Der Generalstaatsanwalt. Breslau, den 1. Dezember 1921
3 I 1821 (10)
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Betrifft angebliche Straftaten von
Mitgliedern der Nachrichtenzentrale
Oberland.
Anlagen: Der Auftrag nebst dessen
Anlage
Die angeordnete Prüfung hat folgendes Ergebnis gehabt:
Zu dem in Absatz 1 der Veröffentlichung der Nr.489 der "Roten Fahne" vom 25. Oktober 1921 erwähnten Vorgange hat der Oberstaatsanwalt in Oppeln folgenden Bericht der Polizeiverwaltung in Krappitz vom 15.d.Mts. eingereicht.:
"Der Hotelbesitzer Wilhelm Walenczyk ist mit seiner Familie am 1.Oktober 1020 (sic!) hier zugezogen. Er lebte mit seiner zweiten Ehefrau Johanna geb. Stania dauernd in Unfrieden; Zank,Streit und gegenseitige Prügelei waren an der Tagesordnung. Während des Polenaufstandes wurde Walenczyk als angeblicher Pole Mitte Mai cr. durch Apo=Beamte festgenommen und. nach Cottbus gebracht. Als er nach ca.6 Wochen von dort zurückgekehrt ist, erfolgte wiederum seine Verhaftung. Nach 24 Stunden wurde er mit dem Bemerken entlassen er könne sich bis auf weiteres bei seiner Familie aufhalten. Als ihm von seinen Bekannten geraten wurde, Krappitz zu verlassen und nach Polen zu flüchten, entschloß er sich Ende Juni cr. nach Polen zu reisen.
Als er eines Tages in Begleitung seiner Frau in einer Droschke nach der Bahnstation Gogolin fuhr, um sodann von dort weiter zu reisen, wurde der Wagen von einem Bayer angehalten und Walenczyk von diesem festgenommen.
Nach Angabe der Frau Walenczyk erschienen bald darauf 6 Mann in ihrem Hotel, durchsuchten dasselbe und nahmen eine Damenuhr und mehrere Tausend Mark mit. Angeblich waren diese Männer sowie auch der, der der Walenczyk festgenommen hatte, der Frau Walenczyk nicht bekannt.
Seit diesem Tage wird p. Walenczyk vermißt. Ob er tatsächlich nicht mehr am Leben ist, hat in der Zwischenzeit hier nicht festgestellt werden können. W. hat in dieser Zeit von sich nichts hören lassen. Laut Melderegister ist W. am 21. Juni 1921 nach Posen abgemeldet.
In dieser Angelegenheit haben vor ca..2 Monaten Ermittelungen stattgefunden. Das Ermittelungsergebnis befindet sich beim Kreiskontrolleur in Oppeln. Frau Walenczyk hat das Hotelgrundstück verkauft und beabsichtigt, nach Mainz, Rheinland zu verziehen.
Über die Angelegenheit war bis zum Eingange des dem Oberstaatsanwalt in Oppeln von mir zugefertigten Auszuges aus der Veröffentlienung dort nichts bekannt. Das Ermitteltelungsverfahren ist nunmehr eingeleitet. Der Oberstaatsanwalt in Oppeln will versuchen, Einsicht in die Vorgänge des Kreiskontrolleurs zu erhalten und wird nach Beendigung des Verfahrens weiter Bericht erstatten.
Über den in Absatz 2 der Veröffentlichung erwähnten Fall hatte ich Herrn Generalstaatsanwalt Reinecke durch persönliches Schreiben um Auskunft gebeten. Darauf erwiderte er, „daß er nicht in der Lage sei, sich zu dem Falle anders als auf dem für das Abstimmungsgebiet vorgesehenen Weg, d. h. als Leiter der Staatsanwaltschaft Ratibor über Oppeln Justizdepartement, zu äußern; bei unmittelbarer Äußerung setze er sich bei Bekanntwerden dieser Tatsache bei der - interalliierten Kommission Unannehmlichkeiten aus."
Da dieser Weg mir,- ebenso wie Herrn Generalstaatsanwalt Reinecke selbst -, in derartigen Sachen nicht angezeigt erscheint, habe ich von einer erneuten Anfrage abgesehen.
In Vertretung.
handschriftl. unterschrieben
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