Aktencheck: Die Gerichtsfahrt

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Was

In seiner Aussage vom 10.01.1952 machte Jakob Sigl erstmals die Angabe, dass Viktoria Gabriel etwa 14 Tage vor der Tat zum AG Schrobenhausen gegangen und Forderungsklage gegen Lorenz Schlittenbauer wegen Nichtbezahlung der Alimente für Josef Gruber gestellt haben soll.
Im Nachgang zu dieser Aussage wurde Jakob Sigl am 30.05.1952 in einer nichtöffentlicher Sitzung des Amtsgerichts Aichach erneut vernommen und gesetzlich beeidigt.

Schlittenbauer soll dann die Vaterschaft zu dem Kind Josef anerkannt haben. Er hat aber keine Alimente bezahlt. Etwa 14 Tage vor der Mordtat soll Viktoria Gabriel mit dem bereits verstorbenen Gastwirt von Gröbern Thomas Schwaiger, zum AG. Schrobenhausen gegangen sein und Forderungsklage gestellt haben gegen Schlittenbauer. Ob Schwaiger auch mit beim AG. war ,weiß ich nicht. Mir ist nur bekannt geworden, dass Viktoria Gabriel und Thomas Schwaiger zusammen nach Schrobenhausen gegangen sind. Auf dem Weg dorthin soll die Gabriel dem Schwaiger ihr Vorhaben in Schrobenhausen (Gang zum AG. Und Klagestellung gegen Schlittenbauer) unterbreitet haben. Etwa 8 oder 14 Tage später, nach diesem Gang der Gabriel nach Schrobenhausen, wurde in Gröbern die Mordtat in Hinterkaifeck bekannt.[1]



Dass Viktoria Gabriel etwa 14 Tage vor der Mordtat mit dem bereits verstorbenen Gastwirt Thomas Schwaiger in Schrobenhausen war und dass die Viktoria damals beim Amtsgericht in Schrobenhausen eine Klage wegen Nichtzahlung des Unterhalts gegen Schlittenbauer erhob, habe ich wenige Tage nach/der Mordtat im Gasthaus des Schwaiger von diesem erfahren. Er erzählte damals, dass sie zusammen nach Schrobenhausen gefahren wären und dass sie ihm auf der Fahrt erzählt haben, dass sie zu Gericht fahren, um gegen Schlittenbauers Klage wegen Nichtbezahlung des Unterhalts für sein uneheliches Kind zu erheben. [2]

Pro

Für die Behauptung spricht in erster Linie ein Zeitungsartikel, der am 02.03.1922 im wahrscheinlich von den Opfern abonnierten Schrobenhausener Wochenblatt veröffentlicht wurde:

Neuburg a.D. Ein interessantes Urteil hat das hiesige Landgericht gefällt. Es handelt sich darum, ob ein Abfindungsvertrag, in welchem ein Kindsvater sein außereheliches Kind für die Zukunft abgefunden hat, wegen des jetzigen Geldwerts durch ein Urteil abgeändert werden kann. Das Landgericht hat dies für zulässig erklärt und den Kindsvater verurteilt noch eine monatliche Zusatzrente zu zahlen. Dieses Urteil wird wohl viele Prozesse zur Folge haben. [3]


Die im Artikel beschriebene Situation ist buchstäblich die gleiche wie im Fall von Lorenz Schlittenbauer, der seinen Sohn Josef 1919 mit einer von Staatsanwalt Pielmaier 1926 als „auffallend niedrigen“ Abfindungssumme alimentierte. Vermutlich aufgrund der 1919 bereits bestehenden Geldentwertung.

Contra

Objektiv sprechen gegen diese Gerichtsfahrt eine Vielzahl an Punkten.

  • So war das Amtsgericht bei dem Viktoria laut Sigl die Klage eingereicht haben soll vom Tag der Entdeckung an in den Fall mit involviert.
    • Noch am Abend des 04.04.1922 kam die Gerichtskommission des Amtsgerichts an den Tatort.
    • Im weiteren Verlauf kümmerte sich das Amtsgericht auch um die Angelegenheiten rund um den Nachlaß.

daß hier ein Bediensteter die Personengleichheit eines Mordopfers mit der einer Klägerin nicht erkannt hat ist unvorstellbar, da eine Klage ja ein mögliches Motiv darstellen könnte.

  • Vom Wirt Thomas Schwaiger der Viktoria zum AG gefahren haben soll liegt uns eine Befragung aus 1929 vor, in welcher er-angesprochen auf einen Verdacht Lorenz Schlittenbauer betreffend- diese Fahrt nicht erwähnt.[4]
  • Andreas Schwaiger, Sohn des Wirts wird am 17.12.1951 vernommen. Obwohl er kurz auf ein stattgehabtes Gespräch zwischen dem Andreas Gruber und seinem Vater eingeht erwähnt er nicht dass sein Vater Viktoria Gabriel zum Gericht gefahren haben soll. [5]
  • In einem Aktenvermerk der Gendarmeriestation Hohenwart vom 19. Juli 1929 ist folgender Vermerk:
Er hat die Alimente für sein Kind im Voraus bezahlt u. ist nicht anzunehmen, daß es nachträglich hiewegen zu Auseinandersetzungen gekommen ist. Seine Vermögensverhältnisse sollen zur Zeit der Tat nicht ungünstig gewesen sein. [6]

Hier kann man zu dem Schluss kommen, dass dieser Punkt höchstwahrscheinlich geprüft wurde.

Quellen

[1] Aussage Jakob Sigl vom 10.01.1952
[2] Richterliche Vernehmung Jakob Sigl vom 30.05.1952
[3] Zeitungsartikel vom 02.03.1922
[4] Befragung Thomas Schwaiger, 17.07. 1929
[5] Aussage Andreas Schwaiger vom 17.12.1951
[6] Vermerk im Akt zu Hammer und Knauer 1929