Polizeiarbeit 1922 – die Arbeit am Tatort: Unterschied zwischen den Versionen
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Aktuelle Version vom 4. Februar 2025, 21:07 Uhr
im Entstehen
Was
Bereits 1922 gab es ein methodisches Verfahren bei der Ermittlungsarbeit in einem Mordfall. Die grundsätzlichen Überlegungen und Vorgehensweisen unterscheiden sich nicht von den heutigen, auch wenn heute natürlich eine ganz neue Technologie zur Verfügung steht.
Hinter allem steht aber durch die besondere Aktensituation immer die Frage: was wurde gemacht und ist in den Akten vorhanden, was wurde gemacht und ist nur durch Querverweise belegt, was wurde höchstwahrscheinlich gemacht und ist nicht mehr nachweisbar und was von all den möglichen Maßnahmen wurde schlicht nicht durchgeführt.
Bei Bekanntwerden der Tat
Die Sicherung des Tatortes war auch damals schon das zeitkritischste Unterfangen, weshalb eine Abordnung von lokalen Gendarmen an den Tatort verschickt werden sollte. Bei einem Mord wurde eine Mordkommission eingerichtet, deren Leiter berechtigt war, je nach Fall auch noch Spezialisten hinzuzuziehen. Zu diesen möglichen Experten am Tatort zählten Ärzte, Chemiker, Hundeführer, Spurensicherer, Schußwaffenexperten, Kraftwagenexperten...
Weiterhin mussten einige übergeordnete Behörden verständigt werden, immer waren das Staatsanwaltschaft und Amtsgericht, in besonderen Fällen auch das Innenministerium.
Am Tatort
Wie heute auch musste die Polizei zunächst den Tatort konservieren, das heisst, jede weitere Veränderung durch Schaulustige aber auch durch medizinisches Personal oder die Ermittler selbst musste verhindert werden. Über Nacht wurden dazu Nachtwachen eingerichtet, der Tatort gründlich verschlossen.
Während die Spurensicherer möglichst viele Informationen über den Tatort und das Tatgeschehen sammelten, wurden die Entdecker der Tat möglichst getrennt voneinander befragt, um gegenseitige Beeinflussung zu verhindern und um mögliche Veränderungen zwischen Tatgeschehen und Eintreffen der Polizei abschätzen zu können.
Auch für die Befragung weiterer Zeugen war die Gefahr von möglichen Beeinflussungen der Aussagen durch Miteinanderreden den Ermittlern sehr bewußt. Deshalb war Eile geboten und wo es ging sollten Gespräche zwischen den Zeugen verhindert werden.
Akute Warnungen und Suchmaßnahmen
Bei flüchtigen Tätern und einer geeigneten Täterbeschreibung konnten die umliegenden Polizeistationen und Bahnhöfe umgehend informiert werden, dass nach der betreffenden Person gefahndet wird. Verstärkte Kontrollmaßnahmen an Verkehrsknotenpunkten und bei auffälligen Personen folgten. Dabei wurden Personalien gegengeprüft, geschaut, ob gegen die Personen etwas vorlag und ob sie berechtigt waren, sich in der Gegend aufzuhalten.
Über die Polizei- und Amtsblätter konnten die Gendarmerie und die Bevölkerung über das Verbrechen, Fahndungen, mögliche Schutzmaßnahmen und über eventuelle Belohnungssummen informiert werden.
Sollte der sofortige Erfolg ausbleiben, so wurde eine Art Rasterfahndung durchgeführt: alle einschlägig Bekannten überprüft, kürzlich entlassene Gefängnisinsassen und Vorbestrafte, geflohene Psychiatrieinsassen usw. wurden überprüft.
Obduktion
Die Regeln für die Obduktion waren vielfältig und streng. Die genauen Lichtverhältnisse waren ebenso vorgeschrieben wie die Ausrüstung und wie sonst jeder einzelne Schritt der Sektion. Anhand dessen was über die Sektionen bekannt ist, fand diese nach den damaligen Vorschriften statt.
Ermittlungen
Damals schon war die Frage des Motivs einer Tat zentral und die Suche begann bei den Opfern. Es wurde das nächste Umfeld durchleuchtet und nach möglichen Konflikten der Opfer gesucht. Im Lehrbuch standen lateinisch die Fragen ,,Wer? Wann? Was? Wo? Warum?", die beantwortet werden sollten. Jeglicher Verdächtige wird überprüft, indem Alibi, Vorstrafen, Beziehung zum Opfer festgestellt werden, auch unter Zuhilfenahme von weiteren Zeugen.
Interessant sind in dieser Phase der Ermittlungen auch die vielen Experten, die je nach Fragestellung hinzugezogen werden sollten: Graphologen, Ärzte, Chemiker, Physiker, Botaniker.
Kommunikation/Berichterstattung/ Organisation/ Dokumentation
Es gab eine Vielzahl an Dokumenten, die alle verschiedenen Zwecken dienten und anhand derer die Ermittlungen dokumentiert und kommuniziert werden sollten: Aussageprotokolle, Berichte, Tagesberichte, Presseinformationen, Stationstagebücher…
Ermittlungsmöglichkeiten
Spurensicherungsverfahren
Treffen Kriminalpolizisten an einem Tatort ein, ist es deren primäre Aufgabe, die vom Täter hinterlassenen Spuren zu sichern. Dazu zählt neben der Spurensuche und Spurenerfassung auch die Spurenauswertung in forensischen Laboren. Der Spurensicherung kommt die wichtige Aufgabe zu, relevante Indizien für die Identifizierung von Tatverdächtigen zusammenzutragen. Am Tatort muss durch das Tragen bestimmter Schutzkleidung darauf geachtet werden, dass keine Spuren verwischt oder neu gesetzt werden. Für die Erfassung und Auswertung von Spuren stehen Kriminaltechnikern verschiedene Methoden zur Verfügung.
Daktyloskopie
Die am häufigsten eingesetzte Technik in der Spurensicherung ist die Daktyloskopie - ein biometrisches Verfahren zur Identifizierung von Personen anhand ihrer Fingerabdrücke. Dies war bereits 1922 möglich, allerdings gibt es hier Einschränkungen, denn: Die Haltbarkeit latenter Fingerabdrücke ist im Wesentlichen von mehreren Faktoren abhängig, als wichstigste seien hier die Eigenschaften des Spurenverursachers sowie die Eigenschaften des Spurenträgers genannt.
Die Beschaffenheit der Papillarleisten, also der "Riffelungen" der Finger und die Zusammensetzung und Menge der Schweißabsonderung, die von Mensch zu Mensch unterschiedlich ist - teilweise auch situationsbedingt! Z. B. wenn jemand sehr nervös ist und dann etwas mit "schweißigen" Fingern anfasst, wird diese Spur sicher deutlicher ausfallen und länger nachweisbar sein als bei einem Menschen, der nicht schwitzt.
Auch die Art des Gegenstandes, der angefasst wurde. Ganz bedeutend ist hier die Oberflächenbeschaffenheit: Alles, was glatt ist und / oder glänzt (Glas, polierter Kunststoff, Metall, poliertes Holz), hält Spuren gut; Gegenstände mit gebrochenen oder stark strukturierten Oberflächen halten "normale" Fingerspuren nicht oder nur schlecht (z. B. ungehobeltes Holz, strukturiertes Leder.)
Nachweis von Blut
Es war 1922 möglich in „verdächtigen“ Flecken, oder Anhaftungen nachzuweisen, ob es sich dabei um menschliches Blut handelte. Dazu wurde Wasserstoffperoxid verwendet, da dies durch seine bleichende Wirkung dem Blut den Farbstoff entzieht und der dabei entstehende Sauerstoff zu einer Bläschenbildung (Schaum) an der Oberfläche führt. Desweiteren konnte man damals auch über die Entstehung Auskunft geben (Verletzung, Erbrochenes, Menstruationsblut), und auch die Unterscheidung, ob Fließspuren, Tropfen, Wischspuren, Spritzer war möglich.
DNA-Analyse
1922 nicht möglich
Werkzeugspuren
Bei der Begehung von Straftaten werden häufig Werkzeuge verwendet, z. B. eine Brechstange beim Aufhebeln einer Tür. Ziel einer kriminaltechnischen Werkzeugspurenuntersuchung ist festzustellen, welche Art von Werkzeug dabei verwendet wurde. Ein anderer Aspekt wird bei der Untersuchung von mechanischen Schließeinrichtungen (Schlösser, Schlüssel) betrachtet. Hier steht meistens nicht die Identifizierung des verursachenden Werkzeugs im Vordergrund, sondern es soll z. B. festgestellt werden, ob eine Schließeinrichtung überwunden, d. h. nicht mit dem dafür vorgesehenen Schlüssel entsperrt wurde.
Schuhspuren, Reifenspuren
An Tatorten werden häufig Schuhspuren vom Täter hinterlassen. Durch geeignete Spurensicherungsverfahren, z. B. mit speziellen Klebefolien, können die Spuren gesichert und kriminaltechnisch untersucht werden. Ziel ist es dabei, Marke und Modell des verursachenden Schuhs festzustellen. Bei Vorliegen eines in Frage kommenden Verursachers (z. B. Schuh eines Tatverdächtigen) ist es häufig - anhand individueller Fertigungs- und Abnutzungsmerkmale - möglich, einen bestimmten Schuh zu identifizieren oder als Verursacher auszuschließen. Reifenspuren von Fahrzeugen können analog dazu ausgewertet werden.
Fotografie
Die Tatortfotografie war unerlässlich zur unverfälschten und vollständigen Dokumentation des Tatortes. Dies war insbesondere deshalb wichtig, weil ein Tatort im Fortgang nicht konserviert bleibt. Besonders, was den Fundort und die Position der Leichen betraf, konnte nur die Tatortfotografie den Moment unverfälscht festhalten.
Chancen
- Vergrößerte Darstellung von kleinsten Spuren
- "Einfrieren" des Tatortes zur weiteren Nachvollziehbarkeit
Grenzen
- Teures und empfindliches Material
- Belichtungssituation oft schlecht
- Zusätzliche Ausrüstung nötig (Objektive, Leitern zur Aufnahme von oben, ...)
Methoden und Tätigkeiten
- Detail-/ Übersichtsaufnahmen (mit oder ohne Beleuchtung)
- Beschreibender Text für jedes einzelne Bild inklusive konkreter Maßangaben und Details zur Entstehung des Bildes (Beleuchtungssituation, Objektiv, Datum, Witterung)
Hilfsmittel
- meist noch Plattenkameras
- transportable Beleuchtung Objektive
- transportable Entwicklungseinheiten
- Gerüste/Leitern für Detailaufnahmen
Polizeihunde
Aktive Spurensuche kann am Tatort, aber auch in der Umgebung stattfinden. Neben aufmerksamen Zeugen sollten 1922 auch Hundertschaften nach Spuren suchen. Wo das menschliche Auge nicht ausreichte, kamen schon damals sorgfältig ausgebildete Polizeihunde zum Einsatz. Weitere Informationen zum Einsatz der Hunde am Tatort finden Sie auf einer Spezialseite
Chancen
- Verfolgung von Fährten
- Aufspüren (Blutspuren, Menschen, Gegenstände)
Grenzen
- Alter der Spuren
- Witterung
- Überlagerung der ursprünglichen Spuren (z.B. durch Menschen, Chemikalien, Brand...)
Methoden und Tätigkeiten
- Wittern/Fährtensuche
Hilfsmittel
- ausgebildete Polizeihunde (Spürhunde, Leichensuchhunde)
- Geruchsproben (Kleidungsstücke...)
Untersuchungsmöglichkeiten im Labor und in der Gerichtsmedizin
Widrigkeiten bei der Tatortarbeit auf Hinterkaifeck
Strassennetz
1922 herrschte in weiten Teilen Bayerns noch ein nicht ausgebautes Strassennetz, mit ungeteerten Straßen
Fuhrpark
Kleinere Dienstellen wie die Gendarmeriestation Hohenwart besaßen keinen eigenen Fuhrpark, und ermittelten entweder zu Fuß oder mit dem Dienstrad
Kommunikationsmöglichkeiten
- Mobiltelefone oder aber auch einen Telefonanschluss am Tatort, bzw. beim Nachbarn gab es nicht. Im konkreten Fall waren die nächsten Telefonapparate beim Bürgermeister in Wangen, bzw. in Waidhofen beim Postagent.
- Schnelles Kommunizieren mittels E-Mail war ebenfalls nicht möglich. Der Versand erfolgte postalisch, womit eine Bearbeitung einzelner Aspekte durchaus eine Woche oder länger in Anspruch genommen hatte.
Digitalisierung
1922 nicht vorhanden
Elektrizität
Das Dorf Gröbern, und damit auch der Tatort war ohne Strom, in Gröbern wurde erst nach dem Krieg ab 1946 Strom eingerichtet.
Tatort
Die wohl größte Herausforderung der Ermittler war der Tatort, ein in den 1860iger Jahren erbautes Gehöft (damalige Bauweise Holz und Kalkzementputz bzw. Lehm) in dem nach vier Tagen ein Mord entdeckt wurde. Noch vor Eintreffen der ersten Ermittler wurde der Tatort durch die Auffinder verändert, und Dutzende Schaulustige hinterließen Spuren am Tatort. Zusätzlich hatte ein loses Rind seit unbekannter Zeit Zugang zum Tatort im Stadel.
Mehrere involvierte Dienststellen, neue Strukturen und Dienstwege
Weiteres
Was bei der Aktenlage auffällt, ist die differierende Schreibweise diverser Namen. Dies ist mitunter darin begründet, daß der Vernehmende diesen nach Gehör aufschrieb, und er erst nach Ermittlungen die korrekte Art erhielt. Manchmal wurde anstelle des Familiennamens auch nur der Hausname genannt. Das Ausfindigmachen dieser Personen nahm dann natürlich auch einige Zeit in Anspruch, insbesondere wenn diese andernorts im Dienst waren.
Übersicht
→ Möglichkeit ↓ |
durchgeführt | nicht durchgeführt | unbekannt | teilweise durchgeführt |
Daktyloskopie | X an der Tatwaffe |
X am Tatort |
||
Nachweis von Blut | X | |||
Werkzeugspuren | X | |||
Schuhspuren | X | |||
Fotografie | X | |||
Polizeihunde | X | |||
Laboruntersuchungen | X |
Über die nicht durchgeführten, uns unbekannten oder nur teilweise durchgeführten Spurensicherungsverfahren
Daktyloskopie
Offiziell ist unbekannt, ob Fingerabdrücke am Tatort genommen wurden, realistisch betrachtet kann aber anhand der ungünstigen Ausgangssituation davon ausgegangen werden, daß keine Fingerabdrücke gefunden und demzufolge genommen werden konnten. Bei gefundenen und abgenommen Abdrücken hätten die Ermittler jeden der Neugierigen zur Abnahme der Fingerabdrücke einbestellen müssen, um diese abzugleichen.
Die Kehrseite darin bestand, dass man bei gefundenen Fingerabdrücken jeden einzelnen der Schaulustigen hätte gegenprüfen müssen, und damit der Täter so er denn unter den Neugierigen war hätte entkommen können. Falls aber ein „übrig“ gebliebener und dem Täter zuzuordnender Fingerabdruck geblieben wäre, wäre man auf den Fingerabdruck der entsprechenden Person angewiesen gewesen. Damals gab es noch keine zentralen Register.
Auffinder | Bereits durch die Auffinder wurde der Tatort verunreinigt indem durch das Bewegen der Leichen die Auffindesituation verändert, beim weiteren Vordringen ins Haus Türklinken und weitere Oberflächen angefasst wurden. |
Schaulustige |
|
Tatort | Aufgrund der Bauweise des Hauses, Holz und Kalkzementputz bzw. Lehm war die Ausgangssituation bereits denkbar ungünstig, denn auf stark strukturierten Oberflächen bzw. saugenden Untergründen ist es auch noch heute problematisch Fingerabdrücke zu finden. |
Nachweis von Blut
Gesichert ist, anhand des Auftragsschreiben und der Rückantwort von Professor Merkel des Ger. med. Institut München, daß die im Stall aufgefundene Kreuzhacke sehr zeitnah auf menschliche Blutspuren hin untersucht wurde.
Nach dem Fund der Reuthaue wurde auch diese von Professor Merkel auf Blutspuren sowie auf Fingerabdrücke untersucht. Der Nachweis von Blut auf der Reuthaue gelang, was in einer Zusammenfassung des Oberinspektor Rubner nachzulesen ist.
Ungeklärt bleibt, ob die Spurensicherung anhand der Blutspuren am Tatort irgendwelche, und wenn ja welch Rückschlüsse ziehen konnten, bzw. ob dies überhaupt untersucht wurde.
Werkzeugspuren
In der Nacht auf den 30.03.1922 soll es zu einem Einbruchsversuch gekommen sein, dies berichten mehrere Zeugen, und zeitnah auch Zeitungen. Eine Gegenüberstellung aller Aussagen und Artikel sind im Rahmen eines Aktenchecks hier.
Unbekannt ist, ob eine Untersuchung der Einbruchsspuren stattgefunden hatte. Dies ist insofern aber naheliegend, da der Auffindezeuge Schlittenbauer im Rahmen seiner Aussage den Ermittlern davon berichtete, und der Sachverhalt 1926 in die umfangreiche Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayer einfließt, der sich dazu auf Erhebungen beruft.
Bewertung: Schwierigkeiten der Polizeiarbeit im Fall Hinterkaifeck
Die damaligen Möglichkeiten der Polizei unterschieden sich bei Weitem von den heutigen. Telefone waren selten, die Wege zwischen München und dem Tatort sehr weit, das Wetter und die Straßenverhältnisse schlecht, Autos und Personal nicht grenzenlos verfügbar und gegenseitige Ressentiments zwischen Dorf- und Kriminalpolizei erschwerten die Ermittlungen.
Mit welchen Hindernissen musste sich die Polizei im Mordfall Hinterkaifeck auseinandersetzen?
Organisatorisches
Späte Auffindung
Die Leichen wurden erst 4 Tage nach der Tat entdeckt. Dabei ging wertvolle Zeit für die Spurensicherung aber auch für die Ermittlungen verloren.
Große Entfernungen/ Schlechte Straßen
Bis zur Benachrichtigung der Münchner Kriminalpolizei vergingen fast 2 Stunden. Noch einmal 3,5 Stunden dauerte es, bis die Kriminalpolizei in München aufbrechen konnte. Auf schlechten Straßen und in der Dunkelheit dauerte die Fahrt mehrere Stunden.
Neue Strukturen innerhalb der Bayerischen Polizei
Erst 4 Tage zuvor war eine komplett neue Strukturierung der Ermittlungsbehörden in Kraft getreten. Viele Dienstwege waren noch unbekannt oder ungewohnt, viele Zuständigkeiten unklar.
Fehlender Stromanschluss
„Das Elektrische“ war auf Hinterkaifeck nie angekommen. Deshalb kam die Kriminalpolizei erst bei Tagesanbruch des 5. Aprils 1922 an den Tatort.
Mühsame Kommunikation/ Viele involvierte Dienststellen / Fehlende Akten
Die neue Struktur der Polizeibehörden in Bayern stellte eine große Herausforderung für die Ermittler dar. Die einzelnen Abteilungen mussten sich in das neue Gefüge einpassen und neue Kommunikationswege beachten – ganz ohne moderne Hilfsmittel. Aktensammlungen wurden an mehreren Stellen und in unterschiedlichem Umfang angelegt. Einige Akten gingen schon während der zeitnahen Ermittlungen verschütt. Nach der Augsburger Bombennacht von 1944 verlieren sich zudem die Spuren der Asservate und vieler wichtiger Akten.
Schwächen der Zeugenaussagen
Mangels Sachbeweisen waren die Zeugenvernehmungen das Greifbarste bei den Mordermittlungen. Dass diese sich in wesentlichen Dingen unterschieden oder große Lücken aufwiesen machte die Aus- und Bewertung nicht gerade leicht. Es gab anscheinend keinen einheitlichen Fragenkatalog, die Zeugenaussagen ähneln einer freien Rede, so dass viele Angaben nur einfach beschrieben sind und nicht durch weitere Aussagen bestätigt wurden.
Auswahl der Zeugen
Die zeitnahen Zeugenaussagen vermitteln einen pragmatischen, eher groben Ansatz der Befragungen mit dem Focus auf ortsfremde Täter und dementsprechenden Beobachtungen.. Das erst später vervollständigte Bild über die Opfer und deren Verhältnisse war dann auch oft schon von den Ereignissen geprägt und nicht mehr unbelastet.
Schnelle Festlegung auf ein Tatmotiv
Die Ermittler gingen sehr früh von einem Raubmord. Im Umfeld der Opfer wurde zunächst nicht ermittelt.
Beschränkungen in der Beweissicherung
Späte Tatortabsperrung
Bis zum Eintreffen der Polizei auf Hinterkaifeck vergingen mehrere Stunden, in denen Schaulustige den Hof und die Leichen besichtigten. Die Ermittler fanden keinen Originaltatort vorgefunden vor – die Leichen waren bewegt worden, die Tiere gefüttert.
Keine Fingerabdrücke gesichert
Obwohl die Daktyloskopie schon seit mehr als 30 Jahren Routine war (u.a. im Bereich der Erfassung von Straffälligen) waren die technischen Methoden zur Sicherung von Fingerabdrücken begrenzter als heute. Beste Chancen hatten Spurensicherer bei sofortiger Sicherung, mit jedem Tag degradierten die Spuren. Eine unüberschaubare Anzahl von Schaulustigen hatte zudem den Tatort kontaminiert, so dass die Abgrenzung zu dem oder den Tätern 4 Tage nach der Tat nahezu ausgeschlossen war.
Spürhunde
Nach 4 Tagen mit Schnee und Regen und Sturm gab es für damalige Polizeihunde nichts mehr zu wittern. Zumal zwischen Auffindung und Eintreffen der beiden Polizeihunde mehrere Dutzend Schaulustige im und um den Hof anwesend waren.
Fußabdrücke
Die Witterung erlaubte keine Sicherung von gefundenen Fußspuren und die Anwesenheit der vielen Schaulustigen hätte die Zuordnung zu einem Täter schwierig gemacht.
Fotografie
Es gibt von den 3 Tatorten nur 4 Tatortfotos, dazu 1 Hofbild von der Südseite. Fotomaterial war teuer, sehr empfindlich und 80km von der Münchner Ermittlungszentrale nicht spontan zu beschaffen, das Fehlen von Strom auf dem Hof machte die Beleuchtung zu einem Kraftakt.