München, den 1. August 1930
Der 6 fache Raubmord bei Hinterkaifeck,
Am 29. März 1922 spät nachmittags, sagte Herr Andreas G R U B E R
in der Eisenhandlung V O G E L in Schwabhausen:
Heute muß ich früher nach Hause. Bei mir stimmt etwas nicht mehr
XXXX ganz. Gestern Nacht war in meinem Stall ein richtiger Radau.
Das Vieh verhielt sich sehr unruhig. Als ich nachsah, war eine Kuh los. Ich
kettete sie wieder an und legte mich wieder zu Bett. Von selbst konnte
sich die Kuh nicht los machen. Heute morgen, als ich der Geschichte
besser nachforschte, sah ich beim Verlassen des Hauses, daßs zwar eine
Spur ins Haus führte, aber nicht mehr verließ. (es fiel des Nachts gera-
de Neuschnee) Im Haus fand ich nichts mehr Verdächtiges.
In den darauffolgenden Tagen sah man von Gruber und seinen Angehöri
gen (seine Frau Cäzilie, der Tochter Wtw. Viktioria Gabriel, deren Kin
der Cäzilia und Josef im Alter von 7 und 3 Jahren aus Hinterkaifeck) nie
manden.
Niemand ahnte etwas Schlimmes. Der Briefträger steckte wie sonst sei
ne Zeitung in den Briefkasten und dachte, als dieselben von den Tagen
vorher nicht herausgenommen wurden: Na ja die haben halt jetzt nicht
einmal Zeit zum Zeitunglesen.
Von Gruber war vor einigen Tagen ein Montör herbestellt worden. Um
einen Benzin- Motor zu reparieren. Nachdem ihm beim Anklopfen nie-
mand öffnete, ging er alleine in den Raum, in dem sich der Motor befand,
verrichtet seine Arbeit und verließ das Haus wieder in der Meinung
die Bewohner seien arbeitetend auf dem Felde.
.Darauf ging der Montör nach Waidhofen 800 m von Hinterkaifeck) zu
einem Herren Schlittenbauer. Dem erzählte der Montör, er habe
bei Gruber niemand angetroffen, habe aber den Benzin-Motor repariert
und hat Schlittenbauer, wenn er zufällig nach Hinterkaifeck käme,
soll er´s den Leuten sagen.
Als der Montör fort war, ging Schlittenbauer zu einigen Nachbarn,
einer davon hieß S I G L Jakob von Gröbern (Hauserbauer) und sagte:
Kommt mit nach Hinterkaifeck, die Leute da droben sind alle umge-
bracht. Darauf gingen sie dorthin. Schlittenbauer hatte den Schlüs-
se zur Haustüre angesteckt, schloß sie auf und führte die Leute
ins Haus. Als die Leute eine andere Richtung einschlagen wollten
rief Schlittenbauer: Ach da sinds nicht, da liegen sie ! Er riss
die Scheunentür auf und deutete auf einen mit Stroh und alten
Brettern bedeckten Haufen.
Erst später wurden die Nachbarn darauf aufmerksam, dass Schlit-
tenbauer den Schlüssel für das Haus hatte, und dass er den richtigen
Weg zu den Leichen gleich wusste.
Wie konnte er das?
Unter dem Stroh und den Brettern fand man Andreas Gruber, seine
Frau, die Wtw. Gabriel und die 7 jährige Cäzilia. Der 3 jährige Josef
wurde im Schlafzimmer in seinem Wagen erschlagen. Die Dienstmagd, wel-
che erst um 4 Uhr nachmittags am 29. März 1922 in Stellung trat wur-
de wahrscheinlich beim Ausziehen von dem tötenden Axthieb gespalten.
Die Entdeckung der Leichen fand nach Feststellung der Polizei
erst mach 5 Tagen statt. Das Vieh wurde aber XXXX während der 5 Ta
ge gefüttert.
Von wem?
Es muss einer von Waidhofen gewesen sein, der die Verhältnisse der
Hinterkaifecker Familie gut kannte. Hier kommt hauptsächlich Schlit-
tenbauer in Frage, da er der Vater des 3 jähr. Josef war.
Als man seine Frau fragte, ob Schlittenbauer während den in
Frage kommenden Nächte zu Hause war, sagte sie nein. Darauf er-
widerte Schlittenbauer: Er hätte im Heustadl geschlafen nicht, dass
bei ihm auch eingebrochen würde.
Woher konnte Schlittenbauer wissen, daß es bei Gruber nicht mehr
recht sauber ist, wenn Gruber die Aeusserung nur in der Eisenhandlung Vog-
el in Schrobenhausen laut werden ließ.
Einige Zeit später, saß Schlittenbauer in einer Wirtschaft bei dem
Wirt und Wenzeslaus B L E Y und sprachen über den Fall Hinter-
kaifeck. Worauf der Wirt sagte, dass bei dem 6 fachen Mord mindestens
2 oder 3 Halunken zusammen geholfen haben müssen, und wie das zugehe,
das eine Spur ins Haus führte aber nicht mehr heraus. Da rief Schlit-
tenbauer, das habe ich alles allein gemacht. Da habe ich gewartet bis
eins ums andere in den Stall kamen und da habe ich jedem die Axt auf den
Kopf geschlagen. Und mit der Spur, da bin ich vorwärts hinein und rück-
wärts hinaus. Darauf sagte der Wirt (verstorben) und Bley: "Ja Lenzl
bist denn es du gewesen ? Nein, Nein, sagte Schlittenbauer, was re-
det ihr denn da, ich meine den der es gemacht hatte.
Als das Haus der Ermordeten noch baufällig stand, dachte sich ein
Lehrer names Uebelagger (Marzoll Reichenhall) im Vorbeigehen; Eigent-
lich könnte ich hier mal hinuntergehen. Bei dieser Gelegenheit sah
er Schlittenbauer, wie er auf einer Treppe saß und sehr sinnend und
nachdenkend dreinsah. Auf die Anfrage des Lehrers erwiderte er schnell
gefasst: Ich suche hier nur noch nach, vielleicht ist noch etwas zu fin
den.
Nach der Erbauung eines Materls nebst eines Betstuhls wo sonst
alle Leuten mit einem stillen Grauen vorübergehen, sah wieder Lehrer
Ueblagger Schlittenbauer sehr nachdenklich und niedergeschlagen auf dem
Betstuhl knien.
Der Hauserbauer Sigl Jakob sah Schlittenbauer, als er in seinem
Hause am Fenster stand, den Blick nach Hinterkaifeck gerichtet und sag-
te: Wenn nur das da drüben nicht vorgekommen wäre.
Wenn sich die schreckliche Bluttat verjährt bekommt er immer er-
hebliche Gewissensbisse. Auf der Straße geht er immer sehr nieder-
gebückt. Wahrscheinlich lastet die fürchterliche Tat auf sei-
nein Schultern.
Einen Tag nach der Mordtat kam des Nachts Bauer Blöckl Michael
auf dem Heimwegs von dem Haus der Umgebrachten vorüber und sah im
Backraum Licht brennen. Er dachte bei sich: die backen scheinbar
nachts. Darauf kam XXXX ein Mann vom Hause mit einer Taschen-
lampe auf Blöckl zu, blendete ihn, worauf sich der Bauer fürchtend
davonlief und in Zukunft, wenn er nach Hause ging einen anderen
Weg einschlug.
Aufgenommen von:
Johann Kammerer, München,
Reifenstuelstasse 8 / III r.Red.
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