Dokumente: 1971-06-29 Zeugenvernehmung Tschernay Therese: Unterschied zwischen den Versionen

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== Offene Fragen/Bemerkungen ==
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Siehe [[Dokumente: 1971-06-29 Vermerk des KI Gastl| Aktenvermerk über die Vernehmung der Zeugin Th. Tschernayvom 29.06.1971]]

Version vom 14. Februar 2017, 10:23 Uhr

Vernehmung

Detailinformationen

Datum

29.6.1971

Ort

Augsburg

Art des Dokumentes

Vernehmungsprotokoll

Verfasser

Gastl, KI

Verfasst für

Kriminal-Polizei Augsburg

Verfügbar

Staatsarchiv Augsburg

Inhalt

Kriminal-Polizei
Augsburg, 29.6.1971

KI I/0

Auf Vorladung kommt die gesch. Rentnerin

T s c h e r n a y Therese
geb. Schilling, geb, 18. 9. 1910 in Sattelberg,
wohnt Augsburg,
Predigerberg 24

zur Kriminalpolizei. Sie gibt an:


"Der Grund meiner Vernehmung ist mir bekannt. Über meine Rechte als Zeuge wurde ich belehrt. Ich werde aussagen.


Den mir vorgelegten Brief, adressiert an Herr OStA Öchsler, habe ich geschrieben. Ich habe mich dazu veranlaßt gesehen, weil ich in. der „Schwäbi-schen Neuen Presse“ einen Bericht über den Mordfall Hinterkaifeck gelesen habe der nach meiner Überzeugung nicht den Tatsachen entsprach. In dem Bericht ist davon die Rede, daß ein Adolf G. des Mordes verdächtig ist, Das stimmt aber nicht. In Wirklichkeit wurde dieser mehrfache Mord in Hinterkaifeck von den Brüdern Karl und Andreas Schreier aus Sattelberg verübt. Ich habe mit meinem Wissen über die beiden angeführten Täter deshalb so lange zurückgehalten, weil ich von den Genannten für mich und meine Familienangenhörigen Repressalien befürchte. Außerdem hat mich meine Mutter, von der ich eigentlich die Einzelheiten über den Mordfall mitgeteilt erhalten habe, gebeten, von der Sache nichts zu erzählen. Sie meinte, ich solle mein Wissen erst preisgeben, wenn in derMordsache Hinterkaifeck in der Zeitung falsche Berichte abgedruckt würden. Meine Mutter hat kurz vor ihrem Tode, das war vor etwa 3 Jahren, das Versprechen abgenommen, die Sache nur in ihrem Sinne bekanntzugeben.


Da ich auch heute noch erhebliche Unannehmlichkeiten von den Familienangehörigen Schreier befürchten muß, bitte ich ausdrücklich darum, daß mein Name in der ganzen Sache nicht bekannt gemacht wird. Ich möchte haben, daß meine Angaben streng vertraulich behandelt werden.


Meine Eltern hatten in Sattelberg, LKrs. Schrobenhausen, eine kleine Landwirtschaft. Sie hatten 14 Tagwerk Land zu bewirtschaften. In der Familie waren wir insgesamt 7 Kinder. Weil die Landwirtschaft für den Familienunterhalt nicht ganz ausreichte, hat sich mein Vater nebenbei noch als Uhrmacher, Scherenschleifer und Schirmflicker betätigt. Der Einödhof Hinterkaifeck dürfte von Sattelberg etwa 15 km entfernt gewesen sein. Ich weiß noch, daß wir mit dem Fahrrad etwa 30 Minuten dorthin zu fahren hatten. Als dieser mehrfache Mord in Hinterkaifeck durchgeführt wurde war ich gerade 12 Jahre alt. Ich weiß noch, daß mein Vater und meine Mutter damals von der Polizei wegen des Mordfalles vernommen wurden. Frau Schreier, die Mutter der Brüder Karl und Andreas Schreier, hat damals meiner Mutter erzählt, daß ihre Söhne die Täter von Hinterkaifeck seien. Ihre Söhne hätten auch Schmuck und Kleidungsstücke von dem Mordfall nach Hause gebracht, die sie, Frau Schreier trage. Meine Mutter hat dieses Wissen um die Sache sehr belastet. Sie hat es selbstverständlich ihrem Mann erzählt. Schließlich ist meine Mutter dann in ihrer Angst zum Ortspfarrer gegangen und hat die Sache gebeichtet. Meine Eltern mußten ja um ihr Leben und um ihr Anwesen fürchten, weil nicht ausgeschlossen werden konnte, daß die Täter evtl. Hitwisser beiseite schafften.


Der Ortspfarrer, dem meine Mutter alles berichtet hat, hat daraufhin die Polizei eingeschaltet. So kam es, daß meine Mutter und mein Vater vernommen wurden. Es sind dann auch die beiden Brüder Karl und Andreas Schreier vorübergehend festgenommen worden. Wie lang sie im Gefängnis waren, weiß ich heute nicht mehr. Schließlich wurde auch noch Frau. Schreier in das Gefängnis nach Schrobenhausen gebracht. Vom ihr weiß ich noch, daß sie sich nach ihrer Entlassung furchtbar hysterisch aufgeführt hat. Sie hat sich später auch bei lebendigem Leib selber verbrannt. Man hat erzählt, daß sie in ihrer Austragsstube einen Scheiterhaufen errichtete, diesen und sich selber mit Petroleum übergoß und dann alles anzündete. So kam die Frau Schreier ums Leben.

Wie ich in meinem Brief an die Staatsanwaltschaft Augsburg geschrieben habe, kam Frau Schreier nach dem Mord von Hintekaifeck zu uns und hat meiner Mutter von dem Mordfall erzählt. Wie schon erwähnt, bezichtigte sie ihre Söhne als Täter. Als dann die Polizei zu uns ins Haus kam und meine Eltern vernommen hat, haben wir Kinder in unserer Neugierde versucht an der Türe zu lauschen. So habe ich bruchstückweise erfahren, daß Frau Schreier ihre beiden Söhne wirklich als die Mörder von Hinterkaifeck angegeben hatte. Einzelheiten über dieses damalige Gespräch habe ich nicht gehört und würde sie heute auch nicht mehr wiedergeben können. Ob die Frau Schreier geisteskrank war, kann ich nicht sagen. Ich nehme an, daß sie den Freitod gesucht hat, weil sie wegen der Mordsache mit ihrem Gewissen nicht mehr fertig wurde.

Andreas Schreier, einer der angeblichen Täter, ist einige Jahre nach dem Mordfall gestorben. Man hat damals erzählt, daß ihn der Teufel geholt habe. Bei seiner letzten Beichte hat er dem Pfarrer den Mord gestanden. Er hat den Geistlichen auch von seiner Schweigepflicht entbunden und ihm erlaubt, daß er die Sache an die Öffentlichkeit bringen darf. Nach der Beichte hat der betreffende Pfarrer seinen Kaplan beauftragt die Beerdigung durchzuführen. Er hat ihm erlaubt, am offenen Grabe die Mörder namentlich bekanntzugeben. Dies war dann der Anlaß für einen Zwischenfall, bei dem Karl Schreier versucht hat, den Kaplan ins offene Grab zu stoßen. Der Pfarrer selber ist nach der Beichte sofort nach Schrobenhausen gefahren und hat den Vorfall und das Geständnis des Andreas Schreier berichtet. Wenn ich erwähnt habe, daß Andreas Schreier vom Teufel geholt wurde, so kann ich das auch durchaus begründen. Er hat nämlich vor seinem Tode zum Pfarrer der bei ihm war gesagt, daß der Teufel mit im Zimmer stehe. Ich erin-nere mich, daß ich damals in meiner kindlichen Neugierde in das Sterbezimmer des Andreas Schreier durch das Fenster hineingesehen habe. Nach seinem Tod war das Zimmer plötzlich kohlschwarz. Ich nehme an, daß dieser Umstand dafür spricht, daß Andreas Schreier tatsächlich vom Teufel geholt wurde.


Der überlebende Bruder, Karl Schreier, hat zuletzt in Schrobenhausen gewohnt. Ich kann aber nicht sagen, ob er jetzt noch am Leben ist. Wegen dieser ganzen Angelegenheit wurde meine Familie von der Sippschaft Schreier wiederholt bedroht. Sie kamen mehrmals zu uns ins Haus und haben meine Eltern unter Druck gesetzt. Ich weiß noch, daß mein Vater dann sagte, er müsse befürchten, daß ihm das Anwesen angezündet werde, wenn er nicht die Angelegenheit verschweige. Er hat deswegen mit seinem Wissen zurückgehalten und die folgenden Jahre von der Sache nichts mehr erzählt. Meine verstorbene Mutter hat die damaligen Vorgänge in verschiedenen Schriftstücken festgehalten. Diese Schreiben habe ich teilweise heute noch. Wie ich jetzt aber feststellen mußte, fehlen wesentliche Passagen. Meine Schwägerin Kreszenz Schilling, wohnhaft in Sattelberg, LKrs. Schrobenhausen, hat einige dieser Schriftstücke an sich genommen. Sie ist aber auf mich nicht gut zu sprechen. Sie hat auch meine verstorbene Mutter schlecht behandelt. Ich bin einverstanden, daß die von meiner Mutter in der Sache hinterlassenen Schriftstücke an die Staatsanwaltschaft geleitet werden.

Zum eigentlichen Tatgeschehen möchte ich noch anführen, daß damals nach den Erzählungen meiner Mutter 6 Personen ermordet wurden. Dem Hüterjungen, der mit zu den Opfern gehörte, sind die Täter sogar in den Wald gefolgt und haben ihn dort umgebracht. Dem Buben war es nämlich anfangs gelungen wegzulaufen. Wenn mir gesagt wird, daß damals ein Junge nicht zu den Opfern des Mordes zählte, so muß das ein Irrtum sein. Meine Mutter hat mir genau erzählt, daß ein Junge mitumgebracht wurde. Meine Schwester war auch bei der Beerdigung dabei und hat miterlebt, wie die Opfer von Hinterkaifeck, darunter dieser Hüterjunge, beerdigt wurden. Das Mordwerkzeug soll ein Pickel gewesen sein. Man hat erzählt, daß dieser Pickel nach der Tat unter einer Brücke versteckt wurde und später, als man das Anwesen abriß, wieder zum Vorschein kam.

Weitere Angaben kann ich zur Sache nicht machen. Ich habe alles nach bestem Wissen und Gewissen gesagt. Es liegt mir fern, jemand falsch anzuschuldigen. Ich habe nur objektiv angegegeben, was ich in der Sache selber erfahren habe und was mir meine Mutter berichtete.

Selbst gelesen, genehmigt
Geschlossen

und unterschrieben:

Therese Tschernay
Gastl, KI

Offene Fragen/Bemerkungen

Siehe Aktenvermerk über die Vernehmung der Zeugin Th. Tschernayvom 29.06.1971