Polizeiarbeit 1922 – die Arbeit am Tatort: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Obduktion'''<br>
'''Obduktion'''<br>
Die [[Wissen: Gerichtsmedizinischer Standard bei einer Obduktion|Regeln für die Obduktion]] waren vielfältig und streng. Die genauen Lichtverhältnisse waren ebenso vorgeschrieben wie die Ausrüstung und wie sonst jeder einzelne Schritt der Sektion. <br>
Die [[Wissen: Gerichtsmedizinischer Standard bei einer Obduktion|Regeln für die Obduktion]] waren vielfältig und streng. Die genauen Lichtverhältnisse waren ebenso vorgeschrieben wie die Ausrüstung und wie sonst jeder einzelne Schritt der Sektion. Anhand dessen was über die Sektionen [[Wissen: Die Obduktion aus historischer Sicht| bekannt]] ist, fand diese nach den damaligen [[Wissen: Gerichtsmedizinischer Standard bei einer Obduktion|Vorschriften]] statt.<br>




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An Tatorten werden häufig Schuhspuren vom Täter hinterlassen. Durch geeignete Spurensicherungsverfahren, z. B. mit speziellen Klebefolien, können die Spuren gesichert und kriminaltechnisch untersucht werden. Ziel ist es dabei, Marke und Modell des verursachenden Schuhs festzustellen. Bei Vorliegen eines in Frage kommenden Verursachers (z. B. Schuh eines Tatverdächtigen) ist es häufig - anhand individueller Fertigungs- und Abnutzungsmerkmale - möglich, einen bestimmten Schuh zu identifizieren oder als Verursacher auszuschließen. Reifenspuren von Fahrzeugen können analog dazu ausgewertet werden.  
An Tatorten werden häufig Schuhspuren vom Täter hinterlassen. Durch geeignete Spurensicherungsverfahren, z. B. mit speziellen Klebefolien, können die Spuren gesichert und kriminaltechnisch untersucht werden. Ziel ist es dabei, Marke und Modell des verursachenden Schuhs festzustellen. Bei Vorliegen eines in Frage kommenden Verursachers (z. B. Schuh eines Tatverdächtigen) ist es häufig - anhand individueller Fertigungs- und Abnutzungsmerkmale - möglich, einen bestimmten Schuh zu identifizieren oder als Verursacher auszuschließen. Reifenspuren von Fahrzeugen können analog dazu ausgewertet werden.  
===Fotografie===
===Fotografie===
Die Tatortfotografie war unerlässlich zur unverfälschten und vollständigen Dokumentation des Tatortes. Dies war insbesondere deshalb wichtig, weil ein Tatort im Fortgang nicht konserviert bleibt. Besonders, was den Fundort und die Position der Leichen betraf, konnte nur die Tatortfotografie den Moment unverfälscht festhalten.<br>
'''Chancen '''<br>
*Vergrößerte Darstellung von kleinsten Spuren<br>
*"Einfrieren" des Tatortes zur weiteren Nachvollziehbarkeit<br>
'''Grenzen'''<br>
*Teures und empfindliches Material
* Belichtungssituation oft schlecht
* Zusätzliche Ausrüstung nötig (Objektive, Leitern zur Aufnahme von oben, ...)
'''Methoden und Tätigkeiten'''<br>
*Detail-/ Übersichtsaufnahmen (mit oder ohne Beleuchtung)
*Beschreibender Text für jedes einzelne Bild inklusive konkreter Maßangaben und Details zur Entstehung des Bildes (Beleuchtungssituation, Objektiv, Datum, Witterung)
'''Hilfsmittel'''<br>
* meist noch Plattenkameras
* transportable Beleuchtung Objektive
* transportable Entwicklungseinheiten
*Gerüste/Leitern für Detailaufnahmen
===Polizeihunde===
===Polizeihunde===
===Untersuchungsmöglichkeiten===
Aktive Spurensuche kann am Tatort, aber auch in der Umgebung stattfinden. Neben aufmerksamen Zeugen sollten 1922 auch Hundertschaften nach Spuren suchen. Wo das menschliche Auge nicht ausreichte, kamen schon damals sorgfältig ausgebildete Polizeihunde zum Einsatz. Weitere Informationen zum Einsatz der Hunde am Tatort finden Sie auf einer [[ Sachverhalte: Die Polizeihunde|Spezialseite]]<br>
 
'''Chancen '''<br>
*Verfolgung von Fährten
*Aufspüren (Blutspuren, Menschen, Gegenstände)
 
'''Grenzen'''<br>
*Alter der Spuren
*Witterung
*Überlagerung der ursprünglichen Spuren (z.B. durch Menschen, Chemikalien, Brand...)
 
'''Methoden und Tätigkeiten'''<br>
*Wittern/Fährtensuche
 
'''Hilfsmittel'''<br>
*ausgebildete Polizeihunde (Spürhunde, Leichensuchhunde)
*Geruchsproben (Kleidungsstücke...)
 
===Untersuchungsmöglichkeiten im Labor und in der Gerichtsmedizin===


==Widrigkeiten bei der Tatortarbeit auf Hinterkaifeck==
==Widrigkeiten bei der Tatortarbeit auf Hinterkaifeck==
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*Mobiltelefone oder aber auch einen Telefonanschluss am Tatort, bzw. beim Nachbarn gab es nicht. Im konkreten Fall waren die nächsten Telefonapparate beim Bürgermeister in Wangen, bzw. in Waidhofen beim Postagent.<br>
*Mobiltelefone oder aber auch einen Telefonanschluss am Tatort, bzw. beim Nachbarn gab es nicht. Im konkreten Fall waren die nächsten Telefonapparate beim Bürgermeister in Wangen, bzw. in Waidhofen beim Postagent.<br>
*Schnelles Kommunizieren mittels E-Mail war ebenfalls nicht möglich. Der Versand erfolgte postalisch, womit eine Bearbeitung einzelner Aspekte durchaus eine Woche oder länger in Anspruch genommen hatte.
*Schnelles Kommunizieren mittels E-Mail war ebenfalls nicht möglich. Der Versand erfolgte postalisch, womit eine Bearbeitung einzelner Aspekte durchaus eine Woche oder länger in Anspruch genommen hatte.
=== Digitalisierung===
1922 nicht vorhanden


=== Digitalisierung===
===Elektrizität===
===Elektrizität===
Das Dorf Gröbern, und damit auch der Tatort war ohne Strom, in Gröbern wurde erst nach dem Krieg ab 1946 Strom eingerichtet.
=== Tatort===
=== Tatort===
Die wohl größte Herausforderung der Ermittler war der Tatort, ein in den 1860iger Jahren erbautes Gehöft (damalige Bauweise Holz und Kalkzementputz bzw. Lehm) in dem nach vier Tagen ein Mord entdeckt wurde. Noch vor Eintreffen der ersten Ermittler wurde der Tatort durch die Auffinder verändert, und Dutzende Schaulustige hinterließen Spuren am Tatort. Zusätzlich hatte  ein loses Rind seit unbekannter Zeit Zugang zum Tatort im Stadel.
Die wohl größte Herausforderung der Ermittler war der Tatort, ein in den 1860iger Jahren erbautes Gehöft (damalige Bauweise Holz und Kalkzementputz bzw. Lehm) in dem nach vier Tagen ein Mord entdeckt wurde. Noch vor Eintreffen der ersten Ermittler wurde der Tatort durch die Auffinder verändert, und Dutzende Schaulustige hinterließen Spuren am Tatort. Zusätzlich hatte  ein loses Rind seit unbekannter Zeit Zugang zum Tatort im Stadel.


===Fotografie===
 
===Mehrere involvierte Dienststellen, neue Strukturen und Dienstwege===


===Weiteres===
===Weiteres===
Was bei der Aktenlage auffällt, ist die [[Wissen: Schwankende Schreibweise der Familiennamen|differierende Schreibweise]] diverser Namen.
Was bei der Aktenlage auffällt, ist die [[Wissen: Schwankende Schreibweise der Familiennamen|differierende Schreibweise]] diverser Namen.
Dies ist mitunter darin begründet, daß der Vernehmende diesen nach Gehör aufschrieb, und er erst nach Ermittlungen deie korrekte Art erhielt. Manchmal wurde anstelle des Familiennamens auch nur der [[Wissen: Hausnamen|Hausname]] genannt. Das Ausfindigmachen dieser Personen nahm dann natürlich auch einige Zeit in Anspruch, insbesondere wenn diese andernorts im Dienst waren.
Dies ist mitunter darin begründet, daß der Vernehmende diesen nach Gehör aufschrieb, und er erst nach Ermittlungen die korrekte Art erhielt. Manchmal wurde anstelle des Familiennamens auch nur der [[Wissen: Hausnamen|Hausname]] genannt. Das Ausfindigmachen dieser Personen nahm dann natürlich auch einige Zeit in Anspruch, insbesondere wenn diese andernorts im Dienst waren.


===Übersicht===
===Übersicht===
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===Nachweis von Blut===
===Nachweis von Blut===
Gesichert ist, anhand des [[Dokumente: 1922-04-06 Begleitschreiben zur Kreuzhacke von Reingruber an Prof. Dr. Merkel|Auftragsschreiben und der Rückantwort von Professor Merkel  des Ger. med. Institut München]],  daß die im Stall aufgefundene [[Sachverhalte: Kreuzhacke| Kreuzhacke]] sehr zeitnah auf menschliche Blutspuren hin untersucht wurde. <br>
Nach dem Fund der Reuthaue wurde auch diese von Professor Merkel auf Blutspuren sowie auf Fingerabdrücke untersucht. Der Nachweis von Blut auf der Reuthaue gelang, was in einer [[Dokumente: 1923-03-21 Untersuchungsbericht Reuthaue|Zusammenfassung]] des Oberinspektor Rubner nachzulesen ist.<br>
Ungeklärt bleibt, ob die Spurensicherung anhand der Blutspuren am Tatort irgendwelche, und wenn ja welch Rückschlüsse ziehen konnten, bzw. ob dies überhaupt untersucht wurde.<br>
===Werkzeugspuren===
===Werkzeugspuren===
===Reifenspuren===
In der Nacht auf den 30.03.1922  soll es  zu einem Einbruchsversuch gekommen sein, dies berichten mehrere Zeugen, und zeitnah auch Zeitungen.  Eine Gegenüberstellung aller Aussagen und Artikel sind im Rahmen eines Aktenchecks [[Aktencheck Einbruchsversuch /Fußspuren|hier]].<br>
 
Unbekannt ist, ob eine Untersuchung der Einbruchsspuren  stattgefunden hatte. Dies ist insofern aber naheliegend, da der Auffindezeuge Schlittenbauer im Rahmen seiner [[Aussagen: 1922-04-05 Schlittenbauer Lorenz|Aussage]] den Ermittlern davon berichtete, und der Sachverhalt 1926 in die umfangreiche [[Dokumente: 1926-11-06 Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayer|Zusammenstellung des Staatsanwaltes Pielmayer]] einfließt, der sich  dazu auf Erhebungen beruft.<br>
 
==Bewertung: Schwierigkeiten der Polizeiarbeit im Fall Hinterkaifeck==
Die damaligen Möglichkeiten der Polizei unterschieden sich bei Weitem von den heutigen. Telefone waren selten, die Wege zwischen München und dem Tatort sehr weit, das Wetter und die Straßenverhältnisse schlecht, Autos und Personal nicht grenzenlos verfügbar und gegenseitige Ressentiments zwischen Dorf- und Kriminalpolizei erschwerten die Ermittlungen.<br>
Mit welchen Hindernissen musste sich die Polizei im Mordfall Hinterkaifeck auseinandersetzen?<br>
===Organisatorisches===
====Späte Auffindung====
Die Leichen wurden erst 4 Tage nach der Tat entdeckt. Dabei ging wertvolle Zeit für die Spurensicherung aber auch für die Ermittlungen verloren.
====Große Entfernungen/ Schlechte Straßen====
Bis zur Benachrichtigung der Münchner Kriminalpolizei vergingen fast 2 Stunden. Noch einmal 3,5 Stunden dauerte es, bis die Kriminalpolizei in München aufbrechen konnte. Auf schlechten Straßen und in der Dunkelheit dauerte die Fahrt mehrere Stunden.
====Neue Strukturen innerhalb der Bayerischen Polizei====
Erst 4 Tage zuvor war eine komplett neue Strukturierung der Ermittlungsbehörden in Kraft getreten. Viele Dienstwege waren noch unbekannt oder ungewohnt, viele Zuständigkeiten unklar.
====Fehlender Stromanschluss====
„Das Elektrische“ war auf Hinterkaifeck nie angekommen. Deshalb kam die Kriminalpolizei erst bei Tagesanbruch des 5. Aprils 1922 an den Tatort.
====Mühsame Kommunikation/ Viele involvierte Dienststellen / Fehlende Akten====
Die neue Struktur der Polizeibehörden in Bayern stellte eine große Herausforderung für die Ermittler dar. Die einzelnen Abteilungen mussten sich in das neue Gefüge einpassen und neue Kommunikationswege beachten – ganz ohne moderne Hilfsmittel. Aktensammlungen wurden an mehreren Stellen und in unterschiedlichem Umfang angelegt.
Einige Akten gingen schon während der zeitnahen Ermittlungen verschütt. Nach der Augsburger Bombennacht von 1944 verlieren sich zudem die Spuren der Asservate und vieler wichtiger Akten.
====Schwächen der Zeugenaussagen====
Mangels Sachbeweisen waren die Zeugenvernehmungen das Greifbarste bei den Mordermittlungen. Dass diese sich in wesentlichen Dingen unterschieden oder große Lücken aufwiesen machte die Aus- und Bewertung nicht gerade leicht. Es gab anscheinend keinen einheitlichen Fragenkatalog, die Zeugenaussagen ähneln einer freien Rede, so dass viele Angaben nur einfach beschrieben sind und nicht durch weitere Aussagen bestätigt wurden.
====Auswahl der Zeugen====
Die zeitnahen Zeugenaussagen vermitteln einen pragmatischen, eher groben Ansatz der Befragungen mit dem Focus auf ortsfremde Täter und dementsprechenden Beobachtungen..
Das erst später vervollständigte Bild über die Opfer und deren Verhältnisse war dann auch oft schon von den Ereignissen geprägt und nicht mehr unbelastet.
====Schnelle Festlegung auf ein Tatmotiv====
Die Ermittler gingen sehr früh von einem Raubmord. Im Umfeld der Opfer wurde zunächst nicht ermittelt.
===Beschränkungen in der Beweissicherung===
====Späte Tatortabsperrung====
Bis zum Eintreffen der Polizei auf Hinterkaifeck vergingen mehrere Stunden, in denen Schaulustige den Hof und die Leichen besichtigten. Die Ermittler fanden keinen Originaltatort vorgefunden vor – die Leichen waren bewegt worden, die Tiere gefüttert.
====Keine Fingerabdrücke gesichert====
Obwohl die Daktyloskopie schon seit mehr als 30 Jahren Routine war (u.a. im Bereich der Erfassung von Straffälligen) waren die technischen Methoden zur Sicherung von Fingerabdrücken begrenzter als heute. Beste Chancen hatten Spurensicherer bei sofortiger Sicherung, mit jedem Tag degradierten die Spuren. Eine unüberschaubare Anzahl von Schaulustigen hatte zudem den Tatort kontaminiert, so dass die Abgrenzung zu dem oder den Tätern 4 Tage nach der Tat nahezu ausgeschlossen war.
====Spürhunde====
Nach 4 Tagen mit Schnee und Regen und Sturm gab es für damalige Polizeihunde nichts mehr zu wittern. Zumal zwischen Auffindung und Eintreffen der beiden Polizeihunde mehrere Dutzend Schaulustige im und um den Hof anwesend waren.
====Fußabdrücke====
Die Witterung erlaubte keine Sicherung von gefundenen Fußspuren und die Anwesenheit der vielen Schaulustigen hätte die Zuordnung zu einem Täter schwierig gemacht.
====Fotografie====
Es gibt von den 3 Tatorten nur 4 Tatortfotos, dazu 1 Hofbild von der Südseite. Fotomaterial war teuer, sehr empfindlich und 80km von der Münchner Ermittlungszentrale nicht spontan zu beschaffen,  das Fehlen von Strom auf dem Hof machte die Beleuchtung zu einem Kraftakt.


==Quellen==
==Quellen==
[https://www.armeemuseum.de/de/ausstellungen/archiv-sonderausstellungen/1008-2016-sonderausstellung-hinterkaifeck-ausfuehrlich.html Mythos Hinterkaifeck – Auf den Spuren eines Verbrechens]<br>
[https://www.armeemuseum.de/de/ausstellungen/archiv-sonderausstellungen/1008-2016-sonderausstellung-hinterkaifeck-ausfuehrlich.html Mythos Hinterkaifeck – Auf den Spuren eines Verbrechens]<br>
[[Kategorie:Polizeiarbeit]]