Theorien: Bärtl Josef
Einer der Tatverdächtigen im Mordfall Hinterkaifeck ist Josef Bärtl.
Hintergrund
Noch während der Tatortbegehung auf dem Hinterkaifecker Hof nannte der ermittelnde Krim. Kom. Georg Reingruber den Namen Josef Bärtl. Reingruber leitete umgehend Erhebungen ein und liess Bärtl per Hatfbefehl suchen. Dieser Sachverhalt wurde von dem ebenfalls anwesenden Gendarm Johann Anneser, der einer der ersten Beamten am Tatort war, geschildert.
Annesser verfasste am 25.02.1949 einen Brief, indem er das vorschnelle Festlegen auf Josef Bärtl als Täter durch Krim.Kom Reingruber bemängelte. Bereits bei der Ankunft hätte Krim. Kom. Reingruber den Josef Bärtl als Tatverdächtigen genannt. Das Aktenzeichen seines Ermittlungsverfahrens lautet daher auch A 167/22, das Aktenzeichen im Mordfall Hinterkafieck lautet A 168/22.
Die Beweggründe Reingrubers liegen im spekulativen Bereich. Unter der Berücksichtigung, dass man einen Raubmord vermutete, passte Josef Bärtl durchaus in das Täterprofil. Bekannt ist, dass Bärtl an dem Raubmord an dem Bauern Adler in Ebenhausen 1919 beteiligt war.
Auch die Aussage "diese Tat kann nur von einem Irren begangen worden sein" des ermittelnden Staatsanwaltes Ferdinand Renner in seinem Bericht vom Mai 1922, die wie eine Floskel klingt, kann mit Josef Bärtl in Verbindung gebracht werden. Bärtl floh am 7.4.1921 aus der Heil-und Pflegeanstalt Günzburg, wo er gemäß Bericht des Staatsanwaltes Pielmayr vom 6.11.1926 im Bezug auf die Erhebungen im Jahre 1922, zur Beobachtung seines Geisteszustands eingeliefert worden war.
Die Fahndung
Renner erläutert in dem o. g. Bericht ebenfalls, dass Josef Bärtl die Tat mit dem vielgesuchten Räuber Alfons Gustav Philippi oder Philippe ausgeführt haben könnte. Dieser Verdacht ist der Tatsache geschuldet, dass auch Philippi oder Philippe aus der Heil- und Pflegeanstalt Günzburg geflohen war und wegen Raubdelikten aktenkundig wurde. Diese Spur zerschlug sich, da Philipp(e/i) in der Zeit vom 20. Februar 1922 bis 15. April 1922 ununterbrochen in der Dresdener, später in der Waldheimer Heil- und Pflegeanstalt war.
Pielmayr erläutert weiter, dass auch andere Komplizen wie Georg Seidl, Georg Fuchsbaumer, dessen Bruder Franz Fuchsbaumer, Leonard Altstätter, Jaroslav Kellner, Reith und Beusch in Frage kämen.
Georg Seidl, laut Pielmayr ein pathologischer Lügner und eine vorbestrafte Persönlichkeit, hatte den Verdacht auf die Brüder Fuchsbaumer gelenkt. Die Anschuldigungen erwiesen sich als haltlos und Seidl wurde wegen falschen Anschuldigungen zu 3 Monaten Haft verurteilt.
Während seiner Haftzeit beschuldigt Seidl weiter mutmassliche Mittäter, wie Altstätter, Kellner, Reith und Beusch. Eine Mittäterschaft von Reith und Beusch konnte sicher ausgeschlossen werden. "Kellner, so Pielmayr, war ein herumziehender Dieb und Betrüger, er könnte die Tat, oder die Teilnahme an dieser unbedenklich zugetraut werden, ebenso dem Händler Leonard Altstetter." Trotz den Anschuldigungen konnte weder eine Mittäterschaft er o. g. Personen, noch die Täterschaft des Josef Bärtl nachgewiesen werden. Auch mehrfach duchgeführte Hausdurchsuchungen bei den Eltern des Josef Bärtl, waren erfolglos. Nach seiner Flucht aus der Heil-und Pflegeanstalt in Günzburg verliert sich seine Spur. Gerüchten zufolge soll er der Fremdenlegion beigetreten sein.
Im Schrobenhausener Wochenblatt vom 22.4.1922 war über den Bäcker Bärtl Folgendes zu lesen:
"Die Staatsanwaltschaft Neuburg / Donau fahndet nach dem 1897 in Geisenfeld geborenen Bäcker Josef Bärtl, der vor einiger Zeit aus der Heil- und Pflegeanstalt in Günzburg entsprungen ist und soviel wir wissen an dem Raubmord an dem Bauern Adler in Ebenhausen Ende 1919 beteiligt war. Dieser Geisteskranke kommt als Täter oder Mitbeteiligter an dem 6-fachen Raubmord in Hinterkaifeck in Frage. Er ist von untersetzter Gestalt, hat ein rotes Gesicht, dunkelblondes Haar, zugeschnittenen Schnurbart, trug zeitweise Militäranzug und Gamaschen. Bärtl ist als notorischer Mörder und Verbrecher in der Umgebung von Ingolstadt bekannt, schwindelte als falscher Gendarm den Leuten Papiergeld zum Abstempeln heraus und hatte sich in Ingolstadt auch als Darlehensschwindler und Heiratsvermittler niedergelassen. Lange Zeit entzog er sich der Festnahme, verweigerte in der Haft die Nahrungsmittelaufnahme und erreichte zweimal die Aufnahme in der Heil-und Pflegeanstalt in Günzburg. Man neigt zu der Ansicht, dass Bärtl nicht geisteskrank, sondern ein raffinierter und gewalttätiger Simulant sei.“
Im Februar 1926 erging erneut ein Fahndungsgesuch der Polizeidirektion München im bayrischen Polizeiblatt Nr. 172. Im November des gleichen Jahres wurde das Fahndungsgesuch durch die Staatsanwaltschaft Neuburg a.D. ergänzt, da der Verdacht bestand, dass Bärtl sich in der Gegend um Altenbuch unter dem Namen "Eidenhammer" aufhält. In Landfahrerkreisen wurde er "der eiserne Heini" genannt. Aber auch die erneute Spur führte nicht zu dem Gesuchten.
Ein weiterer Fahndungsaufruf der Polizeidirektion München im Mai 1927 blieb ebenfalls erfolglos, beinhaltete aber eine detailierte Personenbeschreibung des Flüchtigen: "165 cm groß, untersetzt, volles-rundes Gesicht, blonde Haare, hohe Stirn, graue Augen, dicke Nase, etwas abstehende Ohren, blond. Schnurbart - möglicherweise jetzt bartlos, vorstehende Unterlippe, links von der Unterlippe ausgehend eine kleine Narbe, etwas schräge Schrittstellung, geht mit vorgebeugtem Körper. Merkmale: Kleiner Finger an der linken Hand fehlt. Nach einem
Gendarmeriebericht soll Bärtl sich gegenwärtig im sogenannten Sauwald bei Esternberg in Oberösterreich rumtreiben, womöglich unter falschem Namen."
Zeugen
Es gab immer wieder Meldungen von Leuten, die Bärtl gesehen haben wollen, aber keine der Spuren führte zu dem mit Haftbefehl gesuchten Bäcker.
So wurde ein blutbefleckter 100 Mark Schein von Adelheid S. bei der Polizei in Weiden abgegeben. Sie gab an, dass sie von einem Mann um ein Stück Kuchen angebettelt wurde und sie seinem Wunsch entsprochen hätte. Weiter berichtete die Frau, dass er sie nach einem Versteck gefragt habe, worauf sie ihm das angrenzende "Bumperwäldchen" vorgeschlagen habe. Sie erhielt für die Verköstigung und Auskunft diesen 100 Mark Schein mit den mutmasslichen Blutspuren. Er versprach ihr, dass sie das 100000fache bekommen würde, wenn sie ihm Kuchen und Getränke in seinen Unterschlupf bringen würde. Als die Frau bemerkte, dass der Fremde viel Geld bei sich trug, ging sie direkt zu Gendarmerie in Weiden. Der Beamte begutachtete den Schein und brachte diesen mit dem Mord auf Hinterkaifeck in Verbindung. Dem Gendarm fiel der Bäcker wieder ein, der noch vor kurzem im Polizeiheft abgebildet war. Er legte Adelheid S. ein Bild von Bärtl vor und die Frau zögerte, will ihn dann aber eindeutig indentifiziert haben.
Der Schein wurde dann ins Gerichtsmedizinische Institut nach München gesandt und von Prof. Dr. Hermann Merkel untersucht. Ein Nachweis für Menschenblut konnte nicht erbracht werden. Merkel konnte nur sicher ausschliessen, dass es sich bei den Flecken nicht um Hammel-, Rinder-, Vogel- und Ziegenblut handelte.
Ein weiterer Hinweis kam von einem Häftling aus dem Zuchthaus Kaiserheim. Er gab an, mit dem Geisenfelder im Januar 1920 gesprochen zu haben und dieser ihn dazu überreden wollte, einen am Wald liegenden Hof bei Waidhofen zu überfallen. Er schilderte ihm, wie einfach das sei, denn auf dem Hof wären nur Frauen. Der Insasse lehnte ab, und Bärtl drohte ihm, ihn und seine Frau zu töten, falls er über dieses Gespräch auch nur ein Wort verlieren würde.
Josef Bärtl - Der Täter?
Pro
- Sollte es der Wahrheit entsprechen, dass Bärtl psychisch krank war, könnte damit die ungeheuerliche Brutalität erklärt werden.
- Wie es die Ausführungen des Staatsanwalt Pielmayr darstellt, stand Bärtl im Verdacht, ein ähnliches Verbrechen an dem Bauern Adler begangen zu haben.
- Die Heil-und Pfegeanstalt, aus der Bärtl geflohen war, liegt rund 70 km von Hinterkaifeck entfernt.
- Sollte der Häftling aus dem Gefängnis Kaiserheim glaubwürdig sein, hat er einen Hinweis geliefert, dass der gesuchte Josef Bärtl den Hinterkaifeckhof kannte.
- Das Geld könnte mit Menschenblut beschmutzt gewesen sein. Hier stellt sich die Frage, wie ein gesuchter und entflohener Anstaltspatient zu einem solchen Schein, im Wert einer solchen Summe kommt und es sich leisten kann, den Rest als "Trinkgeld" zu spendieren.
Kontra
- Es gibt keinen Nachweis, dass Bärtl Hinterkaifeck tatsächlich kannte oder (schon einmal) auf dem Hof gewesen ist.
- Wenn Bärtl mit der Sache nichts zu tun hat, hat er sich, als er von seiner Fahnung erfuhr, nicht selbst gestellt, weil er Angst vor einer erneuten Einweisung in eine Heil- und Pflegeanstalt gehabt haben könnte.