Sachverhalte: Sühneverfahren / Gerichtsverfahren Schlittenbauer Lorenz gegen Sigl Jakob
Sühneverhandlung / Gerichtsverfahren zwischen Lorenz Schlittenbauer und Jakob Sigl
Laut der Zusammenfassung des Staatsanwaltes Pielmayr hat es zwischen Lorenz Schlittenbauer und Jakob Sigl mehrere Privatklagen gegeben. Pielmayr berichtet aber nur von der zeitlich gesehen letzten Privatklage, die vor dem Verfassen der Zusammenfassung am 06.11.1926 statt gefunden hat.
Es ist nicht zu erkennen, ob es sich um ein Sühneverfahren handelt oder ob die Verhandlung vor einem Gericht statt gefunden hat. Da Pielmayr in seiner Zusammenfassung die jeweiligen Aktenkennzeichen zu den erwähnten Verhandlungen vor einem Gericht anfügt, ist ein Sühneverfahren wahrscheinlicher, denn zu dem Verfahren Schlittenbauer ./. Sigl wurde von Pielmayr kein Akenzeichen genannt.
Pielmayr berichtet folgendes:
Am 04.04.1922 soll Schlittenbauer auf dem Weg nach Hinterkaifeck zu den späteren Auffindzeugen, Michael Pöll und Jakob Sigl, gesagt haben: "„Nachbar, in Kaifeck habens alle erschlagen“. Sigl war der Meinug, dass damit nachgewiesen sei, dass er vor der Entdeckung der Leichen, bzw. den Morden bereits Kenntnis über die Situation auf Hinterkaifeck hatte.
Über den Verlauf des Verfahrens, das Urteil und die Strafe berichtet Piemayr jedoch nicht.
Aus der Aussage des Lorenz Schlittenbauer vom 30.03.1931 geht hervor, dass Schlittenbauer Sigl angezeigt hatte, weil er ihn den "Kaifecker Mörder" nannte. Schlittenbauer gibt an, dass Sigl in einem Sühneverfahren zu einer Zahlung von 40 Mark verurteilt wurde. Ob Sigl das Geld an eine Armenkasse entrichten musste, was zu dieser Zeit nicht ungewöhnlich war, oder an Schlittenbauer bezahlt hat, geht aus der Aussage nicht hervor. Schlittenbauer erwähnt auch nicht, wann das Verfahren statt gefunden hat.
Falls sich der nachfolgende Artikel, der am 28.01.1926 von Lorenz Schlittenbauer im Schrobenhausener Wochenblatt veröffentlicht wurde, auf das Verfahren bezieht, könnte das Verfahren in den Jahren 1925 / 1926 statt gefunden haben.
Öffentliche Warnung
Ich warne jeden, die Gerüchte, als ob ich bei dem Mord in Hinteraifeck beteiligt gewesen sei, weiter zu verbreiten. Von nun ab werde ich gegen Jeden ob er vermögend ist oder nicht, mit Klage vorgehen, der solche Gerüchte aufbringt oder verbreitet. Ich stehe auf dem Standpunkt, dass des Menschen Ehre durch böse Mäuler gleich genommen, dass aber diese Sorte von Menschen nie im Stande ist, des Menschen Ehre wieder zu geben.
Gröbern, den 26. Januar 1926
Lorenz Schlittenbauer
Ökonom
Der zuständige Bürgermeister nimmt an solchen Sühneverhandlungen teil. In diesem Fall müsste es sich um Bürgermeister Michael Gall gehandelt haben, da er seit 1923 das Amt inne hatte. Er löste den damaligen Bürgermeister Georg Greger ab, der 1926 nach München reiste und den Ermittler im Mordfall Hinterkaifeck, Georg Reingruber, über das stattgefundene Sühneverfahren informierte.
In der o.g. Aussage berichtet Schlittenbauer von einem Verfahren, bei dem Schlittenbauer Sigl vorgeworfen hatte, dass er seinen Sohn, Johann Schlittenbauer, dazu verleiten wollte, einen Meineid zu leisten. Die Art des Verfahrens wird nicht genannt. Es könnte also ein Gerichtsverfahren oder ebenfalls ein Sühneverfahren gewesen sein.
Da Schlittenbauer die Beschuldingung nicht beweisen konnte oder wollte, wurde er wegen falscher Anschuldigung verurteilt.
Schlittenbauer gab an, er hätte es beweisen können, aber Sigl hätte ihm leid getan und so nahm er die Strafe auf sich.
Lorenz Schlittenbauer sagte, er wäre drei Mal gestraft worden. Der Hintergrund dieser Aussage und die Strafen, die er verbüssen musste, ist/sind nicht bekannt.
So, wie Schlittenbauer die Verleumdungsklage und die Anstiftung zum Meineid schildert, drängt sich der Verdacht auf, dass beide Taten in einer Verhandlung besprochen und abgeurteilt wurden. Da aber in einer Verhandlung nur eine Straftat verhandelt wird, ist es wahrscheinlicher, dass es sich um zwei Verfahren handelt. Die Verhandlung in Sachen Meineid müßte ein gerichtliches Strafverfahren gewesen sein, da diese Tat schwerwiegend war und die Strafe mit Zuchthaus geahndet wurde.
In der Weltbildausgabe vom 05.05.1952 erzählte Jakob Sigl den Weltbildjournalisten, Heinz Ulrich und Gerhard Gronefeld, dass er zu einer Zahlung von 20 Mark verurteilt worden sei, da er von Schlittenbauer wegen Verleumdung angezeigt wurde. Er fragte ihn, wo er denn den Schlüssel her hatte, mit dem er am 04.04.1922 die Haustüre auf dem Hinterkaifeckerhof aufgeschlossen hatte, um Sigl und Pöll ins Haus zu lassen. Michael Pöll, der Schlittenbauer ebenfalls nach dem Schlüssel gefragt haben soll, wurde nicht angezeigt. Nach der Aussage von Jakob Sigl hatte Schlittenbauer Angst vor Pöll und deshalb hätte er nur ihn (Sigl) angezeigt.
Wenzeslaus Bley berichtet in seiner Aussage vom 08.08.1930 ebenfalls von einer Sühneverhandlung. Sigl soll gesagt haben, dass die Zeugen aus Angst vor Lorenz Schlittenbauer nicht die Wahrheit gesagt hätten.
Zusammenfassung
Es ist nicht nachzuvollziehen, wieviele Verfahren zwischen Schlittenbauer und Sigl statt gefunden haben. Es kann nicht geklärt werden, ob eine der o.g. Personen vom gleichen oder von verschiedenen Verfahren berichten. Sollten die Angaben der Wahrheit entsprechen, müssten es mindestens vier Verfahren gegeben haben:
1.) Anzeige wegen Verleumdung, da Schlittenbauer angeblich schon vor der Auffindung wusste, dass die Hinterkaifecker erschlagen wurden (Zusammenfassung Pielmayr);
2.) Anzeige wegen Rufmord ("Kaifecker Mörder");
3.) Anzeige wegen Verleitung zu einem Meineid (Johann Schlittenbauer);
4.) Anzeige wegen Verleumdung im Bezug auf den Haustürschlüssel der Hinterkaifecker (Weltbildinterview);
Offene Fragen/Bemerkungen
Unterlagen, die genauere Angaben zu den jeweiligen Verfahren beinhalten sind (zur Zeit) nicht vorhanden.
Quellen/Herkunft
Allmystery;
Zusammenfassung StA. Pielmayr;
Aussage des Lorenz Schlittenbauer vom 30.03.1931;
Weltbildausgabe vom 05.05.1952;
Aussage des Wenzeslaus Bley vom 08.08.1930