Augsburg, den 13.05.1952
(handschriftlich:) An das Landgericht Augsburg
Zur Begründung meines Antrages führe ich weiter aus:
Am 31.3./1.4.1922 wurden in Hinterkaifeck (Lkrs. Schrobenhausen) 6 Personen getötet, offenbar um eine andere Straftat (Diebstahl) zu ermöglichen oder zu verdecken. Zur Schilderung der näheren Umstände und des Sachverhalts beziehe ich mich auf die Abschriften "Augenscheinprotokoll" und "Zusammenstellung in Beiakt "Band I".
Eine Verjährung der Stafverfolgung ist nicht eingetreten, weil die letzte richterliche Handlung durch Erlaß eines Haftbefehls des Amtsgerichts Schrobenhausen im Jahre 1937 die Verjährung unterbrochen hat.
Ob richterliche Handlungen gegen den Beschuldigten Anton Gump oder den inzwischen verstorbenen Adolf Gump vor 1942 durchgeführt worden sind und in so ferne die Verjährung der Strafvollstreckung unterbrochen wurde, kann infolge der Vernichtung der Gerichtsakten durch Bombeneinwirkung heute nicht mehr festgestellt werden. Dies müßte durch Ermittlungen noch geklärt werden.<br
Selbst wenn jedoch eine Verjährung der Strafverfolgung eingetreten sein sollte, besteht mit Rücksicht darauf, daß diese Straftat nicht nur zur Tatzeit in Bayern und darüber hinaus größtes Aufsehen erweckt hat, daß bis in die letzte Zeit hinein fortlaufend Veröffentlichungen in der Presse über den ungeklärten "sechsfachen Raubmord von Hinterkaifeck" erfolgten, daß in der Gegend von Schrobenhausen und darüber hinaus Angehörige der Familie Gabriel und andererseits Angehörige der Familie Schlittenbauer der Tat heute noch verdächtigt werden, ein erhöhtes öffentliches Interesse an der Klärung der Schuldfrage.
Die Klärung der Schuldfrage ist durch eine etwaige Verjährung nicht gehemmt. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb entsprechend §66/II StGB die Ermittlungen in diesem Falle seit 1947 wieder aufgenommen.
Aufgrund der letzten Ermittlungen ist Anton Gump der Tat dringend verdächtig.
1. Eine Schwester Gump hat unter Umständen, die für die Wahrheitsangabe sprechen, Anton Gump und den im Februar 1944 verstorbenen Adolf Gump als "die Täter von Hinterkaifeck" bezeichnet und dabei eine Beschreibung ihrer Brüder gegeben, die eine Verwechslung mit anderen Familienmitgliedern ausschließen.
2. Die Schwester hat auch einer zweiten Person unter denselben Umständen ihre Brüder Adolf und Anton als die Täter bezeichnet.
3. Anton Gump hat sich seit seiner ersten Vernehmung durch den Sachbearbeiter bereits in Widersprüche verwickelt und bei der Vernehmung selbst dann Unkenntnis über die Örtlichkeiten seines damaligen Aufenthaltes angegeben, als er über die Umgebung von Hinterkaifeck befragt wurde. Gump war 4 Jahre als landwirtschaftlicher Arbeiter in Kaltenherberg und Hohenried, in Orten, die nur einige km von Hinterkaifeck entfernt liegen. Insbesondere bestreitet er in der Gegend von Schrobenhausen gewesen zu sein und die Orte Gröbern und Waidhofen zu kennen, d.h. sein stures Bestreiten die Lage von Waidhofen zu kennen, das von Hohenwart aus und erstrecht von Kloster Berg aus in nächster Nähe liegend zu sehen ist, ist deshalb von Bedeutung, weil nach dem Ergebnis der Ermittlungen schon im Jahre 1922 eindeutig feststand, daß die Täter aus Richtung Waidhofen kommend in das Anwesen eingedrungen sind.
Ferner fällt auf, daß sich zwar Gump auch auf Vorhalt nicht an eine sechste Person (alte Bäuerin) erinnern kann, dagegen sofort an den "Maschinenmonteur" obwohl vom Vernehmenden nur von einem "Monteur am Maschinenhaus" gesprochen wurde. In Wirklichkeit hat ein Maschinenmonteur am Dienstag Vormittag nach der Tat den Motor im Maschinenhaus des Anwesens gerichtet und wegen der auffallenden Stille im Anwesen beim Ortsführer Meldung gemacht. Dieser Maschinenmonteur gab bei seiner Einvernahme an, ihm sei es, während der Arbeit im Maschinenhaus, dessen Türe offengestanden sie, so gewesen, als sei ein Schatten im Haus vorbeigehuscht.
Auffallend ist ferner, daß Gump aussagt es sei "kein Raubüberfall" gewesen, "weil nichts geraubt worden ist".
Hierzu ist zu bemerken, daß vom ersten Tag an sämtliche Veröffentlichungen in der Presse unter dem Titel "Raubmord in Hinterkaifeck" erfolgten.
Schließlich bestreitet Gump wiederholt und nachhaltig mit seinem Bruder etwa zum Hamstern in die Schrobenhausener Gegend gekommen zu sein, während er in der von ihm gewünschten Vernehmung vom 10. Mai 1952 erklärt, im Herbst 1922 seinen Bruder Adolf in der Gegend von Schrobenhausen besucht zu haben und dort von Adolf in einem Bauernanwesen eine Gans und Äpfel geschenkt erhalten zu haben. An den Ort selbst kann er sich nicht erinnern, dagegen daran, daß ihm Adolf bei dieser Gelegenheit und dabei nach Nordwesten zeigend gesagt habe, da hinten liege Hinterkaifeck.
Der Haftbefehl des Amtsgerichts Augsburg gegen Anton Gump ist daher zu Recht ergangen. Auf Grund der Erklärungen des Beschuldigten und der ersten Vernehmung, und seinen nachfolgenden Angaben hat sich der Verdacht der Täterschaft weiter verstärkt.
Verdunkelungsgefahr ist gegeben, weil seine Ehefrau über die Verhältnisse zur Tatzeit Bescheid weiß und weil insbesondere die Geliebte seines Bruders Adolf, die zur Tatzeit ein intimes Verhältnis mit Adolf hatte, noch lebt und von Anton Gump in ihren Aussagen, die noch nicht abgeschlossen sind, beeinflußt werden könnte. Überdies sind noch eine Reihe von Ermittlungen notwendig, um über den Aufenthalt des Gump in Kaltenherberg, Hohenried usw. Klarheit zu schaffen.
Es wird deshalb beantragt, den Haftbefehl gegen Anton Gump zur Klärung der Schuldfrage noch eine entsprechend lange Zeit aufrecht-zuerhalten, um der Staatsanwaltschaft die Möglichkeit zu geben, die Tat aufzuklären.
Wenn das Urteil des erkennenden Gerichts wegen des Prozesshindernisses auf Einstellung des Verfahrens lauten sollte, würden dem Beschuldigten Ansprüche etwa wegen unschuldig erlittener Untersuchungshaft nicht zustehen (§1 d. Gesetzes betreffend Entschädigung für unschuldig erlitten Untersuchungshaft, vom 14.7.1904, RGBl. S. 324.)
Der Oberstaatsanwalt:
i. A.
(Dr. Popp)
Staatsanwalt
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