Theorien: Schlittenbauer Lorenz
Hintergründe zu dem Tatverdächtigen Lorenz Schlittenbauer
Im nachfolgenden Text wird der Name Lorenz Schlittenbauer mit "LS" (L- Lorenz, S- Schlittenbauer) abgekürzt.
Vorgänge bis Ende 1918
LS hatte nach eigenen Angaben fünf Mal Geschlechtsverkehr mit Viktoria Gabriel. Die Affaire begann etwa zwei Wochen nach dem Tod seiner ersten Frau, Viktoria Schlittenbauer.
Viktoria Gabriel wurde schwanger.
Vorgänge in der Zeit der Schwangerschaft von Viktoria Gabriel
Als sie den mutmasslichen Vater LS informierte, äusserte Schlittenbauer Zweifel an der Vaterschaft. Er hatte den Verdacht, dass auch der Vater von Viktoria, Andreas Gruber, als Vater des ungeborenen Kindes in Frage kommen könnte. Unbegründet war dieser Verdacht nicht, denn Viktoria Gabriel und Andreas Gruber wurden 1915 wegen Inzest verurteilt.
In einem Gespräch soll Viktoria zu ihm gesagt haben, Zitat: "Das ist das Beste, was ich sagen konnte, Vater Du bist auch dabei, sonst tät er mich erschlagen".
Lorenz hatte beim alten Gruber um die Hand seiner Tochter angehalten, er wollte Vikroria heiraten. Erst stimmte Gruber einer Heirat zu, kurze Zeit später soll er die Erlaubnis zurück genommen haben. LS führte dies auf die Tatsache zurück, Zitat: "...dass er den Geschlechtsverkehr mit seiner Tochter aufhören müsse. Er solle sich bekehren von seinen Sünden und seine Tochter werde ich dann schon auf die rechten Wege führen. Ich sagte ihm auch, dass ich ein guter Christ sei und solche Sachen nicht leiden könne...
Vorgänge nach der Geburt des Kindes
Nachdem Josef Gruber geboren wurde, gab man Lorenz Schlittenbauer als Vater an. Schlittenbauer wies die Vaterschaft ab. Er zeigte Andreas Gruber und Viktoria Gabriel am 10.09.1919 wegen Blutschande an (siehe Zusammenstellung des StA. Pielmayr). A. Gruber wurde aufgrund der Anzeige am 13.09.1919 in Untersuchungshaft genommen wurde. Über die Gründe, warum Viktori G. nicht in U-Haft kam, kann nur spekuliert werden. Ev. weil sie erst kürzlich ein Kind zur Welt gebracht hatte.
Viktoria Gabriel soll ihn dann bekniet haben, die Vaterschaft von Josef zu übernehmen. Sie würde ihm auch das nötige Geld, welches er in Form von Alimenten zurückzahlen sollte, "vorschiessen". Damit hätte er keine Ausgaben für Josef. Auch eine Heirat wurde ihm angeblich wieder in Aussicht gestellt. So könnte die Situation aus der Aussage von LS zu deuten sein.
LS nahm die Anzeige am 25.09.1919 vor dem Ermittlungsrichter zurück und kannte Josef am 30.09.1919 als seinen Sohn an. Zwischenzeitlich, am 27.09.1919, wurde Gruber aus der U-Haft entlassen (siehe Zusammenfassung des StA. Pielmayr).
Er machte eine Einmalzahlung, was zu dieser Zeit nichts Ungwöhnliches war, über 1800 Mark. Zuvor soll ihm Viktoria Gabriel 2000 Mark in bar und Wertpapiere über 3000 Mark gegeben haben. Nach Festlegung der Summe habe er das restliche Geld und die geldwerten Papier freiwillig zurück gegeben (siehe Aussage LS).
Vorgänge nach der Vaterschaftsanerkennung / Blutschandeprozess
Es muss nun zu einem Vorfall gekommen sein, der nicht bekannt ist. Denn LS zeigte ca. am 08.10.1919 A. Gruber erneut an. Ob Viktoria G. auch angezeigt wurde ist nicht bekannt. Die Polizei glaubte ihm nicht, da es schon einmal eine Anzeige gemacht und wieder zurück genommen hatte. LS machte aber seine Aussage am 23.10.1919 unter Eid und so erhob die Staatsanwaltschaft Neuburg an der Donau am 31.12.1919 Klage.
Der Prozess im Mai 1920 brachte keinen erneuten Inzest ans Tageslicht. A. Gruber und Viktoria G. wurden frei gesprochen.
Es heisst, man hätte keinen erneuten Inzest nachweisen können und der Zeuge LS hätte wiedersprüchliche Aussagen gemacht.
Dieser Sachverhalt ist der Zusammenfassung des StA. Pielmayr entnommen.
Da A. Gruber keine Haftentschädigung für die Untersuchungshaft bekommen hatte, ist es naheliegend, dass es ein Freispruch aus Mangel an Beweisen war. Auch Lorenz Schlittenbauer wurde nicht wegen eines Meineides gesetzlich belangt.
Die Familie war zerstritten, was sich aber laut LS mit der Zeit wieder gegeben hatte. Er habe wieder mit dem Gruber gesprochen.
Verdachtsmoment Auffindung
LS gehörte zu den Auffindzeugen. In den Berichten zur Auffindung wird erläutert, dass die beiden anderen Auffindzeugen Sigl und Pöll nach dem Anblick der Toten im Stadl auf den Hof geflohen sind und LS mit den Worten: "Wo mag denn dann mein Buberl sein" ohne Angst weiter ins Haus vorgedrungen ist.
Pro
LS musste keine Angst davor haben, den oder die Täter im inneren des Hauses anzutreffen, da er als Täter wusste, dass niemand mehr da ist.
Kontra
LS dachte nur noch an Josef und war sich einer Gefahr im Haus nicht bewusst.
Verdachtsmoment Fahrt nach Schrobenhausen
Es gibt ein Gerücht, dass Andreas Schwaiger Anfang der 50ziger Jahre aufgebracht hatte. Angeblich hätte er es von Dritten erfahren: Viktoria soll mit Thomas Schwaiger in dessen Fuhrwerk nach Schrobenhausen gefahren sein, um dort "reinen Tisch zu machen". Etwa zur gleichen Zeit erschien im Schrobenhausener Wochenblatt ein Bericht, in dem ein Gerichtsurteil erläutert wurde. Eine alleinerziehende Mutter hatte aufgrund der eingetretenen Inflation mehr Unterhalt für ihr Kind eingeklagt. Ihrer Klage wurde statt gegeben. Schwaiger gibt an, dass auch Viktoria sich dazu durchgerungen hatte, weitere Alimente von LS für Josef zu fordern.
Pro
Es ist nie geklärt worden, warum Viktoria in Schrobenhausen war. Die Aussage von Schwaiger wurde somit nie wiederlegt.
Kontra
- Es ist nie etwas öffentlich geworden. Es stellt sich die Frage, ob ein Beamter bei Gericht oder ein Anwalt sich nach den Morden gemeldet hätte, wenn Viktoria tatsächlich vorstellig geworden wäre. Ein solches Vorgehen von Viktoria könnte das Motiv sein.
- Wenn Viktoria tatsächlich die Alimente vorgeschossen hatte, wäre das ein ziemlich dreister Schritt. Es ist auch fraglich, ob die Vereinbarung zur Alimentenzahlung im Prozess 1920 zur Sprache kam. Wenn, hätte Viktoria keine Aussicht auf Erfolg gehabt und hinter ihrem Rücken wäre wohl getuschelt worden "erst schiesst sie das Geld vor und jetzt will sie doch Geld von LS, Bereicherung auf eine übele Art und Weise"...
Verdachtsmoment Vorgehen am Tatort
LS wäre dann sehr arbeitsam gewesen. Hätte das Vieh gefüttert, zwei stark geschwächte Ferkel zu seinem Hof gebracht, die Stall sauber gemacht und aufgeräumt. Nach eigenen Angaben wollte er nur helfen. Sein Verhalten am Auffindtag und in den Tagen danach sei seltsam gewesen, berichten Zeugen wie A. Schwaiger, Krim. Kom. Reingruber in seinem Bericht und Jakob Sigl in seiner Aussage im April 1922 und im Januar 1952.
Pro
- Als Täter muss er sich in einer ungemeinen Stresssituation befunden haben, die ein "komisches" Verhalten begründen würde.
- Das "sich unentbehrlich zeigen" könnte eine bewusste Massnahme gewesen sein, um das Geschehen vor Ort mitzubekommen und ev. entsprechend zu reagieren oder dagegen zusteuern.
Kontra
Die Tatsache, dass er Menschen tot aufgefunden hatte, die er schon sehr lange kannte, kann zu einem solchen Verhalten geführt haben.
Verdachtsmoment Spuren beseitigen
Um Spuren zu verwischen hätte LS habe sauber gemacht und die Schaulustigen ins Anwesen gelassen, so Andreas Schwaiger.
Pro
Sein Vorgehen wäre eine gute Massnahmen gewesen, um Spuren zu beseitigen.
Kontra
- Wäre er der Täter gewesen, hätte er vier Tage Zeit gehabt, die Spuren zu verwischen, warum also bis zur Auffindung warten und ein Risiko eingehen?
- Nachdem die Gendarmen Plank und Goldhofer zusammen mit dem Bürgermeister aus Wangen Greger am Tatort eingetroffen waren, schafften sie es nicht, das Anwesen zu räumen. Erst durch Verstärkung der Gendarmerie Schrobenhausen wurde das Gebäude abgesperrt. Was der Polizei nicht gelang kann einem LS auch nicht angelastet werden.
Verdachtsmoment Haustürschlüssel
Gruber soll kurz vor der Tat zu verschiedenen Leuten, (siehe Vork. v. d. Tat) gesagt haben, dass ihm der Haustürschlüssel abhanden gekommen sei. Am Auffindtag schliesst LS die Haustür von innen auf, um Sigl und Pöll ins Haus zu lassen, so die Aussage des Auffindzeugen Sigl.
Pro
Er hatte den Schlüssel bei sich und ihn bei den Tatvorbereitugnen entwendet.
Kontra
- Wenn es so gewesen wäre, hätte sich LS mit der Aussage, er sei sicher, dass es keinen zweiten Schlüssel gab, selbst belastet. Nicht zu wissen, wieviele Schlüssel es gab oder gar anzugeben, es gäbe ganz sicher zwei Schlüssel, hätte ihm mehr gedient.
- Wie soll LS in den Besitz des Schlüssels gekommen sein?
Verdachtsmoment Aussage
Während einer Vernehmung sagte LS im Bezug auf die Morde "Da hatte der Herrgott die Hand am rechten Fleck". Hierbei spiegelt sich die starke Abneigung gegenüber den HKlern.
Pro
LS äussert, vielleicht sogar etwas unbewusst, wie tief seine Abneigung der Familien gegenüber war.
Kontra
- Es handelt sich um einen Satz, der sich zwar makaber anhört, dennoch eine allgemeine Redewendung ist.
- LS bezieht es auf seine privaten Auseinnadersetzungen mit der Familie und auch auf die Umstände, die in der Familie herrschten oder geherrscht haben (z.B. den Inzestvorwürfen aus 1920 oder der Verurteilung wg. Inzest 1915).
Verdachtsmoment Reuthaue
Als man den Hof abgerissen hat, fand man die Reuthaue im Fehlboden. Schwaiger gab in seiner Aussage 1980 an, dass LS die Haue angeblich als die Seine identifiziert habe: "„Weil der alte Gruber und der Schlittenbauer Lenz nebeneinander ein Holz hatten. Da hat man im Winter Stöcke rausgetan. Der Gruber hat da sein Holz gehabt und der Schlittenbauer hat es da hinauf gehabt. Nebeneinander haben sie Stöcke rausgetan. Am Abend ist das Werkzeug genommen worden, Feierabend gewesen, Stockloch rein und Gras darauf und am anderen Tag wurde wieder weitergearbeitet. Der Schlittenbauer Lenz sagte, als die Stockhaue gefunden wurde: ‘Jetzt sehe ich meine Stockhaue auch wieder, die hat mir der alte Gruber gestohlen.‘ Durch das ist sie dann beim alten Gruber im Hof drinnen gewesen.“
Pro
- LS könnte als Mörder die Tatwaffe mitgebracht haben.
- LS machte diese Aussage, weil er Angst vor Fingerabdrücken auf der Haue hatte.
Kontra
- Wenn sie LS gehörte hätte, hätte er vor dem Abriss dafür sorgen können, dass sie verschwindet.
- Schwaiger erwähnt weder in seiner Aussage 1922 noch in Der aus den 50ziger Jahre etwas über die Eigentumsverhältnisse. Neben der "Reuthauensache" erläutert er weitere Dinge, die nicht der Wahrheit entsprochen haben. Details findet man in seiner Aussage aus dem Jahre 1980.
- Kann man davon ausgehen, dass LS nicht wusste, dass dieses Werkzeug als Tatwaffe, also als Beweis, sichergestellt wird dem selbsternannten Besitzer nicht zurück gegeben werden kann?
Verdachtsmoment Rückzahlung der Alimente
- Ein weiters Gerücht besagt, dass LS nach der Tat die gezahlten Alimente zurück haben wollte.
Pro
- LS zeigt damit, wie unwichtig ihm diese Sache ist und er seinen Schwerpunkt auf den gezahlten Alimente legt.
- Wenn Viktoria ihm tatsächlich die Alimente vorgeschossen hatte, hätte sich LS mit dem Geld dreist und makaber bereichert.
Kontra
- LS könnte gedacht haben, dass Josef mit dem Geld nicht mehr lebendig wird und er es ja schliesslich für seinen Sohn gezahlt hat und nicht für die Erben.
- Wenn er das Geld nie aus eigener Tasche bezahlt hat, hätte er im Nachhinnein noch eine kleine Entschädigung für seine Scherereien bekommen/haben wollen.
Verdachtsmoment Alibi
Während des Verhörs 1930 hat man ihm vorgehalten, dass er angeblich in der Tatnacht auf Heuwache war, allein. Man hätte es von seiner Frau Anna erfahren. LS zeigt sich entrüstet und behauptet, es sei nicht wahr. Er wäre bei seiner Frau gewesen.
Pro
Er hat kein Alibi
Kontra
Das fehlende Alibi wird später nicht mehr erwähnt. Ein Grund dafür könnte sein, dass man Anna Schlittenbauer mit den Angaben des Zeugen konfrontiert hatte und sich dabei ein Missverständnis zu Gunsten von LS aufgeklärt hat.
Verdachtsmoment häusliche Gegebenheiten
LS kannte sich im Wohnhaus des Hinterkaifeckerhofes gut aus. Dieser Umstand wird häufig bei dem oder den Tätern vermutet.
Pro
Damit würde LS ein Kriterium (wenn es auch nur hypotetisch ist) erfüllen.
Kontra
Nicht nur LS kannte sich im Anwesen aus.
Verdachtsmoment Verdächtigungen
LS wird über die Jahre hinweg immer wieder von verschiedenen Personen verdächtig. Dabei handelt es sich nicht ausschliesslich um Menschen aus dem direkten Umfeld wie Jakob Sigl oder Andreas Schwaiger, sondern auch um Leute, die nicht nahe am Geschehen lebten oder damit zu tun hatten, wie z.B. Matthias Rammelmeier, Joseph Messner und Sebastian Maier. Auch die Polizei erfährt von den Vorwürfen und Verdächtigungen. Es wird eine "Sonderakte Schlittenbauer" angelegt.
Pro
Soviele "Zeugen" können sich nicht irren.
Kontra
LS wird immer wieder verdächtigt, weil keine Person gefunden wird, die ein Motiv hatte und gar als Täter dingfest gemacht werden konnte. Deshalb sieht man in LS den Verdächtigen, der ein starkes Motiv (verschmähte Liebe, gekränkter Stolz, ein Kind von dem er nicht weiss, von wem es ist, usw.) hatte. Die Tatsache, dass man keinen Mörder finden oder gar ein weiteres starkes Motiv ermitteln konnte, bedeutet nicht zwangsläufig, dass es keine weitere Personen mit Motiv gab.
Verdachtsmoment Aussage im Wirtshaus
Bei einer Diskussion im Wirtshaus zu den Fussspuren, die zum Hof hinführten, aber nicht mehr weg, soll sich LS verraten haben. Er soll gesagt haben: "Dann bin ich da arschlinks wieder raus."
Pro
Der Satz in der "Ich-Form" zeigt auf ihn als den Spurenverursacher hin.
Kontra
Ev. wollte LS nur erklären, wie soetwas von statten gehen kann, ohne das Einbrecher auf dem Hof verweilen. Er formulierte den Satz so um zu veranschaulichen, wie er es gemacht hätte, wenn die fehlenden Spuren absichtlich ausbleiben sollten.
Was spricht noch für LS als Täter
- Er nannte die Summe von 100.000 Mark, die angeblich im Haus gewesen sein soll. Woher weiss er das so genau?
- Die verschmähte Liebe und Zurückweisung hat ihn über fast drei Jahre gequält und an diesem Abend eskallierte die Situation. Es muss nicht unmittelbar mit den Hklern im Zusammenhang stehen. Auch der Tod seiner kleinen Tochter Tage zuvor könnte einen Kurzschluss verursacht haben.
- Aufgrund der räumlichen Nähe zum Hof wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, immer mal wieder auf den Hof zu gehen, um Spuren zu verwischen, Papiere zu suchen oder das Vieh zu füttern.
- Er versteckt die Reuthaue im Fehlboden, da er sie ja nicht mit nach Hause nehmen konnte, auch ein Entsorgen hätte sich für ihn schwierig gestaltet.
- LS könnte Sigl und Pöll aus Berechnung gebeten haben mitzukommen.
Was spricht gegen LS als Täter
- LS hatte Asthma. Wäre er einer solchen Tat mit diesem Kraftaufwand und dem psychischen Druck gewachsen gewesen ohne einen Anfall zu bekommen?
- Der Einruchsversuch und die Fussspuren in der Nacht zuvor hätten mit der Tat nichts zu tun.
- Die Münchner Zeitung am Waldrand, für die sich Gruber interessierte, hätte nichts mit der Tat zu tun.
- Der Zeuge, der Rauch im Kamin gesehen haben will und von einem Mann mit einer Taschenlampe geblendet worden sein soll, wäre frei erfunden.
- Die nächtliche Suche nach Cäzilia Gruber / Viktoria Gabriel stände mit der Tat in keinen Zusammenhang.