Zeitungsartikel: 1922-04-05 Münchner Zeitung

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Sechsfacher Mord

Detailinformationen

Datum

07. April 1922 (auch 5. oder 6. möglich)

Ort

Art des Dokumentes

Zeitungsartikel

Verfasser

Verfasst für

Münchner Zeitung

Inhalt

Sechsfacher Mord
Am Montag abend traf die telegraphische Meldung bei der Polizeidirektion München ein, daß in der Gemeinde Wangen, A-G. Schrobenhausen, ein sechsfacher Mord aufgedeckt worden ist. Von München begaben sich sofort Oberinspektor Reingruber und der Erkennungsdienst an den Tatort. Im Laufe des Dienstag-Vormittags wurde der Polizeidirektion noch folgende Einzelheiten über das entsetzliche Verbrechen gemeldet:
In der Einöde Hinterkaifeck, Gem. Wangen, etwa 900 Meter von der Ortschaft Gröbern entfernt, wurden am Montag Abend sämtliche Bewohner, das etwa 70 Jahre alte Ehepaar Andreas und Cäcilie Gruber, deren verwitwete Tochter Viktoria Gabriel, das 9 Jahre alte Mädchen und der 2 1/2 Jahre alte Sohn der Tochter und die 45 Jahre alte Dienstmagd Maria Baumgartner ermordet aufgefunden. Alle Personen waren erschlagen worden. Als Waffe hatten die Täter anscheinend eine sogenannte Kreuzhacke benützt. Die Leichen des Ehepaares Gruber, der Tochter und des Mädchens Cäcilie lagen in der Tenne neben dem Stall, die Leiche des Söhnchens Joseph im Kinderwägelchen im Schlafzimmer der beiden alten Leute und die Leiche der Dienstmagd in der Kammer. Das Vieh im Stall war losgelassen. Sämtliche Behältnisse im Hause waren durchwühlt.
Was geraubt wurde ist noch nicht bekannt. Die Schmucksachen soll man gefunden haben. Die Eheleute Gruber galten in der Gegend als Sonderlinge; sie lebten sehr zurückgezogen und hatten nach der Meinung der Nachbarn etwa 100.000 M Papiergeld, Gold- und Silbergeld und Pfandbriefe verschiedener Banken im Hause. Das Aufspeichern von Geld im Hause scheint also auch in diesem Falle den Anreiz zu diesem scheußlichen Verbrechen gegeben zu haben. Die Tat dürfte bereits in den Abendstunden des 31. März oder in der Nacht zum 1. April verübt worden sein. Die Dienstmagd hatte ihre Arbeitsstelle erst am 31. März angetreten. Von den Tätern fehlt noch jeder Spur.
Der sechsfache Mord in der Einöde Hinterkaifeck ist noch nicht aufgeklärt. Am Donnertag und Freitag wurde im Unglückshof die gerichtsärztliche Sektion der sechs Leichen vorgenommen. Man rechnet mit der Möglichkeit , daß die Mörder von Hinterkaifeck dieselben Burschen sind, die am 1. April, also am Tage nach dem Morde, in Hagau bei Ingolstadt den bereits gemeldeten Raubüberfall im Anwesen des Gütlers Kögl und am 4. April abends einen weiteren Raubüberfall in einem Bauernanwesen in der Gegend von Edelshausen A.-G. Schrobenhausen, verübt haben. Während die Kommission der Münchner Polizeidirektion im Einödhof weilte, kam die Meldung, daß zwei Burschen, 18 bis 20 Jahre alt, der eine mit einer Maske vor dem Gesicht, am Abend zuvor in dem Bauernhof eingedrungen waren, den Bauern ziemlich schwer verletzt und einen größeren Geldbetrag erbeutet hatten. Sofort wurde der Münchner Polizeihund vom Tatort in Wangen auf den Bauernhof geschickt, um die Spur der Täter aufzunehmen. In den großen Wäldern der Gegend verlor sich die Spur. Die Wälder haben auch den Mördern von Wangen die Flucht erleichtert. Sehr wahrscheinlich ist es ja nicht, daß die Mörder und die Räuber von Hagau und Edelhausen ein und dieselben Personen sind. Leute, die sechs Personen ermordet und offenbar einen großen Geldbetrag erbeutet haben, dürften sich kaum noch vier Tage in der Gegend herumtreiben.
Das Ministerium des Innern hat für die Ergreifung oder die sichere Ermöglichung der Ergreifung der Täter eine Belohnung von 100.000 Mark ausgesetzt. Der sechsfache Mord im Einödhof
"Noch nie in meinem Leben habe ich ein so entsetzliches Bild gesehen, toten Einödhof, " so erklärte einer der Münchner Kriminalbeamten, die auf dem Einödhof Hinterkaifeck bei Wangen die Erhebungen gepflogen haben und nun wieder nach München zurückgekehrt sind. Alle Bewohner des Hofes waren mit einer schweren Kreuzhaue durch Schläge auf den Kopf getötet worden. Die Leichen der beiden Frauen, die in der Tenne lagen, waren in den Kleidern, während der alte Gruber und das 8 Jahre alte Mädchen, deren Leichen ebenfalls in der Tenne aufgefunden wurden, bereits entkleidet waren. Auch die Dienstmagd, die tot in ihrer Kammer lag, hatte die Oberkleider bereits abgelegt, nur die Schuhe hatte sie noch an. Aus diesen Feststellungen schließt man, daß das Verbrechen zur Zeit des Schlafengehens verübt wurde. Der alte Gruber und seine Enkelin hatten sich bereits zu Bett begeben, die Frauen wohl noch mit der neuen Magd unterhalten, deren Sachen noch im Rucksack verpackt waren.
Der Mord ist zweifellos am 31. März verübt worden. Am Samstag fehlte das Mädchen in der Schule; am selben Tage kam ein Reisender auf den Hof, der die Türen verschlossen fand. Im Stall lärmte das Vieh und der Hund. Der Reisende dachte sich nichts weiter dabei und entfernte sich wieder. Am Montag erschien ein Monteur auf dem Hof, der bestellt war einen Motor zurichten; auch er hörte das Geschrei des Viehes und verließ den Hof nach vergeblichem Pochen wieder. In der Gegend redete sich diese Beobachtung herum; der Ortführer von Gröbern, der davon erfuhr, schickte seine Buben auf den Hof und als auch diese unverrichteter Dinge zurückkehrten, begab sich der Ortsführer mit zwei Begleitern an den Hof. Die Türe musste aufgesprengt werden.
Die Bewohner sind offenbar durch die Unruhe des von den Tätern im Stalle losgelassenen Viehes aus der Wohnung gelockt worden. Der Überfall erfolgte auf einem Gang, der von der Küche zum Stall und zur Tenne führt. Der Hund der ständig im Stall eingesperrt war, wird als sehr scharf geschildert, er befand sich nach der Tat noch im Stall. Es ist unaufgeklärt wie die Täter ohne daß der Hund Lärm schlug, in den Stall kommen konnten um das Vieh los zulassen. Von den Mördern hat man keine Spur. Die Schmucksachen der Bäuerin, das Gold und Silbergeld und die Depotscheine der bei einer Bank in Schrobenhausen hinterlegten Wertpapiere wurden gefunden.
Unter einem Bette lag eine bauchige leere Brieftasche. Zweifellos ist den Mördern ein größer Geldbetrag in Hände gefallen. Schon deshalb war viel Geld im Hause, weil demnächst mit einem Stallneubau begonnen werden sollte; das Material lag schon bereit. Der Unglückshof liegt auf der Anhöhe vor Gröbern, fast ganz im Wald.
Der Raub bei Wangen, der, wie gemeldet, im Zusammenhang mit dem sechsfachen Mord in der Einöde Hinterkaifeck gebracht wird und bei dem auch ein Münchner Polizeihund in Tätigkeit trat, wurde von einem etwa 23 Jahre alten, 1,70 Meter großen, bartlosen Burschen, der braune Mütze, abgenützten Militäranzug und Schnürschuhe trug, und einen etwa 18 Jahre alten, 1,80 Meter großen, untersetzten Bursche, verübt. Der Ältere hatte das Gesicht mit Ruß geschwärzt, der jüngere trug eine Maske. Diese beiden erschienen gegen 9 Uhr abends bei einem Bauern in Unterarnbach und fragten durch das Fenster nach dem Weg. Als der Bauer aus der Türe trat, schlug ihm der eine mit einem stumpfen Gegenstand durch einen Kopfhieb nieder. Der Bauer wurde erheblich verletzt. Die Frau des Bauers bedrohten die Räuber mit einem Revolver, worauf sie in das Haus gingen und 2500 M stahlen. Mit der Beute flüchteten sie.

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