Was

Der Augenschein ist ein anerkannter Beleg im Beweisrecht, dessen Ziel es ist, dem Gericht eine unmittelbare Wahrnehmung von Zuständen, Umständen oder Eigenschaften zu vermitteln. Unter die Augenscheinnahme fällt jede eigene unmittelbare sinnliche Wahrnehmung, sei es durch eigenes Sehen, Hören, Riechen, Schmecken oder Fühlen der das Gericht repräsentierenden Richter.

Der richterliche Augenschein ist im § 86 der Strafprozessordnung näher beschrieben, hier in der gültigen Fassung von 1922:

§ 86. Findet die Einnahme eines richterlichen Augenscheins statt, so ist im Protokolle der vorgefundene Sachbestand festzustellen und darüber Auskunft zu geben, welche Spuren oder Merkmale, deren Vorhandensein nach der besonderen Beschaffenheit des Falles vermuthet werden konnte, gefehlt haben.


In der Enzyklopädie der Rechtswissenschaft ist der gerichtliche Augenschein genauer beschrieben.

Richterlicher Augenschein- . Das Beweismittel ist das Augenscheinsobjekt. Die Einnahme des Augenscheins ist die Beweisaufnahme in Bezug auf dieses Beweismittel. Dieselbe erfolgt, wenn der Richter in seiner Eigenschaft als Richter eine Thatsache wahrnimmt , durch welche direkt oder indirekt der strafrechtliche Anspruch mit begründet wird . Noch während des Verfahrens vor dem erkennenden Richter kann zur Einnahme des Augenscheins Veranlassung gegeben werden. Strafprozeßordnung § 243 Abs. 2 ermöglicht es sogar , daß zu diesem Zwecke - mag nun die Augenscheinseinnahme durch einen beauftragten oder ersuchten Richter oder das erkennende Gericht selbst vorgenommen werden eine Aussetzung der Hauptverhandlung beschlossen werden kann. Meistenteils wird jedoch diejenige Thatsache, um deren Wahrnehmung es sich handelt, nur wahrgenommen werden können, wenn die Wahrnehmung möglichst bald nach der Begehung des Verbrechens erfolgt. Die Einnahme des richterlichen Augenscheins wird demnach vorzugweise in dem die Erhebung der öffentlichen Klage vorbereitenden Verfahren von dem Amtsrichter oder während der Voruntersuchung von dem Untersuchungsrichter vorzunehmen sein. Die Protokolle über die Einnahme des richterlichen Augenscheins , gleichviel wann die Augenscheinseinnahme stattgefunden hat (vergl. Strafprozeßordnung §§ 162. 191. 224. 186), werden in der Hauptverhandlung verlesen (Strafprozeßordnung § 248) . Es vermittelt somit dieses Protokoll dem erkennenden Richter dasjenige, was der den Augenschein einnehmende Richter selbst wahrgenommen hat; es ist dasselbe eine öffentliche Urkunde , in welcher bezeugt wird , daß dasjenige wahrgenommen ist, was als wahrgenommen in dem Protokolle verzeichnet ist ( Civilprozeßordnung§ 383). Da es im Strafprozeß kein Beweismittel giebt, welches unanfechtbar wäre, so auch nicht das Protokoll über die Einnahme des richterlichen Augenscheins. Es wird aber dieses Protokoll etwaigen Einwendungen um so mehr entzogen sein, als alle diejenigen Garantieen, welche das Gesetz bezüglich der Aufnahme desselben vorgesehen hat, erfüllt worden sind . Hierüber sind zu vergleichen Strafprozeßordnung §§ 86. 166. 185.186. 191. Aussagen von Zeugen und Sachverständigen , die in das Protokoll über die Einnahme des richterlichen Augenscheins mit aufgenommen sind , werden zwar in der Hauptverhandlung als Bestandteile des Protokolls mit zu verlesen sein. Hierdurch aber kann die Vernehmung dieser Urkundspersonen nicht überflüssig werden.

Quellen

Gesetzestext des § 86 vom 1. Oktober 1879–25. Juli 2015
Encyklopädie der Rechtswissenschaft in systematischer Bearbeitung von Dr. Franz von Holtzendorff (5. Auflage 1890)