Dokumente: 1922-06-30 Beschluß der Zivilkammer des Landgerichts Neuburg/Donau in der Erbsache Gabriel: Unterschied zwischen den Versionen

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Auch das Beschwerdegericht ist der Anschauung, daß die in der fraglichen Nacht ermordeten 6 Personen in einer „gemeinsamen Gefahr“ im Sinne des § 20 BGB. Umgekommen sind, so daß kraft Gesetzes zu vermuten ist, daß sie <u>gleichzeitig gestorben</u> sind.<br>
Auch das Beschwerdegericht ist der Anschauung, daß die in der fraglichen Nacht ermordeten 6 Personen in einer „gemeinsamen Gefahr“ im Sinne des § 20 BGB. Umgekommen sind, so daß kraft Gesetzes zu vermuten ist, daß sie <u>gleichzeitig gestorben</u> sind.<br>
Die Annahme einer gemeinsamen Gefahr hat zur Voraussetzung, daß das Ereignis, welches die Gefahr herbeigeführt hat ein und dasselbe ist. Es muß sich um eine äußere Gefahr, einen das Leben bedrohenden Unglücksfall handeln;ein und diesselbe Gefahr, ein und diesselbe Bedrohung des Lebens muß sich für die Betroffenen verwirklicht haben: z. B. Schiffsuntergang, Brand, schlagende Wetter in einem Bergwerk. Der Begriff der gemeinsamen Gefahr darf jedoch auch nicht zu eng gefaßt werden. cf. Standinger zu § 20 BGB. Anm. 3 Ziffer 2 und Plank Komm xxx.<br>
Die Annahme einer gemeinsamen Gefahr hat zur Voraussetzung, daß das Ereignis, welches die Gefahr herbeigeführt hat ein und dasselbe ist. Es muß sich um eine äußere Gefahr, einen das Leben bedrohenden Unglücksfall handeln;ein und diesselbe Gefahr, ein und diesselbe Bedrohung des Lebens muß sich für die Betroffenen verwirklicht haben: z. B. Schiffsuntergang, Brand, schlagende Wetter in einem Bergwerk. Der Begriff der gemeinsamen Gefahr darf jedoch auch nicht zu eng gefaßt werden. cf. Standinger zu § 20 BGB. Anm. 3 Ziffer 2 und Plank Komm xxx.<br>
Der Raubüberfall und die Ermordung der sämtlichen Einwohner des Einzelhofes in Hinterkaifeck in der Mordnacht sind als ein einziges Ereignis als ein Ganzes anzusehen, wenn auch die 6 Menschen nicht in einer Minute den tödlichen Schlag erhalten haben mögen, sondern jedenfalls aber in ganz kurzen Zeiträumen nach einander abgeschlachtet wurden. Die Gesamtheit der Vorgänge in jener Nacht kann nicht auseinander gerissen werden, sondern ist als die gemeinsame Gefahr, in welcher alle Insassen das Leben verloren haben anzusehen.
Der Raubüberfall und die Ermordung der sämtlichen Einwohner des Einzelhofes in Hinterkaifeck in der Mordnacht sind als ein einziges Ereignis als ein Ganzes anzusehen, wenn auch die 6 Menschen nicht in einer Minute den tödlichen Schlag erhalten haben mögen, sondern jedenfalls aber in ganz kurzen Zeiträumen nach einander abgeschlachtet wurden. Die Gesamtheit der Vorgänge in jener Nacht kann nicht auseinander gerissen werden, sondern ist als die gemeinsame Gefahr, in welcher alle Insassen das Leben verloren haben anzusehen.<br>
 
Die gesetzliche Vermutung des § 20 BGB. spricht also dafür, daß die in dieser Nacht Erschlagenen gleichzeitig gestorben sind.<br>
im Aufbau
Diese Vermutung ist durch die gepflogenen Erhebungen bis jetzt nicht widerlegt. Der Beschwerdeführer muß selbst zugeben, daß zur Zeit ein direkter Nachweis dafür, daß die Zäzilie Gruber nach ihrer Mutter gestorben ist nicht erbringen läßt. Die in der Beschwerde angeführten Umstände, die dafür sprechen sollen, daß das Kind nach seiner Mutter gestorben ist, sind nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung zu entkräften. Es handelt sich um nichts weiter als Vermutungen. Der Beschwerdeführer übersieht, daß auch, wenn feststehen würde, in welcher Reihenfolge den Ermordeten von dem oder den Tätern der tötliche Schlag beigebracht wurde damit noch nicht mit Sicherheit feststehen würde, daß auch der Tod in dieser Reihenfolge eingetreten ist. Es ist leicht denkbar, daß die Mutter Viktoria Gabriel trotz der zuerst empfangenen tötlichen Verletzung noch einige, wenn auch kúrze Zeit gelebt hat, während das Kind sofort nach Erhalt des Schlages verschieden ist.<br>
Das Beschwerdegericht teilt deshalb aufgrund des § 20 BGB. die Annahme des Nachlaßgerichts, daß die Mutter und das Kind gleichzeitig gestorben sind und daher die Zäzilia Gabriel für die Erbfolge auszuscheiden hat.<br>
Erbe kann nur werden, wer zur Zeit des Erbfalles lebt § 1923 BGB. Hat das Kind seine Mutter nicht überlebt, so kann es sie nicht beerbt haben. Damit ist aber dem Anspruch des Antragstellers jeder Boden entzogen, denn er gründet seine Ansprüche an den Nachlaß und seine Einwendungen gegen den ausgestellten Erbschein einzig und allein darauf, daß das Kind seine Mutter überlebt hat.<br>
Die Ausstellung des Erbscheins durch das Nachlaßgericht auf die dort aufgeführten Erben ist demnach mit Recht erfolgt und war deshalb die erhobene Beschwerde  als unbegründet zurückzuweisen mit der Folge, daß die Kosten des Beschwerdeverfahrens dem Beschwerdeführer, der sie verursacht hat, zur Last fallen. Art. 131 AG. z. BGB.<br>
gez. Matthäus st. LGDir.    Scheidle LGRat    Hirschböck LGRat<br>
:::::Vorstehende Ausfertigung lautet gleich der Urschrift. Eine Ausfertigung vorstehenden Beschlußes wurde dem Beschwerdeführer, RA JR. Graf von amtswegen zugestellt.<br>
<div align="center"> Neuburg a. D. , den 8. Juli 1922</div>
<div align="center"> Der Gerichtsschreiber des Landgerichts.</div>
<div align="center">eigenhändige Unterschrift</div>
8.532

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