Hintergründe zu dem Tatverdächtigen Lorenz Schlittenbauer

Im nachfolgenden Text wird der Name Lorenz Schlittenbauer mit "LS" abgekürzt.
LS hatte nach eigenen Angaben fünf Mal Geschlechtsverkehr mit Viktoria Gabriel. Die Affaire begann etwa zwei Wochen nach dem Tod seiner ersten Frau, Viktoria Schlittenbauer. Viktoria Gabriel wurde schwanger.

Als sie den mutmasslichen Vater Lorenz Schlittenbauer informierte, äusserte Schlittenbauer Zweifel an der Vaterschaft. Er hatte den Verdacht, dass auch der Vater von Viktoria, Andreas Gruber, als Vater in Frage kommen könnte. Unbegründet war dieser Verdacht nicht, denn Viktoria und Gruber wurden 1915 wegen Inzest verurteilt.

Viktoria soll ihm erwiedert haben: "Das ist das Beste, was ich sagen konnte, Vater Du bist auch dabei, sonst tät er mich erschlagen".

Lorenz hatte beim alten Gruber um die Hand seiner Tochter angehalten, er wollte Vikroria heiraten. Erst stimmte Gruber zu, kurze Zeit später soll er es zurück genommen haben. Schlittenbauer führte dies auf die Tatsache zurück, dass ihm die Forderung, die er gestellt hatte, nicht gefielen. Schlittenbauer bestand darauf, dass er nicht mehr mit seiner Tochter schlafen könne, das duldet er als gläubiger Mensch nicht.

Nachdem Josef Gruber geboren wurde, gab man Lorenz Schlittenbauer als Vater an. Schlittenbauer lehnte ab und zeigte Gruber wegen Blutschande an. Es ist nicht bekannt, ob er Viktoria auch angezeigt hatte, da nur Gruber aufgrund der Anzeige in Untersuchungshaft kam.

Viktoria Gabriel soll ihn dann bekniet haben, die Vaterschaft von Josef zu übernehmen. Sie würde ihm auch das Geld "vorschiessen", sodass er es ihr zurück geben kann. Damit hatte er keine Ausgaben für Josef. Auch eine Heirat soll ihm wieder versprochen worden sein. So könnte die Situation aus der Aussage von LS zu deuten sein. LS nahm die Anzeige zurück und übernahm die Vaterschaft für Josef. Er machte eine Einmalzahlung (was zu dieser Zeit nichts ungwöhnliches war) über 1800 Mark. Viktoria soll ihm 2000 Mark in bar und Wertpapiere über 3000 Mark gegeben haben. Nach festlegung der Summe habe er das restliche Geld und die geldwerten Papier zurück gegeben.

Es muss nun zu einem Vorfall gekommen sein, der nicht bekannt ist, denn LS zeigte Gruber erneut an. Ob Viktoria auch angezeigt wurde ist nicht bekannt. Die Polizei glaubte ihm nicht, da es schon das zweite Mal gewesen ist. LS machte aber seine Aussage unter Eid und so erhob die Staatsanwaltschaft am 31.12.1919 Klage.

Der Prozess im Mai 1920 brachte keinen erneuten Inzest ans Tageslicht und Gruber sowei Viktoria wurde/n frei gesprochen. Es heisst, LS hätte wiedersprüchliche Aussagen gemacht. Da Gruber keine Haftentschädigung bekommen hatte, ist es naheliegend, dass es ein Freispruch aus Mangel an Beweisen war.

Die Familie war zerstritten, was sich aber laut LS mit der Zeit wieder gegeben hatte. Er habe wieder mit dem Gruber gesprochen.

Verdachtsmoment Auffindung

LS gehörte zu den Auffindzeugen. Die beiden anderen Auffindzeugen Sigl und Pöll sollen nach dem Anblick der Toten im Stadl auf den Hof geflohen sein und LS sei mit den Worten: "Wo mag denn dann mein Buberl sein" ohne Angst weiter ins Haus gegangen.

Pro

LS musste keine Angst davor haben, weiter ins Haus zu gehen. Da es als Täter wusste, dass niemand mehr da ist.

Kontra

LS dachte nur noch an Josef und war sich einer Gefahr nicht bewusst.

Verdachtsmoment Fahrt nach Schrobenhausen

Es gibt ein Gerücht, dass Andreas Schwaiger Anfang der 50ziger Jahre aufgebracht hatte. Angeblich hätte er es von Dritten erfahren: Viktoria soll mit Thomas Schwaiger in dessen Fuhrwerk nach Schrobenhausen gefahren sein, um dort "reinen Tisch zu machen". Etwa zur gleichen Zeit erschien im Schrobenhausener Wochenblatt ein Bericht, in dem ein Gerichtsurteil erläutert wurde. Eine alleinerziehende Mutter hatte aufgrund der eingetretenen Inflation mehr Unterhalt für ihr Kind eingeklagt. Ihrer Klage wurde statt gegeben. Schwaiger gibt an, dass auch Viktoria sich dazu durchgerungen hatte, weitere Alimente von LS für Josef zu fordern.

Pro

Es ist nie geklärt worden, warum Viktoria in Schrobenhausen war. Die Aussage von Schwaiger wurde somit nie wiederlegt.

Kontra

  • Es ist nie etwas öffentlich geworden. Es stellt sich die Frage, ob ein Beamter bei Gericht oder ein Anwalt sich nach den Morden gemeldet hätte, wenn Viktoria tatsächlich vorstellig geworden wäre. Ein solches Vorgehen von Viktoria könnte das Motiv sein.
  • Wenn Viktoria tatsächlich die Alimente vorgeschossen hatte, wäre das ein ziemlich dreister Schritt. Es ist auch fraglich, ob die Vereinbarung zur Alimentenzahlung im Prozess 1920 zur Sprache kam. Wenn, hätte Viktoria keine Aussicht auf Erfolg gehabt und hinter ihrem Rücken wäre wohl getuschelt worden "erst schiesst sie das Geld vor und jetzt will sie doch Geld von LS, Bereicherung auf eine übele Art und Weise"...

Verdachtsmoment Vorgehen am Tatort

LS wäre dann sehr arbeitsam gewesen. Hätte das Vieh gefüttert, zwei stark geschwächte Ferkel zu seinem Hof gebracht, die Stall sauber gemacht und aufgeräumt. Nach eigenen Angaben wollte er nur helfen. Sein Verhalten am Auffindtag und in den Tagen danach sei seltsam gewesen.

Pro

  • Als Täter muss er sich in einer ungemeinen Stresssituation befunden haben, die ein "komisches" Verhalten begründen würde.
  • Das "sich unentbehrlich zeigen" könnte eine bewusste Massnahme gewesen sein, um das Geschehen so gut wie möglich mitzubekommen und ev. entsprechend zu reagieren oder dagegen zusteuern.

Kontra

Die Tatsache, dass er Menschen tot aufgefunden hatte, die er schon sehr lange kannte, kann zu einem solchen Verhalten geführt haben.

Verdachtsmoment Spuren beseitigen

Um Spuren zu verwischen hätte LS habe sauber gemacht und die Schaulustigen ins Anwesen gelassen.

Pro

Sein Vorgehen wäre eine gute Massnahmen gewesen, um Spuren zu beseitigen.

Kontra

  • Er hatte vier Tage Zeit die Spuren zu verwischen, warum also bis zur Auffindung warten und ein Risiko eingehen?
  • Nachdem die Gendarmen Plank und Georg Goldhofer zusammen mit dem Bürgermeister aus Wangen Greger am Tatort eingetroffen waren, schafften sie es nicht, das Anwesen zu räumen. Erst durch Verstärkung der Gendarmerie Schrobenhausen wurde das Anwesen geräumt.

Verdachtsmoment Haustürschlüssel

Gruber gab an, dass ihm der Haustürschlüssel abhanden gekommen sei. Am Auffindtag schliesst LS die Haustür von innen auf, um Sigl und Pöll ins Haus zu lassen.

Pro

Er hatte den Schlüssel bei sich und ihn bei den Tatvorbereitugnen entwendet.

Kontra

  • Wenn es so gewesen wäre, hätte sich LS mit der Aussage, er sei sicher, dass es keinen zweiten Schlüssel gab, selbst belastet. Nicht zu wissen, wieviele Schlüssel es gab oder gar anzugeben, es gäbe ganz sicher zwei Schlüssel hätte ihm mehr gedient.
  • Wie soll LS in den Besitz des Schlüssels gekommen sein?

Verdachtsmoment Aussage

Während eines Verhörs sagte LS im Bezug auf die Morde "Da hatte der Herrgott die Hand am rechten Fleck". Hierbei spiegelt sich die starke Abneigung gegenüber den HKlern.

Pro

LS äussert, vielleicht sogar etwas unbewusst, wie tief seine Abneigung der Familien gegenüber war.

Kontra

  • Es handelt sich um einen Satz, der sich zwar makaber anhört, dennoch eine allgemeine Redewendung ist.
  • LS bezieht es auf seine privaten Auseinnadersetzungen mit der Familie und auch auf die Umstände, die in der Familie herrschten oder geherrscht haben (z.B. den Inzest).

Verdachtsmoment Reuthaue

Als man den Hof abgerissen hatte, fand man die Reuthaue im Fehlboden. Schwaiger gab in seiner Aussage 1980 an, dass LS die Haue angeblich als die Seine identifiziert habe und sie zurück haben wollte. LS meinte, Gruber hätte sie ihm gestohlen. Beide Familien haben ein Waldstück, dass aneinander grenzt. Am Abend wird das Werkzeug vergraben / versteckt um einen Tag später wieder damit arbeiten zu können, ohne es rumtragen zu müssen.

Pro

  • LS könnte als Mörder die Tatwaffe mitgebracht haben.
  • LS machte diese Aussage, weil er Angst vor Fingerabdrücken auf der Haue hatte.

Kontra

  • Wenn sie LS gehörte hätte, hätte er vor dem Abriss dafür sorgen können, dass sie verschwindet.
  • Schwaiger erwähnt weder in seiner Aussage 1922 noch in der aus den 50ziger Jahre etwas über die Eigentumsverhältnisse. Neben der "Reuthauensache" erläutert er weitere Dinge, die nicht der Wahrheit entsprochen hatten.

Verdachtsmoment Rückzahlung der Alimente

  • Ein weiters Gerücht besagt, dass LS nach der Tat die gezahlten Alimente zurück haben wollte.

Pro

  • LS zeigt damit, wie unwichtig ihm diese Sache ist und er seinen Schwerpunkt auf den gezahlten Alimente legt.
  • Wenn Viktoria ihm tatsächlich die Alimente vorgeschossen hatte, hätte sich LS mit dem Geld dreist und makaber bereichert.

Kontra

  • LS könnte gedacht haben, dass Josef mit dem Geld nicht mehr lebendig wird und er es ja schliesslich für seinen Sohn gezahlt hat und nicht für die Erben.
  • Wenn er das Geld nie aus eigener Tasche bezahlt hat, hätte er im Nachhinnein noch eine kleine Entschädigung für seine Scherereien bekommen/haben wollen.

Verdachtsmoment Alibi

Während eines Verhörs 1930 hat man ihm vorgehalten, dass er angeblich in der Tatnacht auf Heuwache war, allein. Man hätte es von seiner Frau Anna erfahren. LS zeigt sich entrüstet und behauptet, es sei nicht wahr. Er wäre bei seiner Frau gewesen.

Pro

Er hat kein Alibi

Kontra

Das fehlende Alibi wird später nicht mehr erwähnt. Ein Grund dafür könnte sein, dass man Anna Schlittenbauer mit den Angaben des Zeugen konfrontiert hatte und sich dabei ein Missverständnis zu Gunsten von LS aufgeklärt hat.

Verdachtsmoment häusliche Gegebenheiten

LS kannte sich im Wohnhaus des Hinterkaifeckerhofes gut aus. Dieser Umstand wird häufig bei dem oder den Tätern vermutet.

Pro

Damit würde LS ein Kriterium (wenn es auch nur hypotetisch ist) erfüllen.

Kontra

Nicht nur LS kannte sich im Anwesen aus.

Verdachtsmoment Verdächtigungen

LS wird über die Jahre hinweg immer wieder von verschiedenen Personen verdächtig. Auch die Polizei erfährt von den Vorwürfen und Verdächtigungen. Es wird eine "Sonderakte Schlittenbauer" angelegt.

Pro

Soviele "Zeugen" können sich nicht alle irren.

Kontra

LS wird immer wieder verdächtigt, weil keine Person gefunden wird, die ein Motiv hatte und gar als Täter dingfest gemacht werden konnte. Deshalb sieht man in LS den Verdächtigen, der ein starkes Motiv (verschmähte Liebe, gekränkter Stolz, ein Kind von dem er nicht weiss, von wem es ist, usw.) hat. Die Tatsache, dass man keinen Mörder finden konnte, bedeutet nicht zwangsläufig, dass es keine weitere Personen gab.

Verdachtsmoment Aussage im Wirtshaus

Bei einer Diskussion im Wirtshaus zu den Fussspuren, die zum Hof hinführten, aber nicht mehr weg, soll sich LS verraten haben. Er soll gesagt haben: "Dann bin ich da arschlinks wieder raus."

Pro

Der Satz in der "Ich-Form" zeigt auf ihn als den Spurenverursacher hin.

Kontra

Ev. wollte LS nur erklären, wie soetwas von statten gehen kann, ohne das Einbrecher auf dem Hof verweilen. Er formulierte den Satz so um zu veranschaulichen, wie er es gemacht hätte, wenn die fehlenden Spuren absichtlich ausbleiben sollten.

Was spricht noch für LS als Täter

  • Er nannte die Summe von 100.000 Mark, die angeblich im Haus gewesen sein soll. Woher weiss er das so genau?
  • Die verschmähte Liebe und Zurückweisung hat ihn über fast drei Jahre gequält und an diesem Abend eskallierte die Situation. Es muss nicht unmittelbar mit den Hklern im Zusammenhang stehen. Auch der Tod seiner kleinen Tochter Tage zuvor könnte einen Kurzschluss verursacht haben.
  • Aufgrund der räumlichen Nähe zum Hof wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, immer mal wieder zu Hof zu gehen, um Spuren zu verwischen, Papiere zu suchen oder das Vieh zu füttern.
  • Er versteckt die Reuthaue im Fehlboden, da er sie ja nicht mit nach Hause nehmen konnte, auch ein Entsorgen hätte sich für ihn schwierig gestaltet.
  • LS könnte Sigl und Pöll aus Berechnung gebeten haben mitzukommen.

Was spricht gegen LS als Täter

  • LS hatte Asthma. Wäre er einer solchen Tat mit diesem Kraftaufwand und dem psychischen Druck gewachsen gewesen ohne einen Anfall zu bekommen?
  • Der Einruchsversuch und die Fussspuren in der Nacht zuvor hätten mit der Tat nichts zu tun.
  • Die Münchner Zeitung am Waldrand, für die sich Gruber interessierte, hätte nichts mit der Tat zu tun.
  • Der Zeuge, der Rauch im Kamin gesehen haben will und von einem Mann mit einer Taschenlampe geblendet worden sein soll, wäre frei erfunden.
  • Die nächtliche Suche nach Cäzilia Gruber / Viktoria Gabriel stände mit der Tat in keinen Zusammenhang.