Aktencheck: Zum Tod von Karl Gabriel


Mit einer groß angelegten Anfrage begann der Ermittler Meixl 1923 die Suche nach Kriegskameraden von Karl Gabriel

Was?

Karl Gabriel ist am 12.12.1914, gefallen bei der Schlacht im Arras, nahe Neuville / Frankreich. Dies bezeugen zwei Kameraden Josef Bichler und Nikolaus Haas, die ihn seit Schulzeiten gekannt haben, sowie sein Vorgesetzter Josef Brunner.
Bestätigt wird der Tod außerdem durch die Kriegsstammrolle „gefallen am 12.12.1914“ bei Neuville“. Und sein Tod wird dem zuständigen Standesamt in der Heimat (Hohenwart) gemeldet. Dennoch gab es immer wieder Gerüchte um vermeintliche Sichtungen.


Die Feststellung des Todes wurde in den Ermittlungen zum Sechsfachmord in Hinterkaifeck noch einmal wichtig und zwar um ihn als Tatverdächtigen auszuschliessen. Mit der Berichterstattung meldeten sich auch immer wieder Zeugen, die noch nach dem offiziellen Tod Karl Gabriel gesehen haben mochten. Auch diese Spuren mussten untersucht werden.

 
Beispiel eines dieser Formulare

Ermittlungen

Tatsächlich wurden direkt nach der Tat, noch im April 1922 seitens der Ermittler Nachforschungen zu einer möglichen Desertation eingeleitet - dies weniger aus Gründen eines konkreten Verdachts als vielmehr infolge der stagnierenden Ermittlungen-, die vom Zentralnachweise=Amt für Kriegsverluste und Kriegsgräber negativ beantwortet wurde.

Ers. Res. Karl Gabriel der 6. Komp. bayr. Res. Inf. Regt. 13, liegt in der Schützengrabenstellung seiner ehemaligen Kompanie beerdigt. Diese vorliegende Meldung trägt die Unterschrift des damaligen Regts. Kommandeurs, deren Richtigkeit kaum anzuzweifeln sein wird.

Außerdem wurden alle weiteren Kameraden von Karl Gabriel ermittelt, die gleichzeitig mit ihm zur 6. Kompanie des Reserve Infant. Regt. 13 gekommen sind und mit ihm im Feld standen. Dies zwar primär um hier mögliche Tatverdächtige auszuschließen. Als positiver Beifang wurde von mindestens zwei Kameraden der Tod nochmals bestätigt.
Sobald man den Aufenthaltsort eines ehemaligen Kollegen ermittelte, wurde der nachfolgende Blanko-Vordruck an die zuständige Gemeinde und/oder Gendarmerie Station geschickt, worin diese zu weiteren Erhebungen gebeten wurden.


Mit diesem extra erstellten Formblatt wurde den rund 20 Kameraden von Karl Gabriel nachgeforscht.

Betreff: Der Raubmord in Hinterkaifeck.
Jn der Nacht zum 1.April 1922 wurden auf dem Einödhof Hinterkaifeck Gemeinde Wangen, B.A. Schrobenhausen, sämtliche 6 Hofbewohner, darunter auch 2 Kinder im Alter von 9 bezw. 2 Jahren, in bestialischer Weise ermordet und beraubt. Siehe Sonderblatt des Bay.Pol.Bl.Nr.51 v. 8.4.22. Die Tat konnte bisher nicht aufgeklärt werden. Unter den Ermordeten war auch die Besitzerin des Anwesens, die Kriegerswitwe Viktoria Gabriel , deren Ehemann Karl Gabriel, geb.16.Dezember 1888 in Laag, als Ersatzreservist bei der 6.Komp. des Reserve-Jnfanterie-Regiments Nr.13 diente und am 12.Dezember 1914 bei Neuville Arras - Nordfrankreich, in Schützengrabenstellung gefallen und beerdigt ist.
Die Möglichkeit ist gegeben, daß die Tat von einem ehemaligen Angehörigen der 6.Komp. ausgeführt worden ist. Erfahrungsgemäß haben die Leute im Felde sich gegenseitig ihre Lebenserfahrungen, Vermögens= und Familienverhältnisse ausgetauscht und so kann es sein, daß ein ehemaliger Angehöriger dieses Truppenteils sich unter Berufung auf seine Kameradschaft mit dem Gefallenen Eingang in die Familie Gabriel verschafft, von deren Wohlhabenheit Kenntnis erlangt und die Tat dann ausgeführt hat. Nach den Erhebungen ist mit dem gefallenen Karl Gabriel am 8.Dezember 1914 zur 6.Komp. Res.,Inf.Regt. ins Feld abgestellt worden:


................................................................................................................ (Platzhalter für Name)

An d……. Stadtrat – Gendarmerie – ………….

……

Mit dem Ersuchen
1. Ob der vorgenannte ……………. Dort
bekannt ist und ermittelt werden kann, wenn ja
2. den Genannten zu hören, ob er den Karl Gabriel etwa schon vor Abstellung ins Feld beim Ersatz-Bataillon des Jnf.Reg.13 oder erst im Felde kennen lernte und wenn ja, wie sein Gruppenführer hieß
3. ob er die Ermordeten gekannt hat, wenn ja, auf welche Art und Weise er mit ihnen bekannt geworden und in Verkehr gekommen ist, und wer außerdem in der Familie noch verkehrt hat
4. ob er seinerzeit irgendwelche Wahrnehmungen gemacht hat, die möglicherweise mit dem Raubmord in Hinterkaifeck in Zusammenhang gebracht werden können, oder eventuell auf die Person des Täters schließen lassen.
Sollte es sich hier um eine bereits erheblich vorbestrafte, nicht in gutem Rufe stehende Person, oder um eine Person handeln, der man infolge seiner zur Zeit der Tat ungünstigen Vermögensverhältnisse eine solche Tat oder die Teilnahme an einer solchen Tat zutrauen kann, so wäre deren Aufenthalt in der kritischen Zeit und deren Verkehr mit zweifelhaften Personen einwandfrei festzustellen. Als Zeitpunkt für den Alibibeweis käme der 31.März und der 1.April 1922 in Frage.
Um tunlichste Beschleunigung wird ersucht.

I. A. und handschriftl. Unterschrift




Von den insgesamt 20 gelisteten und gesuchten Männern sind einige der handschriftlichen Überlieferungen ihrer Aussagen erhalten.


Besonders nennenswert ist hier die Angabe des Kameraden Sebastian Huber, der zusammen mit Karl Gabriel auf Posten war als dieser fiel. Auch der im Zuge dieser Recherchen ermittelte Alois Reitmeier erinnerte sich an Karl Gabriel und dass er nur wenige Tage nachdem er bei der Kompanie war fiel.

Beweise/Indizien für den Tod Karl Gabriels

Behördliche Dokumente und Informationen

  • Aufnahme in die Verlustliste (ein gewichtiger Punkt gegen die Fahnenflucht, die u. a. mit dem Tausch der Erkennungsmarke und des Soldbuches erklärt wird, ist dass die Verlustliste 134 für das Reserve Infanterie Regiment 13, 6. Kompanie, der königlich bayerischen Armee für den Dezember 1914 nur einen einzigen Gefallenen, nämlich Karl Gabriel, 12 Leicht- und Schwerverwundete und keinen vermissten Soldaten zeigt. Sprich es hätte sich da gar keine Möglichkeit des Identitätsdiebstahls geboten)
  • Sterbebild
  • Todesanzeige
  • Witwenrente
  • Grabstein/Gedenktafel
  • Nachlass den Erbfall Karl Gabrel betreffend

Aussagen von Augen- und Zeitzeugen für den Tod Karl Gabriels

Josef Brunner An den Karl Gabriel kann ich mich noch ganz gut erinnern. Er war Ersatzreservist, wird wahrscheinlich erst Anfangs Dezember ins Feld gekommen sein u. am 12.12.1914 kam er in meinen Zug. Vormittags gegen 10 Uhr gingen wir in Stellung u. um 12 Uhr ist er schon gefallen, ihn hat eine Mine getötet. Seinen Tod habe ich dem Feldwebel gemeldet u. deshalb ist mir der Name noch im Gedächtnis. Er befand sich sohin bloß 2 Stunden in meinem Zug.
Nikolaus Haas Als wir nach einigen Tagen aus der Stellung kamen, ging ich wieder zu Gabriel. Von Seiten der Kameraden habe ich erfahren, dass er gefallen ist. Sie erzählten, dass er durch eine Gewehrgranate getötet wurde. Er soll auf Horchposten gesessen haben. Wir ließen uns die Leiche zeigen. Das Gesicht war nicht gerade entstellt. Ich weiß sicher, dass es Karl Gabriel gewesen ist.
Josef Bichler Als wir einige Tage später abgelöst wurden, haben mir Kameraden von Gabriel erzählt, dass er am Abend des 13. Dezember, kaum dass die Kompanie in Stellung gegangen war, gefallen ist. Von wem ich dies erfuhr, weiß ich nicht mehr. Sie sagten nur, dass Karl durch einen Minenschuß sofort getötet worden ist. Gabriel muss außerhalb des Schützengrabens auf Beobachterposten gewesen sein. Es dürfte der 16. oder 17. Dezember gewesen sein, als ich von seinem Tod hörte. Am 25. Dezember ging ich am frühen Nachmittag zur 6. Kompanie hinüber, um mir Näheres über den Tod meines Schulfreundes erzählen zu lassen.
Alois Reitmeier Er ist gleich, nachdem er nur einige Tage bei der Kompanie gewesen sein wird gefallen.
Sebastian Huber Am 11.12.14 seien sie in Nordfrankreich angekommen und am 12.12. abends habe er mit Gabriel auf Posten vorgehen müssen. In dieser Nacht 12./13.12. sei der Gabriel gleich gefallen

Spätere Sichtungen von Karl Gabriel (nach seinem Tod)

Hausfelder Begegnung

Lorenz Hausfelder wurde 1951 als damals 80-Jähriger zum Mordfall Hinterkaifeck vernommen. Im Rahmen der polizeilichen Vernehmung hat er angegeben, dass er 1917 einen ihm nicht bekannten Soldaten anlässlich eines Heimaturlaubs auf dem Bahnhof in Pfaffenhofen getroffen habe. Dieser habe sich als Gabriel von Hinterkaifeck vorgestellt. Er habe ihm gegenüber erwähnt, dass es ihm zu Hause nicht gefallen habe. Eine weitere Begegnung habe es nicht gegeben.
Therese Großböhme hat im April 1999 dem Donau-Kurier mitgeteilt, dass ein Lorenz Hausfelder ihr mitgeteilt habe, dass dieser 1918 und 1926 eine Begegnung mit Karl Gabriel in Pfaffenhofen gehabt habe. 1918 habe Gabriel ihm ein fremdes Soldbuch gezeigt und 1926 habe Gabriel erklärt, der Mörder von Hinterkaifeck zu sein. Sie habe dieses Geheimnis seit 60 Jahren mit sich herumgetragen und wolle dieses nun veröffentlichen. Der Bericht erschien am 15.04.1999 im Donaukurier.

Eser Begegnung

Matthäus Eser will Karl Gabriel 1945 begegnet sein.

Nach dem Krieg sei er am 24.5.1945 als Mitglied der 71.Inf.Div. von Russen während des Rückzugs gefangen genommen worden und dann habe ihn ein russischer Kommissar, der sich als Mörder von Hinterkaifeck bezeichnet habe, entlassen, als er ihm erzählt habe, dass er aus Waidhofen kommt und Hinterkaifeck kennt, so dass er nach Hause zurückkehren konnte. Während einer Vernehmung durch Staatsanwalt Popp Ende November 1951 erklärte Eser, dass er alles, was er über Hinterkaifeck erzählt habe, erfunden habe.


gesetzliche Bestimmungen

Es gab natürlich auch in der Heer- und Wehrordnung und den Armee-Verordnungsblättern Bestimmungen, was das Procedere bei Todesfällen betraf.


I. Sterbefälle.


a) Zur Feststellung der Persönlichkeit Verstorbener dienen die Erkennungsmarken (neue Ausführung derselben s. A.V.Bl. 17, S. 462) und die Soldbücher. Zur Verbesserung des Erkennungsdienstes ist befohlen worden, daß Offiziere, Unteroffiziere und Mannschaften ihren Namen und letzten Wohnort (aber nicht Bezeichnung des Truppenteils) in möglichst viele, ihnen gehörige Gegenstände einzuschreiben, einzuheften oder bei metallenen Gegenständen wie Uhren einzukratzen haben. (A.V.Bl. 17, S. 30) Die Erkennungsmarke ist nach Ziff. 479 der Felddienstordnung um den Hals zu tragen, das Soldbuch hat nach dem Erlaß des K.M. vom 29.1.1915 (A.V.Bl. 15, S. 56) jeder Mann stets bei sich zu tragen. Hiernach ist also bei einem Toten sofort an dem Halse nach der Erkennungsmarke und in den Taschen nach dem Soldbuche zu suchen.


Sind beides, Erkennungsmarke und Soldbuch, nicht mehr vorhanden oder ist es wahrscheinlich, daß beides vertauscht worden oder in unrichtige Hände gelangt ist, so sind glaubhafte Zeugen herbeizuschaffen, diese über die Persönlichkeit des Toten zu hören und so — möglichst unter Aufnahme einer zweckentsprechenden Personenbeschreibung — die Person des Toten festzustellen. Sind auch keine glaubhaften Zeugen vorhanden, so ist bei dem Toten nach Papieren, besonderen Merkmalen und dgl. zu suchen und, wenn angängig, eine zweck entsprechende Personenbeschreibung aufzunehmen. Hier kommen alle möglichen Urkunden, persönliche Briefe, Briefadressen, Feldpostkarten, Photographien mit Aufschriften, Namen und Stempel in den Bekleidungsstücken, Brillenfutteralen. Tätowierungen an Hand, Arm, Brust, Verluste von Gliedern, Zähnen in Frage. Die Personbeschreibung würde dahin gehen, wie groß, alt ungefähr der Tote ist, die Körperentwicklung, Kopfhaar, Gesichtsbildung, Haarfarbe, Zähne (ob vollständig, welche Zähne fehlen). Bart, Tätowierungen am Körper, Verlust von Gliedern usw.


Ist keine Feststellung möglich, so ist der Unbekannte nach Möglichkeit zu photographieren. Die Photographien sind mit genauer Personalbeschreibung dem Zentral-Nachweise-Bureau des Kriegsministeriums einzureichen, das weitere Nachforschungen anstellt. Von Zeit zu Zeit werden die noch nicht ermittelten photographierten Unbekannten durch Bildertafeln veröffentlicht. Den Truppen und Behörden gehen diese Tafeln mit dem A.V.Bl. zu, die Ortspolizeibehörden erhalten sie durch die Vermittelung des stellvertretenden Generalkommandos. Bei den genannten Stellen können diese Bildertafeln eingesehen werden, käuflich sind sie nicht.


b) Die Persönlichkeit vermißter oder in Feindesland geratener Toter wird durch beglaubigte schriftliche Nachweise oder durch protokollarische Vernehmung unzweifelhaft glaubwürdiger Zeugen festgestellt. Die aus dem Auslande eingehenden „Totenlisten" gelten nicht als genügende Unterlage für die standesamtliche Beurkundung des Todes. Eine Sterbefallanzeige ist also nicht einzureichen, indessen ist ein entsprechender Vermerk in die Kriegsstammrolle zu machen. Die vom Zentral-Nachweise-Bureau vorgenommene Veröffentlichung in der Verlustliste auf Grund dieser Totenliste erfolgen mit dem Zusatz „A.N.“ (Auslandsnachricht). Eine Meldung ist vom Truppenteil nicht zu erstatten. Beurkundungen über in Feindesland Gestorbene dürfen nur auf Grund von Auslands-Urkunden vorgenommen werden, nachdem sie vom Truppenteil bestätigt sind.


c) Verantwortlich für diese Feststellungen ist der Zahlmeister der Sanitätskompagnie oder der vom Kommandeur dieser Kompagnie im Einvernehmen mit dem Chefarzt ernannte Vertreter (K.S.O. 152). Er führt zu diesem Zwecke eine Totenliste, für deren Richtigkeit er einzustehen hat. Diese enthält Vor- und Familiennamen — oder die Angaben der Erkennungsmarke — des Gestorbenen, Art der Verwundung und Todesursache.


d) Ist ein Heeresangehöriger gerichtlich für tot erklärt worden (siehe III.) und wird nachträglich der Tod durch Auffindung der Leiche beim Umbetten oder durch protokollarische Vernehmung oder auf eine andere einwandsfreie Weise festgestellt, so reicht die Truppe trotz des gerichtlichen Urteils, das ja nur die Vermutung des Todes ausspricht, die vorgeschriebene Sterbefallanzeige ein.


II. Verfahren bei Sterbefällen.


….

Sonstiges

  • Karl Gabriel kann über die Verlustlisten gefunden werden
  • Karl Gabriel ist namentlich auf der Gedenktafel des dt. Soldatenfriedhofs in Saint-Laurent-Blangy gelistet. Der User @Dew konnte dort Vorort Fotos machen.

Quellen

Hauptmann Schmidt Die Kriegsstammrolle und ihre Führung (1918) S.30-32 ]