Theorien: Bärtl Josef
Einer der Tatverdächtigen im Mordfall Hinterkaifeck war Josef Bärtl. Er war zum Tatzeitpunkt 25 Jahre alt und hatte eine kriminelle Vergangenheit. Ziemlich genau 1 Jahr vor dem Sechsfachmord in Hinterkaifeck floh Bärtl aus der Heil- und Pflegeanstalt Günzburg.
Hintergrund und Chronologie der Ermittlungen
Jahr | Monat | Tag | Detail |
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1922 | April | 06 | Rheingruber liess umgehend nach Bärtl. Dieser war wegen Mordes ins Visier der Polizei geraten und in der Psychiatrie untergebracht gewesen, konnte dort zweimal erfolgreich fliehen. Zum Zeit der Tat befand er sich noch immer auf der Flucht. |
1922 | April | 18-20 | Zeugenaussagen zufolge hielt sich Bärtl in der Zeit um den 18. - 22. April 1922 in der Gegend zwischen Pfaffenhofen und Hohenwart auf. Er begegnete einem Bekannten auf der Staatsstraße und hat sich längere Zeit mit ihm unterhalten. Bärtl hatte ein Fahrrad dabei und wollte nach München. |
1922 | Mai | 08 | Bärtl wird in München gesehen. |
1926 | November | 06 | Im November hatte Staatsanwalt Pielmayer Bärtl in seinem zusammenfassenden Bericht erwähnt. Pielmayer schreibt: |
1926 | November | 12 | Kaum 1 Woche später erscheint eine weitere Fahndung nach Bärtl im Bayerischen Polizeiblatt. Gut möglich also, dass die erneute Fahndung etwas mit dem neu aufgenommenen Schwung in den Hinterkaifeck-Ermittlungen zu tun hatte. |
1926 | November | 25 | Auch die Zeitungen greifen diesen Aufruf auf und so schreibt beispielsweise der Ingolstädter Anzeiger am 25. November 1926 Folgendes:
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1926 | Dezember | (Mitte) | Offenbar gab es ergänzend zu den polizeiinternen Fahndungsmaßnahmen auch Plakataktionen, die nicht folgelos blieben. So schrieb die Schrobenhausener Zeitung in diesem Zusammenhang über den Dezember 1926: "Mitte Dezember 1926 sollte Bärtl, von dem in der ganzen Gegend Plakate mit Steckbriefen aushingen, in der Nähe von Vilshofen gesehen worden sei. Er habe dort vor einem Beamten die Flucht ergriffen und bei der Verfolgung einen Schuss aus der Pistole abgegeben." |
1927 | Januar | 27 | Das Anfang Juni 1927 erstellte handschriftliche Dokument weist darauf hin, dass direkt nachfolgend im Januar 1927 Bärtl in München erkennungsdienstlich erfasst wurde. Das Dokument lautet transkribiert:
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1927 | März | 07 | Im März 1927 geht bei der Polizei eine Anzeige eines Augsburger Händlers mit dem Namen Josef Hurtner ein. Er hatte gerade eine 14tägige Haftstrafe in Friedberg hinter sich gebracht. Einige seiner Mithäftlinge hatten mehrfach über den Mordfall Hinterkaifeck gesprochen, waren allerdings später in den Flüsterton gewechselt, so dass Hurtner nicht mehr viel mitbekam. Einer davon soll den Mörder von Hinterkaifeck gekannt haben. |
1927 | März | 10 | Dieser von Hurtner namentlich Genannten sagte am 10. März 1927 aus: "Ich war zuletzt bis November 1926 in Kempten im Kohlenkontor als Hilfsarbeiter beschäftigt. Sodann begab ich mit mit meiner Geliebten Pfaffelhuber auf Wanderschaft. Wir kamen auch in die Gegend von Schrobenhausen, Rottenburg und Mallersdorf. Durch die umherziehenden Händler und Wanderburschen erfuhren wir, dass sich in dieser Gegend der Mörder von Hinterkaifeck herumtreibe. Man heisse diesen den eisernen Heini. Im Januar 27 gingen wir auf der Landstraße zwischen Mengofen und Dingolfing. Wir sahen im Walde ein Feuer auf das wir zugingen. Bei dem Feuer lag ein Mann der sich auf meinen Gruss hin nicht rührte und tat als könne er nicht Deutsch. Ein weiterer Bursche beschäftigte sich im Walde mit Holzsammeln. Ich dachte mir, dass dies der eiserne Heini sein könnte, denn es passter der Beschrieb der uns gesagt wurde auf ihn. Zweit Tage später wurden wir durch die Gendarmerie Mallersdorf kontrolliert. Wir teilten den Beamten das Geschehene mit. Diese sagten, dass es der gesuchte Josef Bärtl sei. Beiden Herrn legten Zivilkleider an und mussten wir ihnen die Stelle zeigen, wo wir den Mann beim Feuer liegen sahen. Gesehen haben wir den Mann und seinen Komplizen nicht mehr. In meiner Zelle wurde verschiedenens gesprochen, unter anderem auch über den Mord in Hinterkaifeck. Ich erzählte meinen Zellengenossen, dass ich den Mörder kenne und diesen in der Gegend von Mallersdorf auf meiner Wanderschaft gesehen habe. Weitere Angaben kann ich nicht machen". |
1927 | April | Und weiter schreibt die Schrobenhausener Zeitung:
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1927 | Mai | 05 | Nach der Entdeckung der Tat in Hinterkaifeck gab es mehrere Ausschreibungen im Bayerischen Polizeiblatt, eine davon mit dem bekannten Lichtbild. |
1927 | August | 26 | Am 26. August 1927 dann wird in Berlin notiert: IV. A. 2. Berlin, den 26. August 1927
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1929 | Mai | 16 | In Berlin wurde offenbar akribisch überprüft, welche (nationalen und internationalen) Fahndungen ihre Gültigkeit noch hatten. In genau dieser Absicht wurde das Polizeipräsidium München erst mal 1927 und 1929 aufgefordert, Auskunft darüber zu geben, ob Bärtl weiterhin gesucht wird oder nicht.
Nach der Aufforderung vom 16. Mai 1929 antwortet München unverzüglich: |
1929 | Mai | 21 | München, den 21. Mai 1929 Abt. I. DSt.2. I. Joseph B Ä R T L ist noch nicht ergriffen. Die Fahndung bleibt aufrecht. Er ist von der Staatsanwaltschaft Neuburg a. Donau im D. St. Reg. Nr. 49 Seite 10/1929 wegen Mordes zur Verhaftung ausgeschrieben. Auslagetermin ist auf 1. Oktober 1930 vorgemerkt.
ergebenst zurück. Polizeidirektion |
1929 | Mai | 23 | Darunter ist handschriftlich von den Berlinern vermerkt:
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1934 | November | 24 | 1934 gab es einen Hinweis auf Bärtl von einem vermeintlichen Kollegen in der Fremdenlegion. Das verlief mangels konkreter Informationen im Sande. |
1939/ 1940 |
Auch 1939/1040 ging eine ähnliche Kommunikation zwischen Berlin und München vonstatten, wobei die negative Antwort nach Berlin dieses Mal aus der Staatsanwaltschaft Augsburg kam. | ||
1949 | Februar | 25 | Anneser verfasste am 25.02.1949 einen Brief, indem er das vorschnelle Festlegen auf Josef Bärtl als Täter durch Krim.Kom Reingruber bemängelte. Bereits bei der Ankunft hätte Krim. Kom. Reingruber den Josef Bärtl als Tatverdächtigen genannt.
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Die Fahndung
Renner erläutert in dem o. g. Bericht ebenfalls, dass Josef Bärtl die Tat mit dem viel-gesuchten Räuber Alfons Gustav Philippi oder Philippe ausgeführt haben könnte. Dieser Verdacht ist der Tatsache geschuldet, dass auch Philippi oder Philippe aus der Heil- und Pflegeanstalt Günzburg geflohen war und wegen Raubdelikten aktenkundig wurde. Diese Spur zerschlug sich, da Philipp(e/i) in der Zeit vom 20. Februar 1922 bis 15. April 1922 ununterbrochen in der Dresdener, später in der Waldheimer Heil- und Pflegeanstalt war.
Pielmayer erläutert weiter, dass auch andere Komplizen wie Georg Seidl, Georg Fuchsbaumer, dessen Bruder Franz Fuchsbaumer, Leonard Altstätter, Jaroslav Kellner, Reith und Beusch in Frage kämen.
Georg Seidl, laut Pielmayer ein pathologischer Lügner und eine vorbestrafte Persönlichkeit, hatte den Verdacht auf die Brüder Fuchsbaumer gelenkt. Die Anschuldigungen erwiesen sich als haltlos und Seidl wurde wegen falschen Anschuldigungen zu 3 Monaten Haft verurteilt.
Während seiner Haftzeit beschuldigt Seidl weiter mutmaßliche Mittäter, wie Altstätter, Kellner, Reith und Beusch. Eine Mittäterschaft von Reith und Beusch konnte sicher ausgeschlossen werden. "Kellner, so Pielmayer, war ein herumziehender Dieb und Betrüger, er könnte die Tat, oder die Teilnahme an dieser unbedenklich zugetraut werden, ebenso dem Händler Leonard Altstetter." Trotz den Anschuldigungen konnte weder eine Mittäterschaft er o. g. Personen, noch die Täterschaft des Josef Bärtl nachgewiesen werden. Auch mehrfach durchgeführte Hausdurchsuchungen bei den Eltern des Josef Bärtl, waren erfolglos. Nach seiner Flucht aus der Heil-und Pflegeanstalt in Günzburg verliert sich seine Spur. Gerüchten zufolge soll er der Fremdenlegion beigetreten sein.
Im Schrobenhausener Wochenblatt vom 22.4.1922 war über den Bäcker Bärtl Folgendes zu lesen:
"Die Staatsanwaltschaft Neuburg a. d. Donau fahndet nach dem 1897 in Geisenfeld geborenen Bäcker Josef Bärtl, der vor einiger Zeit aus der Heil- und Pflegeanstalt in Günzburg entsprungen ist und soviel wir wissen an dem Raubmord an dem Bauern Adler in Ebenhausen Ende 1919 beteiligt war. Dieser Geisteskranke kommt als Täter oder Mitbeteiligter an dem 6-fachen Raubmord in Hinterkaifeck in Frage. Er ist von untersetzter Gestalt, hat ein rotes Gesicht, dunkelblondes Haar, zugeschnittenen Schnurrbart, trug zeitweise Militäranzug und Gamaschen. Bärtl ist als notorischer Mörder und Verbrecher in der Umgebung von Ingolstadt bekannt, schwindelte als falscher Gendarm den Leuten Papiergeld zum Abstempeln heraus und hatte sich in Ingolstadt auch als Darlehensschwindler und Heiratsvermittler niedergelassen. Lange Zeit entzog er sich der Festnahme, verweigerte in der Haft die Nahrungsmittelaufnahme und erreichte zweimal die Aufnahme in der Heil-und Pflegeanstalt in Günzburg. Man neigt zu der Ansicht, dass Bärtl nicht geisteskrank, sondern ein raffinierter und gewalttätiger Simulant sei.“
Im Februar 1926 erging erneut ein Fahndungsgesuch der Polizeidirektion München im bayrischen Polizeiblatt Nr. 172. Im November des gleichen Jahres wurde das Fahndungsgesuch durch die Staatsanwaltschaft Neuburg a. d. Donau ergänzt, da der Verdacht bestand, dass Bärtl sich in der Gegend um Altenbuch unter dem Namen "Eidenhammer" aufhält. In Landfahrerkreisen wurde er "der eiserne Heini" genannt. Aber auch die erneute Spur führte nicht zu dem Gesuchten.
?Ein weiterer Fahndungsaufruf der Polizeidirektion München im Mai 1927 blieb ebenfalls erfolglos, beinhaltete aber eine detaillierte Personenbeschreibung des Flüchtigen: "165 cm groß, untersetzt, volles-rundes Gesicht, blonde Haare, hohe Stirn, graue Augen, dicke Nase, etwas abstehende Ohren, blond. Schnurbart - möglicherweise jetzt bartlos, vorstehende Unterlippe, links von der Unterlippe ausgehend eine kleine Narbe, etwas schräge Schrittstellung, geht mit vorgebeugtem Körper. Merkmale: Kleiner Finger an der linken Hand fehlt. Nach einem
Gendarmeriebericht soll Bärtl sich gegenwärtig im sogenannten Sauwald bei Esternberg in Oberösterreich rumtreiben, womöglich unter falschem Namen."