Aussagen: 1931-03-30 Schlittenbauer Lorenz: Unterschied zwischen den Versionen
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Version vom 9. Januar 2011, 22:43 Uhr
Quelle
Staatsarchiv München
Detailinformationen
Datum
30.03.1931
Ort
München
Zugegen
Lorenz Schlittenbauer
Martin Riedmayr
Inhalt
Dst.2 München, den 30. März 1931 Betreff: Sechsfacher Mord in Hinterkaifeck Bei der Polizeidirektion München findet sich um 10 Uhr auf Vorladung ein, der verh. Land-wirt S c h l i t t e n b a u e r Lorenz, geb. 16.8.1874 in Gröbern Gde. Wangen und dort wohnhaft, und macht auf Befragen folgen-de Angaben: Ich lebe seit meiner geburt in Gröbern und war auch die größte Zeit meines Lebens dort. Le-diglich vom 14. Lebensjahr ab bis nach der Militärzeit war ich an anderen Orten. Ich hatte 11 Geschwister, von denen aber heute nur noch 5 am Leben sind. Ich muß mich berichtigen. Es leben noch 6 Geschwister. Das elterliche Anwesen habe ich im Jahre 1899 übernommen und meine Eltern haben von diesem Zeitpunkt ab bei mir im Austrag gelebt, aber nicht immer, sie haben zwar von mir den Austrag gehabt, aber es hat nicht immer gut getan und da sind sie auch zeitweilig wo anders gewesen. Mein Vater hat nämlich sein ganzes Geld immer versoffen und da konnte ich ihm gar nicht genug geben und deshalb ist er fortgegangen. Mein Vater ist schon vor dem Kriege gestorben, den genauen Zeitpunkt weiß ich nicht mehr und meine Mutter im Jahre 1918. Meine erste Ehe habe ich bei der Übernahme des elterlichen Anwesens im Jahre 1899 ge-schlossen. Meine damalige Frau hieß Viktoria Tyroller und stammte aus dem Weißkopfanwe-sen in Ried Gde. Mühlried B.A. Schrobenhausen. Sie ist im Oktober 1918 gestorben. Sie hin-terlies mir einen Buben und 3 Mädchen. In den ersten Jahren meiner Ehe lebten in meinem Hausstand noch 3 Geschwister von mir, die mir auch in der Landwirtschaft halfen. Außerdem lebten in meinem Hausstand die Eltern meiner ersten Frau, der Vater ist bereits im Jahre 1906 gestorben, die Mutter ist heute noch bei mir und ich muß immer noch für sie sorgen, obwohl sie vollständig mittellos ist und mich auch nichts angeht. Sie ist schon 84 Jahre alt. Von meinen Geschwistern hat beim Tod meiner ersten Frau niemand mehr bei mir gelebt. Ich hab sie ausheiraten müssen und die meisten sind eigentlich ins Kloster gegangen. Im Jahre 1921 lernte ich meine zweite Frau kennen. Sie stammt von Diepoltshofen und hieß Anna D i c k. Sie war zu diesem Zeitpunkt in Brunnen bei ihrer Schwester in Dienst. Ich habe sie nur 3 Wochen vor der Ehe näher gekannt. Vom sehen kannte ich sie schon früher, ich habe mich aber dann, als ich wieder mit ihr zusammen traf, rasch zur Heirat entschlossen, weil ich in meinem Haushalte eine Frau benötigte. Sie war auch gleich mit der Heirat einverstanden. Vor meiner Verehelichung mit ihr hatte sie mit dem Gütler Wenzeslaus F e s t l in Oberbern-bach ein Verhältnis, dem 4 uneheliche Kinder entsprangen. Hievon ist nur mehr ein Knabe am Leben gewesen, den sie mit in die Ehe gebracht hat. Derselbe hat Josef D i c k geheißen und hat jetzt meinen Namen bekommen; er lebt noch in meinem Haushalt. Meine Frau hat 8.000 Mk. In die Ehe mitgebracht, das war aber damals nicht mehr viel Geld, weil schon Inflation war, ich hätte mir dafür keine Kuh mehr kaufen können. Ich war um diese Zeit wirtschaftlich recht gut gestellt, weil ich immer gespart und das Geld zusammen gehalten habe. Wie ich das zweitemal geheiratet habe, im Jahre 1921, war das Anwesen schuldenfrei und zudem in den vorangegangenen Jahren nahezu vollständig neu gebaut worden. Zudem hatte ich damals für 14.000 Mk. Pfandbriefe. Im Jahre 1921 hat auch meine älteste Tochter Magda-lena geheiratet und ich habe ihr 20.000 Mk. Mitgegeben. Dieses Geld habe ich aus der Land-wirtschaft erarbeitet. Es war damals schon nicht mehr so viel wert. Ich selbst habe damals kein Geld gebraucht und habe deshalb die 8.000 Mk., die meine Frau als Heiratsgut mitbrach-te, auf meine 4 Kinder verteilt. Die Familie G r u b e r von Hinterkaifeck kannte ich seit meiner Geburt. Das Anwesen in Hin-terkaifeck gehörte ursprünglich dem Josef Ostermeier und nach dessen Tode heiratete dessen Witwe Cäzilie Ostermeier den Andreas Gruber. Aus der ersten Ehe der Frau Gruber mit Josef Ostermeier waren 2 Kinder da und zwar 1 Knabe und 1 Mädchen. Der Sohn ist im Kriege gefallen und die Tochter ist heute noch verheiratet in der Nähe von Scheyern. Die Eheleute Gruber hatten mehrere Kinder, von denen aber nur 1 Tochter, die Viktoria am Leben geblie-ben ist. Die Kinder sind wohl alle gestorben, weil sie keine Pflege hatten und auch nicht ge-nügend ernährt wurden. Ich selbst und auch mein Vater hatten öfters erlebt, daß die kleinen Kinder tagelang im Keller bleiben mußten und wenn man vorbeiging, hörte man die Kinder im Keller weinen. Ich sag’s ganz offen, die Leute waren nicht gut, da hat der Herrgott schon die rechte Hand am rechten Platz gehabt. Die Viktoria Gruber, die später den Karl Gabriel geheiratet hat, war 13 Jahre jünger als ich. Ich habe sie natürlich auch schon seit ihrer Kinderzeit gekannt, aber in nähere Beziehung bin ich erst mit ihr getreten, wie sie bereits Witwe war. Etwa im Jahre 1913 hat sie den Bauern-sohn Gabriel geheiratet. Er wurde von den alten Grubers schlecht behandelt. Der alte Gruber hatte das Heft in der Hand und ließ es sich auch nicht nehmen, nachdem er übergeben hatte. Gabriel hat selbst mir gegenüber öfters geklagt, daß es ihm schlecht gehe und daß die alten so geizig seien, daß es nicht einmal mittags etwas zum Essen gäbe. Man hat auch davon gesprochen, daß die Ehe wieder geschieden werden sollte. Dazu ist es aber nicht mehr gekommen, weil der Krieg ausgebrochen und Karl Gabriel dann bald gefallen ist. Ich weiß noch, daß die alte Frau Gruber, als die Todesanzeige vom Mann der Tochter kam, gesagt hat, jetzt ist die Entscheidung schon da. Es war ja auch allgemein bekannt, daß der alte Gruber mit seiner Tochter im Geschlechtsverkehr stand. Die alte Gruberin hat es ja zwar nicht erzählt, aber ihre Tochter, die Viktoria Gabriel. Diese war damals ca. 16 Jahre alt. Sie hat meiner ersten Frau erzählt, daß sie sich vor ihrem Vater nicht mehr halten könne, weil er immer Geschlechtsverkehr haben wolle. Nachdem der Karl Gabriel gefallen war, ist dann auch, wenn ich mich recht erinnere, ein Strafverfahren eingeleitet worden und der alte Gruber und seine Tochter wurden wegen Blutschande verurteilt. Die Viktoria Gabriel war überhaupt für den Geschlechtsverkehr leicht zu haben. Schon bald nach dem Tode ihres Mannes habe ich einmal mit ihr einen Schrank transportiert. Wir fuhren mitsammen mit meinem Fuhrwerk und da hat sie sich mir direkt angeboten. Sie sagte: „Du könntest mich jetzt leicht anpacken“. Ich ging aber damals darauf nicht ein, denn ich war da-mals noch verheiratet. Nach dem Tode meiner Frau (15.10.1918) kam eines Tages die Viktoria Gabriel zu mir in den Heustadel, paßte mich dort ab und machte mir den Vorschlag, ich solle sie heiraten. Meine Frau war damals etwa 14 Tage tot. Ich sagte nicht „nein“, weil ich mir dachte, ich brauche für mein Anwesen doch wieder eine Frau. Sie bot sich mir auch gleich zum Geschlechtsverkehr an, ohne das ich einen diesbezüglichen Wunsch geäußert hatte. Indem sie mich packte, warf sie sich aufs Heu und so habe damals zum ersten male mit ihr verkehrt. In der darauffolgen-den Zeit kam das noch einige male vor, einmal beim Gänseabstechen sagte sie auch zu mir: „Geh heiraten wir“ und nahm mich dabei mit in die Remise, wo sie mich zum Geschlechts-verkehr aufforderte. Mir ist so etwas bis dahin noch nie vorgekommen, daß ein Weib sich selbst so anbietet. Insgesamt werde ich mit ihr höchstens 5 mal Verkehr gehabt haben. Sie machte mir dann einmal den Vorschlag, ich solle mit ihrem Vater wegen den Heiraten sprechen. Wann das war, weiß ich nicht mehr genau, ich weiß nur, daß sich hintennach her-ausgestellt hat, daß sie damals bereits in der Hoffnung war. Mir hat sie aber davon nichts ge-sagt. Ich nahm wirklich an, ich könnte sie heiraten und so ging ich einmal zum alten Gruber und machte ihm den Vorschlag, daß ich seine Tochter heiraten werde. Er war schon damit einverstanden, ebenso wie seine Tochter. Ich sagte ihm dann noch, daß ich natürlich eine Be-dingung mache und das sei, daß er den Geschlechtsverkehr mit seiner Tochter aufhören müs-se. Er solle sich bekehren von seinen Sünden und seine Tochter werde ich dann schon auf die rechten Wege führen. Ich sagte ihm auch, daß ich ein guter Christ sei und solche Sachen nicht leiden könne. Er sagte darauf: „Wir werden dann schon sehen“. Wie ich dann kurz darauf seine Tochter wieder traf, sagte mir dieselbe, daß sie in der Hoffnung sei. Sie sagte auch, daß ich der Vater sei. Ich protestierte dagegen und sagte ihr:“ Da ist doch Dein Vater auch dabei“. Sie erwiderte darauf:“Das ist eben das bessere, daß ich sagen kann, Vater Du bist auch dabei, sonst täte er mich erschlagen“. Sie sagte mir auch, daß es dem Vater nicht mehr recht sei mit der Heirat, aber den Vater müsse ich doch machen. Ich kam darauf auch noch mit dem alten Gruber zu sprechen als ich von der Wiese heimging und da fragte ich ihn, ob das sein Ernst sei, daß ich den Vater machen müsse. Er blieb darauf bestehen und fing gleich mit“Himmel Herrgott“ an und als ich ihm sagte, daß ich ihn anzeige, erwiderte er, das sei ihm gleich. Er rannte mir dann mit der Sense nach und ich lief davon. Ich ging aber dann noch ins Haus zu seiner Frau und zu seiner Tochter, währenddem er noch auf der Wiese war und fragte sie, ob das wirklich so sei. Die beiden Frauen blieben darauf beste-hen, daß ich den Vater machen müsse, erklärten mir auch, daß ich zahlen müsse. Ursprünglich hatte mir die Viktoria Gabriel, als sie mir mitgeteilt hat, daß sie in der Hoffnung sei, gesagt, daß ich nichts zahlen brauche, sondern nur den Vater machen solle. Weil er aber dann so grob war und außerdem Geld verlangte, erklärte ich, ich mache den Va-ter nicht und ich zeigte ihn dann auch wegen Blutschande an. Das Verfahren wurde eingeleitet und inzwischen kam dann auch das Kind zur Welt. Am dritten Tage nach der Geburt kam dann die Viktoria Gabriel zu mir, bot mir an, sie zahle das ganze Geld, was die Vaterschaft ausmacht, wenn ich die Vaterschaft übernehme. Da sie auch dazu setzte, daß wir trotzdem noch heiraten könnten, war ich schließlich damit einverstanden. Sie brachte mir dann auch gleich 2.000 Mk., damit ich dann bei der Vormundschaft die Abfindung bezahlen konnte. Frage: Haben Sie niemals mehr Geld bekommen als 2000 Mk.? Antwort: Nein, nur 2000 Mk. Und sie sagte damals noch, wenn es nicht lange, so zahle sie noch drauf. Frage: Haben Sie auch später nicht mehr Geld bekommen? Antwort: Nein, niemals, ich habe nur 2000 Mk. Bekommen, die Abfindung, die ich bezahlen hatte, hat 1800 Mk. Ausgemacht und die restlichen 200 Mk. Habe ich dann nach einigen Mo-naten der Gabriel wieder zurückgegeben, weil ich kein Geld haben wollte. Frage: Sie haben früher angegeben, daß Sie 5000 Mk. Von Gruber bekommen haben? Antwort: Halt, Halt, jetzt fällts mir ein, ich habe 2000 Mk. In Bargeld bekommen und außer-dem 3000 Mk. Bayerische Hypotheken- und Wechselbankpfandbriefe, damit ich Geld habe, wenn Auslagen kämen. Diese 3 Pfandbriefe habe ich der Gabriel auch nach einigen Monaten wieder retour gegeben. Frage: Sind diese Pfandbriefe von ihnen zurückgefordert worden? Antwort: Nein, freiwillig. Ich habe diese Pfandbriefe nicht gewollt. Frage: Sie haben seinerzeit bei der ersten Einvernahme wegen der Blutschande dem Gruber wieder geholfen. Wie verhielt sich das? Antwort: Da will ich Ihnen schon die Wahrheit sagen: Da ist damals wie der alte Gruber ein-gesperrt war, einige Wochen nach der Geburt des Kindes, die Viktoria Gabriel zu mir ge-kommen und hat furchtbar geweint und mich gebeten, ich solle doch dem Vater wieder heraus helfen und deshalb hab ich mich auch erweichen lassen und habe meine Angaben wiederru-fen.
Antwort: Ich weiß nicht, es ist schon möglich. Bei der richterlichen Einvernahme habe ich dann, wie ich vereidigt werden sollte, wieder rich-tige Angaben gemacht und erklärt, daß mein Widerruf falsch war. Ich habe also für die Vaterschaftsanerkennung keinen Pfennig aus eigener Tasche bezahlt und die Viktoria Gabriel hat mir damals sogar eine Bestätigung gegeben, in der sie die Erklärung abgab, daß ich für die Vaterschaftsanerkennung keinen Pfennig zu zahlen hätte. Diesen Zettel habe ich noch aufgehoben bis er im Jahre 1926 beim Brand meines Hauses mit verbrannt ist. Ich habe aber auch für die Vaterschaftsanerkennung nichts erhalten und auch niemals etwas gefordert. Frage: Die Viktoria Gabriel hat seinerzeit verschiedenen Leuten gegenüber geklagt, daß Schlittenbauer fortgesetzt Geld erpresse? Antwort: Das kann kein Mensch sagen, diese Zeugen sollen aufstehen. Ich erkläre nochmals, daß ich niemals einen Pfennig gefordert habe. Frage: Wo haben Sie sich denn da zu den jeweiligen Aussprachen mit der Gabriel getroffen? Antwort: Bei mir. Sie kam immer zu mir herunter. Das erstemal kam sie bei der Nacht, damit sie niemand sehen konnte, die Weiterenmale beim Tag. Frage: Sind Sie nochmals in das Anwesen in Hinterkaifeck gekommen? Antwort: Nein, das letzte mal war ich droben, wie mir der Alte mit der Sense nachgelaufen ist. Einmal war ich auch noch droben, wie wir die Dampfmaschine hinaufgebracht haben. Frage: Nach dem Mord haben Sie sich sofort erkundigt, ob sie ihre Abfindungssumme wieder herausbekommen, die sie für das Kind bezahlt haben. Wie kommen Sie dazu, nachdem Sie doch nichts aus eigenem bezahlt hatten? Antwort: Ich glaube das nicht, denn ich habe ja niemals etwas bezahlt und kann demnach auch nichts fordern. Ich kann mich jedenfalls gar nicht erinnern und kann mir gar nicht den-ken, wie ich dazu gekommen bin. Frage: Haben Sie nun eigentlich selbst das Empfinden, daß sie der Vater des Kindes der Vik-toria Gabriel sind? Antwort: Das weiß ich nicht, das kann ich nicht sagen. Frage: Wie hat denn der kleine geheißen? Antwort: Josef Frage: Sie haben später immer nur von ihrem Hanserl gesprochen? Antwort: Das glaube ich nicht, ich habe immer"Mein Buberl“ gesagt. Frage: Haben Sie das Kind öfters besucht? Antwort: Besucht nicht, aber zuweilen getroffen. Ich habe mit dem Kind zuweilen gespro-chen, wenn ich in den Äckern gearbeitet habe und das Kind zu mir herlief. Auch mit dem al-ten Gruber habe ich später wieder gesprochen. Wir sind wieder gut geworden, als sie das Geld wieder gehabt haben. Frage: Sie haben also doch solange im Streit gelebt, bis das Geld wieder zurückgegeben war? Antwort: Wir waren höchstens 8 Tage im Streit und sind sehr rasch wieder gut miteinander geworden. Frage: Die Leute haben aber behauptet, daß die alte Frau Gruber und die Viktoria Gabriel nie mehr mit Schlittenbauer gut geworden sind? Antwort: Ich kann weiteres nicht sagen, ich habe keine Feindschaft geführt. Frage: Herr Schlittenbauer, sind Sie vernünftig und sagen sie die Wahrheit, sie haben sich doch wegen der Vaterschaftssache furchtbar geärgert? Antwort: Freilich hab ich mich grün und blau geärgert über die Vaterschaftssache, mein Bub hat mir Vorwürfe gemacht...... (Schlittenbauer besinnt sich; dann erklärt er:) Es ist nicht richtig, dass ich mich geärgert habe, ich hab mich mein Lebtag noch nicht geär-gert, dass ich auf jemand einen Hass gehabt hätte. Die ganze Gemeinde bezeichnet mich als guten Mann. Frage: Erzählen sie uns einmal wie der Mord aufgedeckt wurde! Schlittenbauer erzählt nun Einzelheiten über die seinerzeitige Auffindung der Leichen u.s.w.. Seine Angaben decken sich vollkommen mit seinen seinerzeitigen Angaben, weshalb von der nochmaligen Niederschrift abgesehen wurde. Frage: Haben Sie sich denn nicht gefürchtet, als Sie allein vom Stall in das Innere des Hauses vorgedrungen sind? Antwort: Ich war so aufgeregt, daß ich gar nichts mehr gedacht habe, denn ich nahm an, daß mein Bub ja am Verhungern sein müsse. Wenn es auch nicht sicher mein eigenes Kind gewe-sen wäre, so hatte ich doch Mitleid mit dem Kind und wollte sofort nach demselben sehen. In der Aufregung, in der ich mich befand, hätte ich’s mit jedem aufgenommen, der mir in den Weg getreten wäre. Frage: Sie haben erklärt, sie hätten die vordere Haustür dann von innen geöffnet und zwar mit dem Schlüssel, der innen gesteckt habe. Wie erklären sie sich das, nachdem der alte Gruber erzählt hatte, daß ihm der Hausschlüssel weggekommen sei und daß er nun nur noch mit dem Riegel absperren könne? Antwort: Das ist mir selbst ein Rätsel, denn ich weiß bestimmt, daß nur ein Schlüssel da war. Frage: Wie stellen Sie sich denn vor, wie die Täter aus dem Hause heraus gekommen sind, wenn der Schlüssel innen gesteckt hat? Antwort: Im Wagenhaus ist ein Seil von oben heruntergehängt und ich glaube, daß die Mör-der oben im Heuboden bis zur Wagenremise gegangen sind, man konnte nämlich oben durch-gehen, und sich dann an diesem Seil heruntergelassen haben. Frage: Ist Ihnen an den Leichen der alten Frau Gruber und der Viktoria Gabriel etwas aufge-fallen, haben Sie Würgespuren gesehen? Antwort: Nein, so genau habe ich sie nicht gesehen. Frage: Sie haben angegeben, daß Sie ein oder zwei Tage vor dem Mord zusammen mit dem alten Gruber im Neuschnee die Fußspuren von zwei Menschen gesehen haben, die in die Fut-terkammer beim Motorhaus geführt haben, aber nicht mehr heraus. Ein anderer Zeuge hat angegeben, der Vater Gruber habe ihm erzählt, daß er schon mehrmals bei seinem Anwesen die Fußtritte einer Mannsperson gesehen habe? Antwort: Davon weiß ich nichts, ich habe jedenfalls die Fußspuren von zwei Personen gese-hen. Frage: Sie haben später mit S i e g l mehrere Prozesse geführt, wie war denn die Sache? Antwort: Siegl hat mich als Kaifecker Mörder bezeichnet und ich habe ihn wegen Beleidi-gung verklagt, worauf er zu einer Geldstrafe von 40 Mk. verurteilt wurde. Er hat damals auch meinen Sohn Johann Schlittenbauer zu beeinflussen versucht, daß derselbe gegen mich aussa-gen soll. Ich habe darauf dem Siegl vorgeworfen, daß er meinen Sohn zum Meineid angestif-tet habe. Dafür wurde ich dann dreimal gestraft. Ich hätte es ihm ja beweisen können, daß er wirklich meinen Sohn angestiftet hat, aber er hat mir dann wieder leid getan und da habe ich lieber die Strafe auf mich genommen. Der Gemeindeschreiber D e r s c h hat mich auch öffentlich in den Wirtschaften als Hinterkai-fecker Mörder bezeichnet, aber verklagt habe ich ihn nicht, denn was habe ich davon, doch nur Kosten und ich habe mir wieder gedacht, man muß das Unrecht geduldig leiden.
Antwort: Wie nur die Leute so etwas sagen mögen, davon mag ich gar nichts hören. Es ist ja nicht wahr, ich bin bei meiner Frau gewesen.
V.g.u.u. gez. Lorenz Schlittenbauer
I. Anschließend an die Einvernahme wurde Schlittenbauer noch auf die an einzelnen Punkten zu Tage getretenen Unklarheiten seiner Aussagen hingewiesen. Er brachte je-doch seine Antworten in einer Weise vor, daß berechtigte Zweifel an seiner Täterschaft entstehen mußten. Wiederholt beteuerte er unter Tränen seine Unschuld, erklärte, daß er sehr wohl wisse, daß er in der dortigen Gegend als Täter angesehen werde und betonte, daß dies in erster Linie auf sein tatkräftiges Eingreifen als Ortsführer und auf seine Hilfsbereitschaft zurückzuführen sei. Er habe sich eben aus menschlichen Gründen um alles angenommen, habe sich aber nun nach den gemachten Erfahrungen zum Vorsatz gemacht, nie mehr in so selbstloser Weise einzugreifen. Anhaltspunkte für ein weiteres Vorgehen sind nicht mehr vorhanden. gez. Riedmayr, Krim. Inspektor. Mit den Akten des Landgerichts Neuburg a.d. Donau Nr. 105/15 u. 9/20 Und den Akten Staatsanwaltschaft Neuburg a. Donau AVZ.521/22 Nr. 526/22, 316/24, 233, 257, 535/25, 414/30 u. 1368/30 ferner Sonderakt „Schlittenbauer“
an den Herrn Oberstaatsanwalt bei dem Landgerichte Neuburg an der Donau Ergebenst zurückgeleitet.
In der Dienststelle 2 München, den 11. April 1931 Polizeidirektion I.A. gez. Fauss
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Verbindung zum Mordfall Hinterkaifeck
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