stattete er nach seinen Angaben im Januar 20 der Gabriel in ihrer Wohnung in Hinterkaifeck einen Besuch ab. Zu einem festen Verhältnis ist es jedoch nicht gekommen. Schreier erklärte, daß er die Absicht gehabt habe, die Gabriel zu heiraten und sei zu diesem Zwecke im Frühjahr d.J. an sie noch einmal herangetreten. Er glaubte, daß sein Schritt von Erfolg gewesen wäre nachdem sich der alte Gruber über ihn bei seinem Dienstherren erkundigt hatte. Er hätte 15 – 20000 M in die Ehe gebracht und dadurch wäre ein gutes Auskommen gesichert gewesen. Die Kunde von der Ermordung der Gabriel habe auf ihn schmerzlich gewirkt. Bei seinem Besuch habe er damals nur in der Wohnung der Gabriel die seinerzeit in anderen Umständen befindliche Dienstmagd, Name unbekannt, in der Wohnung gesehen. Er selbst sei nur einmal und zwar wie bereits festgestellt im Januar 20 dort gewesen.

Ich möchte hierzu bemerken, daß und dessen Dienstherr, der Bauer Johann Walter erklärt hat, daß sein Knecht Schreier auf die Kunde der Ermordung der Gabriel hin geweint habe.

Schreier dürfte sicher nicht als Täter in Frage kommen.

Wie ich bereits in meiner Anzeige angeführt habe und dies aus den Angaben des Rechtsanwalts Anton Schneider von Schrobenhausen –Anl. 18- näher ersichtlich ist, hat Bichler gemeinschaftlich mit dem Schuhmacher Kreitmeier von Laag, Gde. Waidhofen im Jagdbezirk des R.A. Schneider im Gemeindebezirk Wangen unbefugt die Jagd ausgeführt.

Bichler war dem R.A. Schneider gegenüber geständig und will nur wenig jagdbares Wild in seinem Jagdbezirk geschossen haben.

Mit Rücksicht auf die Schwere der Tat, deren Bichler verdächtig erscheint, und dessen Mithilfe Kreitmeier`s nicht von der Hand zu weisen ist, habe ich vor Festnahme des Bichler von weiteren Erhebungen in der Richtung Kreitmeier Abstand genommen.


Der des Mordes mitverdächtige Karl Bichler, Bruder des Vorgenannten hat zweifellos in der –Anl. 8- näher bezeichneten Diebstähle zum Nachteile des Josef Greppmeier, seines Bruders Xaver und des Lehrlings Josef Kötzler verübt.

Der in dieser Sache als Zeuge notwendige Mühlbursche konnte noch nicht ermittelt werden. Zweifellos ist dieser mit dem led. Mühlgehilfen Michael oder August Winselmeier, geb. 29.7.00 in Velden a.V. oder Dingolfing personengleich.

Ein weiterer Mühlbursche der zu der damaligen Zeit bei dem Mühlbesitzer Fröhlich in Waidhofen (Kothmühle) beschäftigt war, ist der Mühlgehilfe Ruppert Wick, geb. 31.12.95 in Aichach. Auch dessen Aufenthalt ist hier nicht bekannt.

Ob die Einvernahme der beiden Mühlgehilfen notwendig erscheint hängt von den Angaben des Bichler ab.

Ferner hat Bichler nach den Angaben des Bauern Johann Walter in Koppenbach –Anl. 6- anfangs Dezember 19 demselben 19 Stück Hühner aus der verschlossenen Hühnerstallung gestohlen. Walter ist deshalb überzeugt, daß Bichler als Dieb in Betracht kommt, weil er zur damaligen Zeit dem Gastwirt Johann Walter in Koppenbach ebenfalls 15 Stück Hühner gestohlen und diesen Diebstahl dem Dienstknecht Josef Gerbl zugestanden hat. Außerdem aber, weil er ihm am 16.8.20 aus seinem unversperrten Stall 3 Schafe und nach etwa 3-4 Wochen weitere 3 Schafe im Gesamtwert von 2000 M entwendet hat.

Wie bereits angeführt hat Karl Bichler auch den Angaben des Gastwirts Johann Walter in Koppenbach im Dezember 19 aus dessen unversperrten Hühnerstall 15 Stück Hühner im damaligen Wert von 45 M gestohlen. Diesen Diebstahl hat Bichler dem Dienstknecht Josef Gerbl von Rachelsbach zugestanden. Gerbl ist am 17.10.98 in Rachelsbach geboren und z. Zt. Bei Xaver Augustin in Kreuth, Gde. Strohenried bedienstet.

Ob dessen Einvernahme notwendig erscheint hängt ebenfalls von dessen Angaben ab.

Nach den weiteren Erhebungen und nach den Angaben des Blasius Beil –Anl. 9- hat Karl Bichler im Februar 22 versucht eine Henne aus der Stallung des Beil in Waidhofen zu stehlen. Durch das Hinzukommen der Ehefrau Beil, lies er die Henne, die er bereits unter dem Arme trug wieder laufen und ergriff die Flucht. Bei dieser Gelegenheit lies er seinen Hut zurück, den er sich bis heute nicht zu holen getraute.

Wie aus den Anlagen weiter ersichtlich ist, hat Bichler zweifellos eine Reihe von Hühnerdiebstählen verübt.

Außerdem hat Bichler nach den glaubwürdigen Angaben des Simon Schönecker in Rachelsbach –Anl. 4- und der Charakterschilderung des Pfarrers Haas in Waidhofen, der aber infolge seiner Stellung nicht genannt sein will, im vergangenen Jahr einem Schmied oder Bauern in Oberbernbach bei Aichach, bei dem er in Stellung war, einen Sack Getreide gestohlen.

Weiters hat Bichler im Herbst 21 ein oder zwei Säcke frische Tabakblätter im besitz gehabt, obwohl er selbst keinen angebaut hatte und sonach die selben gestohlen haben mußte. Er gab dies auch dem Michael Bichler –Anl. 3- zu. Dieser Diebstahl ist in soweit noch nachgewiesen, als das der Gütler Riedl –Anl. 5- gesehen hat, wie Bichler im Herbste v.J. auf dem Speicher der Wohnung seiner Muter Tabakblätter zum Trocknen aufgehängt hatte.

Die beiden Gebr. Bichler sollen sich im Gute Lindenhof Gde. Althegnenberg aufhalten bzw. dort beschäftigt sein.

Aus all den bisher Geschilderten und uns den Angaben der zur Sache vernommenen Personen, geht zweifellos hervor, daß die beiden Bichler Personen sind, denen jede Tat zuzutrauen ist. Sie werden auch allgemein in der Umgebung gefürchtet, was zur Folge hatte, daß in den meisten Fällen keine Anzeige erstattet wurde.

Wie ich bereits in meinen früheren Anzeigen angeführt habe, halte ich schon vom Standpunkte der von ihnen verübten Diebstähle, bzw. Wilderns und im Interesse der öffentlichen Sicherheit deren vorläufige Festnahme für angezeigt.

Die Festnahmen erscheinen um so mehr begründet, da die Gefahr besteht, daß sie dann die hier vernommenen Personen durch evtl. Drohungen in irgend einer Weise beeinflussen könnten.

Ich werde daher im vorstehenden Sinn mit Krim. Sekr. Kollmer das Weitere betätigen.

Das mir von der Staatsanwaltschaft zur weiteren Verfügung ausgehändigte Schreiben liegt bei, wozu ich bemerke, daß der Knecht Markus Kapfer nach den bestimmten Angaben des Kom. Goldhofer der Gend. Stat. Hohenwart sich z. Zt. Der Tat und auch jetzt noch bei der Reichswehr befindet.

Weiters liegt die eingangserwähnte Beitragsaufstellung der Ortskrankenkasse Schrobenhausen für die Rieger bei.

Kriminalkommissär

Offene Fragen/Bemerkungen

  • Nicht korrekte Datumsangabe: Im Abschnitt über den Dienstknecht Andreas Schreier taucht zweimal die Datumsangabe "Januar 1920" auf und es wird gleichzeitig darauf hingewiesen, dass zu diesem Zeitpunkt die auf Hinterkaifeck beschäftigte Dienstmagd schwanger gewesen sei. Tatsächlich gab es eine ehemalige Dienstmagd, von der wir wissen, dass sie auf dem Hof ein Kind zur Welt brachte, und zwar war das Kreszenz Rieger, deren Tochter im März 1921 zur Welt kam.
    Es liegt also nahe, dass Schreier nicht im Januar 1920 sondern erst im Jahr darauf auf Hinterkaifeck war. Die Diskussion zu diesem Punkt finden Sie in unserem Forum (Registrierung erforderlich).
  • [1] Bei der genannten Buchhändlerin Maria Hieber handelt es sich um die Mutter von August Hueber. Sie führte nach dem Tod ihres Mannes die Buchhandlung in Schrobenhausen Haus-Nr.228. Die Buchhandlung Hueber ist die Einzige des Namens in Schrobenhausen und auch so ist sie in dem Einwohnerverzeichnis (ca. 1920) erwähnt.

Die Schreibweise der Namen in diesem Protokoll sind nicht immer korrekt. Reisländer wird mit "ß" geschrieben. In der Kriegsstammrolle seines Bruders von Simon Reisländer ist die Unterschrift, ohne Zweifel nur mit "s" hinterlegt. Auch die Diskussion zu diesem Punkt finden Sie in unserem Forum (Registrierung erforderlich).