Sachverhalte: Der Inzest
Inzest auf Hinterkaifeck
Mind. seit ihrem 16. Geburtstag wird Viktoria von ihrem Vater missbraucht. Inwiefern diesem Inzest Freiwilligkeit unterliegt und wie sich das Verhältnis zwischen den Beiden gestaltete, ist nicht bekannt und bietet die Grundlage vieler Spekulationen.
Sicher ist, dass die Beiden 1915 wegen des Inzests verurteilt wurden, Andreas Gruber zu 1 Jahr Zuchthaus, Viktoria zu 1 Monat, wobei nicht klar ist, ob sie ihre Strafe verbüßen musste. Immerhin war sie erst im Januar 1915 Mutter geworden und hatte ein Kind und einen Hof zu versorgen, auch und gerade in Andreas Abwesenheit.
Die Personen
Die Mutter
Cäzilia war zum Zeitpunkt von Viktorias 16. Geburtstag 54 Jahre alt. Von ihr und ihrer Beziehung zu Andreas Gruber ist nichts bekannt. Die familiären Verflechtungen waren nie vordergründiger Gegenstand der Ermittlungen. Man ist versucht, die Frau Gruber als passive, untergeordnete Person des Haushalts zu sehen, wobei das ihrer Position als die ehemalige alleinige Hofbesitzerin sicher nicht gerecht wird.
Ob sie oder ihre Tochter Viktoria kurz vor der Tat nach Prügeln durch Andreas Gruber davongelaufen ist, darüber gibt es unterschiedliche Aussagen.
Der Vater
Andreas Gruber wird als sehr groß und kräftig beschrieben, auch im Alter von über 60 noch.
Als der Missbrauch an seiner Tochter begann, war er 45 Jahre alt.
Es sind mind. 2 Fälle bekannt, in denen er mit einem Gewehr oder einer Mistgabel auf andere Leute los ging. Die Einbruchspuren kurz vor der Tat jedenfalls flössten ihm keine Angst ein, er fühlte sich wohl stark genug, sich und seine Familie beschützen zu können. Ein gewisser Jähzorn und Gewalttätigkeit lassen sich zumindest erahnen.
Die Tochter
Viktoria wird als hübsche und selbstbewußte Frau beschrieben. Sie war Erste Sängerin im Kirchenchor in Waidhofen und hatte als alleinstehende Hofbesitzerin eine privilegierte Rolle, weil sie selbst entscheiden konnte. Gerüchte besagen, die Viktoria sei dem männlichen Geschlecht nicht abgeneigt gewesen. Sicher sagen kann man aber nur, dass allein in den Ermittlungen mind. 3 Männer auftauchen, die angeblich gerne eine Verbindung mit Viktoria eingegangen wären.
Pro
Erste Anklage (1907 - 1910)
Gemäß Urteil des Landgerichts Neuburg/Donau vom 28.5.1915 wurden Viktoria Gabriel und Andreas Gruber wegen Blutschande im Zeitraum von 1907 bis Sommer 1910 verurteilt und zwar wurde Viktoria zu einem Monat Gefängnis und Andreas Gruber zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt. Es ist nicht bekannt, wer das Strafverfahren durch eine Anzeige in Gang gebracht hat. Aus dem Aktenzeichen 105/15 ist zu entnehmen, dass die Strafanzeige Anfang des Jahres 1915 erstattet worden sein muss.
[Weitere Infos: Detailseite zum Prozess]
Zweiter Anklage(1919)
Gemäß Anzeige des Lorenz Schlittenbauer vom 10.9.1919 soll Viktoria Gabriel auch 1918/1919 wieder Geschlechtsverkehr mit ihrem Vater gehabt haben. Seine Anzeige begründete er damit, dass sie es ihm selbst erzählt habe. Viktoria Gabriel und Andreas Gruber wurden deshalb am 31.12.1919 erneut wegen Blutschande angeklagt. Im Zeitraum vom 13.9.1919 bis ca.25.9.1919 saß Andreas Gruber wegen dieses Vorwurfs auch in Untersuchungshaft. Im Strafverfahren vor dem Landgericht Neuburg wurden sie 1920 jedoch freigesprochen.
Die Magd Kreszenz Rieger hat bei ihrer polizeilichen Vernehmung 1922 angegeben, sie habe gesehen, dass Andreas Gruber und seine Tochter während ihrer Anwesenheit im Sommer 1921 im Heu Geschlechtsverkehr hatten.
Der Zeuge Michael Pöll hat bei seiner polizeilichen Vernehmung am 5.4.1922 angegeben, dass es im Umkreis bekannt gewesen sei, dass Viktoria Gabriel und ihr Vater Andreas Gruber ”in geschlechtlicher Beziehung” standen.
Im Hinterkaifeckfilm von 1991 erzählt Viktoria Baum, sie selbst hätte einmal gesehen, wie der Andreas die Viktoria "vom Heuwagen herunterzog" "weil er es mal wieder brauchte". Diese Aussage hat keinen offiziellen Charakter und ist nie in den Akten gelandet.
Die Strafakten des Landgerichts Neuburg wurden unter den Aktenzeichen 105/15 bzw. 9/1920 geführt.
[Weitere Infos: Detailseite zum Prozess]
Kontra
Während die erste Anklage in einer Verurteilung mündete, wurde die zweite Klage abgewiesen. Ohne eindeutige Beweise und mit einem wankelmütigen Anzeiger war es der Staatsanwaltschaft nicht gelungen, die Vorwürfe zu verifizieren.
Offene Fragen/Bemerkungen
Bislang sind weder die Akten zu dem ersten Prozess noch zu der späteren Ermittlung bekannt.
Warum im ersten Fall eine Verurteilung für so einen begrenzten Zeitraum stattfand und worauf sie basierte ist ebenso unklar, wie die Frage, wer 1915 die Ermittlungen ins Rollen gebracht hat.
Für die zweite Anzeige 1919 spielten bei Lorenz Schlittenbauer eigene Interessen eine Rolle, zudem zeigte er sich durch mehrmaliges Aussprechen und Zurückziehen der Anzeige nicht gerade als zuverlässiger Zeuge. Ob also der Inzest nach 1910 weiter andauerte oder ob die späteren Zeugen falsche Aussagen machten, ist ebenfalls offen. Kann Inzest denn einfach so abbrechen oder sind die menschlichen Verflechtungen zu stark? Immerhin gibt es keine Hinweise darauf, dass Andreas und Viktoria für längere Zeit räumlich getrennt waren, ausgenommen seinen Zuchthausaufenhalt ab 1915.
Quellen/Herkunft
In dem Buch von T. Hommen können Sie sich über den damaligen Umgang mit Sittlichkeitsverbrechen informieren.