Zeitungsartikel: 1922-04-10 Münchner Zeitung

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Die Bluttat von Hinterkaifeck

Detailinformationen

Datum

10. April 1922

Ort

München

Art des Dokumentes

Zeitungsartikel

Verfasser

unbekannt

Verfasst für

Münchner Zeitung

Inhalt

Die Bluttat von Hinterkaifeck
Zur Vervollständigung des Berichtes über den sechsfachen Raubmord, der nach wie vor weit über die Grenzen des Bezirkes Schrobenhausen hinaus die Gemüter in Erregung hält und namentlich unter der Landbevölkerung große und berechtigte Furcht auslöst, teilt unser Berichterstatter noch mit:

Die Beerdigung der Opfer
Die Opfer der schauerlichen Bluttat wurden am Samstag, den 8. April, vormittags 9 Uhr auf dem Friedhof der zuständigen Pfarrei Waidhofen an der Paar, 7 Kilometer nordöstlich Schrobenhausen, in einem Massengrab an der Friedhofsmauer zur Ruhe bestattet. Die Beerdigung erfolgte unter einem Menschenandrang, wie ihn Waidhofen noch nicht gesehen hatte.

Ergebnisse der bisherigen Untersuchung am Tatort
Nachdem man bis zum vergangenen Donnerstag, an dem die Sezierung der Leichen begann, noch keinerlei Anhaltspunkte darüber hatte, auf welchem Wege sich die Mörder eingeschlichen hatten, förderte eine Durchsuchung des durchlaufenden Dachbodens (das Haus war einstöckig und hatte keine Brandmauer) folgendes zu Tage: Im Heu entdeckte man zwei stark zusammengelegene Stellen, von denen aus nach dem Getreideboden und bis zum Kamin Heu vorgestreut war. Danach handelt es sich höchstwahrscheinlich um zwei Mordbuben. Um einen Dachsparren war außerdem ein Seil gewickelt, das am Boden aufgerollt lag. In der nächsten Nähe des Kamins waren einige Dachziegel abgehoben. Von der dadurch entstandenen Luke aus konnte man die im Vorgarten arbeitenden Hauseinwohner gut übersehen und beobachten. Mit dieser Feststellung erfährt auch die Äußerung des alten Gruber am Donnerstag einer vorübergehenden Person gegenüber, daß er nach Sachverhalte: Vorkommnisse vor der Tat|Spuren]] suche, weil man nachts habe einbrechen wollen, ihre Erklärung; die Spuren führten nämlich an das Haus heran, aber nicht mehr zurück. Danach waren die Verbrecher in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag, wahrscheinlich zu einer Zeit, da der sehr wachsame Hund noch nicht in den Stadel eingesperrt war, entweder durch das schlecht gesicherte hintere Stadeltor oder aber über das lange Flachdach eingestiegen und hatten fast zwei Tage lang eine günstige Gelegenheit zur Ausführung ihres Planes abgewartet. Es schneite bekanntlich an den fraglichen Tagen und so ging von den „hinteren Kaifecken“, die ja an sich sehr wenig ihre Behausung verließen, niemand auswärts. Dann scheint den Raubmördern, die von ihrem Versteck aus alles beobachten und abhorchen konnten, die Zeit gedrängt zu haben, und am Freitag, den 31. März, jedenfalls zwischen 8 und 9 Uhr, sind sie zur Ausführung ihre Planes geschritten. Aus den Anhaltspunkten kann folgendes mit Bestimmtheit geschlossen und angenommen werden:
Beim Eindringen in das Anwesen fanden die drei Männer aus Gröbern die Kuh, welche unmittelbar neben der vom Stall in den Stadel führenden Türe stand, los, das übrige Vieh war an den Ketten. Dieses eine Stück wurde vom Täter losgelassen; es verursachte selbstverständlicherweise Störung und Unruhe beim übrigen Vieh, worauf die Hauseinwohner der Reihe nach Nachschau hielten. Mit dieser Wahrscheinlichkeit scheinen die Mörder bestimmt gerechnet zu haben. So wurde dann vermutlich zunächst die alte Frau Gruber, darauf die Besitzerin Frau Gabriel, dann der eben zu Bett gegangene alte Gruber und zuletzt die kleine Viktoria ergriffen und durch meist sofort tödliche Schläge auf den Kopf beiseite geschafft und zur Türe hinaus in den Stadel geworfen. Die kleine Viktoria scheint einen Todeskampf gehabt zu haben, denn die hielt ein Büschel Haare in der rechten Hand.
Als die Unmenschen den ersten Teil ihrer gräßlichen Tat vollbracht, gingen sie durch den Stall nach der Magdkammer, wo die bekanntlich am gleichen Tage eingestandene Magd Baumgartner gerade am Ausziehen war, wie ein abgezogener Schuh vermuten läßt. Diese wurde durch wuchtige Schläge direkt auf den Hinterkopf sofort erledigt. Der kleine Joseph wird daraufhin geweint und geschrien haben, so daß er den Mördern unbequem erschien. So ist es zu erklären, warum auch er zum gänzlich unschuldigen Opfer wurde. Dem Kleinen wurde der Kopf durch das aufgespannte Wagendach hindurch zertrümmert.
Die Einwendung, daß man die Rufe der im Stall getöteten Opfer doch irgendwie in den Wohnräumen hätte vernehmen müssen, wird aufgeklärt, wenn man weiß, daß das dumpf gebaute alte Haus auch sehr laute Töne nicht durchdringen ließ, wie ein nachträglich angestellte Probe bewies. Die Beute der Raubmörder bestand im Inhalt der großen Brieftasche, die man leer am Boden fand. Da die Unmenschen schnell zum gewollten Raub gekommen waren, sahen sie von einer weiteren Durchwühlung der Schränke und Behälter ab. An Vorräten scheinen die Mörder lediglich Brot – da kein einziges Stückchen mehr vorgefunden wurde, der Ofen war zum Backen hergerichtet – und Fleisch mitgenommen zu haben.
Über die Sonderlinge vom „hinteren Kaifeck“ Hof wird allgemein erzählt, daß die Leute höchst merkwürdig gewesen seien. Sie mieden die Leute aus Gröbern nach Möglichkeit und hatten das Haus meist abgesperrt, so daß der Postbote innerhalb eines ganzen Jahres kaum einige Male seine Briefschaften persönlich übergeben konnte. Beim „Kaifecken“ stellte man Knechte oder Mägde ein, ohne daß man in Gröbern etwas erfuhr. Im Übrigen sollen die Leute äußerst, ja übertrieben arbeitsam gewesen sein und mehr als gespart haben. Auf dem Anwesen fand man auch erhebliche Bestände an Kartoffeln, Getreide usw. vor, die einen Wert von mehreren Hunderttausend darstellen.

Verhaftungen
Hinsichtlich der Täterschaft ist das furchtbare Verbrechen noch völlig ungeklärt. Nicht die geringste Spur ist vorhanden. Am Samstag tauchten wohl Nachrichten auf über vermutliche Täter, nach denen sofort gefahndet wurde. Ein als in Frage kommender Haupttäter, ein Taglöhner, konnte rasch im Schwäbischen ermittelt und verhaftet werden, musste aber bald wieder frei gelassen werden, da sein Alibi für die Zeit genauest nachweisen konnte, die für die Zeit des Mordens und hernach in Betracht kommt.



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