Vernehmungsniederschrift
Aufgesucht, mit dem Gegenstand der Vernehmung vertraut gemacht und zur Wahrheitsangabe ermahnt, gibt der verh. Bauer und Gastwirt Andreas Schwaiger aus Gröbern folgendes an:
Zur Person:
Schwaiger, Vorname Andreas, verh. Bauer und Gastwirt, geb. 12.2.1897 in Gröbern, Lkrs. Schrobenhausen, wohnhaft dortselbst, Hs. Nr. 22.
Zur Sache:
"Ich bin seit meiner Geburt in Gröbern wohnhaft. Die Familie Gruber und Gabriel von Hinterkaifeck waren mir gut bekannt. Ich bin sehr oft nach Hinterkaifeck gekommen, nachdem wir dort beim Dreschen ausgeholfen haben und die Grubers auch bei uns verkehrt haben. Ich kenne das Anwesen Gruber daher sehr gut. Die Grubers holten bei uns auch das Bier.
Wenn ich über nähere Einzelheiten gefragt werden, die die Mordsache Hinterkaifeck betreffen, so kann ich folgendes angeben:
Ich war am Dienstag, den 4.4.1922, mit dem Zusammenrechen auf der Wiese hinter meinem Anwesen beschäftigt. Nachmittags gegen 4 Uhr habe ich von Hinterkaifeck her die Kinder des Bauern Schlittenbauer Lorenz kommen sehen. Beim Näherkommen erzählten sie mir, da0 man in Hinterkaifeck alle erschlagen habe. Daraufhin habe ich meine Arbeit unterbrochen und begab mich mit meiner Schwester Franziska Schwaiger und mit meiner seinerzeitigen Dienstmagd nach Hinterkaifeck. Als ich in Hinterkaifeck ankam, traf ich die Gröberner Bauern Schlittenbauer Lorenz, den Bauern Jakob Siegl [Anm.: richtig: Sigl] und den Bauern Pöll. Auch sie erzählten mir, daß alle tot seien. Wie ich schon erwähnt habe, war dies am 4.4.1922 gegen 16.00 Uhrnachmittags. Schlittenbauer, Siegl, Pöll und ich gingen dann in die Scheune und sahen vor der Türe, die zur Futterkammer führte, die Leiche des Bauern Gruber, dessen Ehefrau und der Witfrau Gabriel liegen. Die Scheune haben wir durch das Tor, welches neben dem Motorenhaus sich befindet, betreten. Die Leichen waren durch Pöll und Schlittenbauer bereits zugedeckt worden. Außerdem legten sie sie neben die Wand, damit man den Stall betreten konnte. Wir sind dann in den Stall gegangen. Neben der Stalltüre lag auf dem Futtergang die etwa 101 Jahre alte Cäcilie Gabriel. Ich hatte den Eindruck, als ob dem Mädchen die Kehle durchschnitten worden wäre und mit einem Schuß in die rechte Seite in Höhe der Nase getötet worden sei. In Wirklichkeit aber ist das Kind jedoch mit der später gefundenen Stockhaue erschlagen worden. Wahrscheinlich hatte sie einen Schlag bekommen. Beim Weitergehen durch den Stall habe ich im Barren eine Kreuzhaue gefunden. Diese haben die Tiere immer abgeschleckt. Das Vieh hat nicht geschrieen. Den Stall selbst habe ich in bester Ordnung gefunden, genau so wie man ihn am Abend zusammenrichtet. Meiner Anschauung nach ist es ausgeschlossen, daß vorher entweder Schlittenbauer, Siegl oder Pöll im Stalle etwas gemacht haben. Ich meine hier, daß die den Stall aufräumten, das Vieh getränkt, gefüttert und gemolken haben. Diese sind nämlich höchstens 10 Minuten vor mir an den Tatort gekommen. Es ist somit nicht möglich, da0 sie vor mir, bzw. vor meinem Eintreffen den Stall gerichtet haben. Der Mist war nicht aufgeräumt. Ich hatte den Eindruck, daß während der 4 Tage das Vieh unversorgt war. Wenn nämlich das Vieh 3 - 4 Tage nichts mehr zu fressen bekommt, dann fängt es zu ruhen an und schläft. Wie ich in die Küche kam, habe ich auf dem Herd noch die Brotsuppe stehen sehen, die sich der alte Gruber herausgeschöpft haben muß. Der Rest der Suppe befand sich noch in der großen Schüssel. In einem Porzellanschüsselchen befanden sich Kartoffelschalen von Bratkartoffeln. Beim Weitergehen kamen wir in die Magdkammer. Dort sahen wir das Oberbett auf dem Boden liegen. Ich weiß nicht mehr, wer das Bett hochgehoben hat, jedenfalls lag unter der Bettdecke die tote Magd. Diese hatte Verletzungen an der rechten Gesichtshälfte. Aus Nase und Mund der Leiche ist Blut ausgedrungen. Die Leiche der Magd lag mit den Füßen der Türe zu. Auf der Bank unterhalb des Fensters stand ein Rucksack reisefertig eingepackt. Dieser Rucksack gehörte der Magd. Es hatte also den Anschein, als ob die Magd ein Geräusch gehört habe und deswegen das Haus verlassen wollte. Nicht mehr erinnerlich ist mir, wie die Magd bekleidet war. Mit Siegl, Pöll und Schlittenbauer bin ich dann weitergegangen und kamen in die Schlafkammer der Witfrau Gabriel. Ein in dieser Kammer stehender Kinderwagen war mit einem dunklen alten Rock zugedeckt. Ich hatte vorerst den Eindruck als ob darin ein Kind schlafen würde. Beim Abdecken des Rockes konnte man sehen, daß durch das Dach des Kinderwagens ein Schlag geführt wurde, welcher das im Wagen liegende Kind tödlich getroffen hat. Der Schlag mußte mit der Schneide dieser Hacke geführt worden sein und zwar mit einer solchen Wucht, daß das Gehirn bis zum Dach des Kinderwagens spritzte. Das Kind lag ausgestreckt tot im Wagen.
Auf dem Boden der Schlafkammer der verwitweten Gabriel konnte man Blutspuren wahrnehmen, aus denen ich den Schluß gezogen habe, daß der Täter nur einige Schritte in das Zimmer gemacht hat. Die Betten in der Kammer waren unberührt. Nur im linken Bett konnte man am Kopfende feststellen, daß jemand am Bettrand gesessen war. Eine Brieftasche lag geöffnet auf dem Kissen. Wie ich mich noch entsinnen kann, handelte es sich un eine Geldbrieftasche. Ob in dieser Geld verwahrt war, weiß ich nicht, ich habe auch nicht nachgesehen. An der linken Wandseite standen etwa 3 Kleiderkästen. Diese wurden erst nach Eintreffen der Staatsanwaltschaft geöffnet. Wie ich noch weiß, wurde das Goldgeld in einem Kasten gefunden, welcher an der äußersten rechten Seite gestanden war, gefunden. Das Geld befand sich in einer Blechbüchse, welche mit weißen Tüchern bedeckt war.
Wann die Staatsanwaltschaft eingetroffen ist, kann ich nicht mehr sagen.
Nachdem ich mir nun alles angeschaut hatte, begab ich mich nach Laag zum Gabriel und habe ihm mitgeteilt, daß in Hinterkaifeck alles erschlagen sei. Die Leute in Laag glaubten mit aber nichts.
Von dort weg begab ich mich nach Waidhofen zum Pfarrer Haas und erzählte diesem, was in Hinterkaifeck vorgefallen ist. Auch der Pfarrer meinte, daß ich nicht recht bei Sinnen sei. Anschließend begab ich mich zum Posthalter Mehl in Waidhofen. Diesen ersuchte ich, die Staatsanwaltschaft zu verständigen, sowie die Kriminalpolizei in München von der Mordsache Hinterkaifeck zu unterrichten. Auch Mehl glaubte mein Vorbringen nicht. Es herrschte Zweifel bis ein gewisser Schlittenbauer aus Wolfshof, welcher Viehhändler war und von Hinterkaifeck kam, meine Angaben bestätigen konnte. Es wurde dann telefoniert und die zuständigen Behörden benachrichtigt. Als ich dann wieder nach Hinterkaifeck zurückkam, waren schon viele Leute anwesend.
Ob während meiner Abwesenheit schon die Gendarmerie eingetroffen war, weiß ich nicht, nehme es aber an, nachdem bereits Wachen eingeteilt wurden.
In der Zwischenzeit versorgten Schlittenbauer, Pöll und Sigl das Vieh. Nochmals möchte ich erwähnen, daß ich nicht glauben kann, daß während der 4 Tage jemand das Vieh gefüttert hat, denn der Stall war, wie ich schon sagte sehr gut aufgeräumt.
Ich begab mich dann nachhause und habe meine Arbeiten verrichtet.
Am Abend wurde ich zur Wache nicht eingeteilt.
Im Wohnhaus des Anwesens Hinterkaifeck konnte man mittels einer Treppe auf den Speicher gelangen. Auf dem Speicherboden lagerte das Getreide, das Mehl, Bruch usw. Eine Brandmauer war nicht vorhanden. Über dem Stall befand sich dann das Heu, welches durch eine Türe oberhalb der Stallfenster eingeworfen wurde. Ich kann mich entsinnen, daß in der Scheune des Gruber ein Steigbaum vorhanden war, mittels diesem es gelang, auf den Strohboden zu kommen. Wo dieser Steigbaum jedoch genau gestanden hat, weiß ich nicht. Jedenfalls war dieser im Raume der Futterkammer. Ich glaube mich noch entsinnen zu können, daß auf dem Querbalken in der Scheune noch ein Heuseil gehangen hat. Es ging seinerzeit das Gespräch um, daß dieses Seil durch den Täter angebracht worden sei, um besser auf den Strohboden zu kommen, andererseits sich aber auch eine bessere Fluchtmöglichkeit zu schaffen. Ferner wurde gesagt, daß auf dem Heuboden eine Liegestätte gefunden worden sei. Ich selbst aber habe diese Liegestätte nicht gesehen. auch habe ich keine Speckschwarten gesehen. In die Räucherkammer bin ich wohl gekommen und habe gesehen, daß sie voll Rauchfleisch gehangen war. Die Wohnstube des Bauern Gruber ist mir bekannt und ich bin in diese auch schon gekommen. Wie ich mich noch erinnern kann, waren seinerzeit als die Tat bekannt wurde, die beiden Betten der Eheleute Gruber schon benützt. Der alte Kaifecker (Gruber) hatte sein Gewand schon ausgezogen gehabt, denn es wurde in der Stube gefunden. In der Futterkammer wurde er lediglich mit Unterhose und Hemd bekleidet gefunden. Früher habe ich in der Stube des Bauern Gruber schon gevespert, als ich dort gearbeitet habe. Nicht entsinnen kann ich mich aber, ob in dieser ein Wandkästchen eingebaut war. Möglich war dies schon.
Ein Eser ist mir nicht bekannt, desgleichen auch kein Kerner Hiasl. Ich kann mich nur an einen Dienstbuben welcher Becker Bertl aus Geisenfeld [Anm.: richtig: Bäcker Bärtl] genannt wurde. Wo dieser jetzt ist, weiß ich nicht.
In Hinterkaifeck wurde auch ein Hund gehalten und zwar handelte es sich um einen Schnauzer. Diesen Hund habe ich gesehen, wie er im Stalle lag und ständig den Kopf auf die Seite legte. Dem Hund wurde durch den Täter ebenfalls ein Schlag versetzt und am Kopfe verletzt. Man musste diesen Schnauzer später anhängen, weil er wahrscheinlich wegen der vielen Leute, die sich beim Bekanntwerden der Tat in Hinterkaifeck einfanden, davonlaufen wollte.
Es ist ohne weiteres möglich, daß die Kälber mehrere Tage ohne Futter sein können. Diese Tiere habe das Körperfett in sich, von dem sie sich, wie ich weiß, ernähren. Ich kann mich noch an 2 weitere Kälber entsinnen, die im Stalle standen. Diese machten wohl den Eindruck, daß sie bald verenden würden.
Die großen Tiere im Stalle machten einen gekrümmten Rücken, dies ist ein Beweis dafür, daß es höchste Zeit war, sie zu tränken. Vorerst fraßen die Tiere gar nicht mehr, sondern verlangten nur Wasser.
Auf den Heuboden bin ich nicht gekommen. Ich glaub mich noch entsinnen zu können, daß ein etwa 2jähriges Rind frei in der Scheune umhergelaufen ist und dort gefressen hat. Dieses wurde, wie ich mich zu entsonnen glaube, erst angehängt, als die ersten Leute auf den Hof kamen. Von einem Gerede, daß jemand durch die Dachluke geschaut habe, habe ich wohl gehört. Ich selbst habe aber diese Person nicht gesehen. Nicht erinnerlich ist mir, daß die Dachlucken gehoben worden waren. Wie gesagt, ich habe lediglich davon sprechen hören.
Ich kann mich noch entsinnen, daß an dem Donnerstag als in Schrobenhausen Markt war, mein Vater und mein Bruder Vieh zum Markte trieben. Vor dem Hause in Hinterkaifeck stand der Bauer Gruber am Brunnen. Als mein Vater ( Thomas Schwaiger) Gruber grüßte, meinte dieser, daß es doch komisch sei, zu ihm (gemeint war in sein Anwesen) gingen Fußtritte herein und nicht mehr heraus. Mein Vater sollte damals Gruber erwidert haben, jetzt sei es Ende März und da laufen die Kater. Dieser wird sich verspätet haben und deswegen im Nest geblieben sein. Es hatte seinerzeit leicht geschneit und darum konnte man die Fußtritte deutlich wahrnehmen.
Gruber selbst war ein hilfsbereiter Mensch. Zu jeder Zeit hat er einem geholfen. Andererseits aber war Gruber eine verschlossene Person und hat nicht jeden in seine privaten Verhältnisse eingeweiht.
Nach meiner Anschauung wäre es von Wichtigkeit zu wissen, ob die verwitwete Gabriel schwanger war. Ich denke mir, im Falle die Schwangerschaft zutreffen sollte, daß ein Freier vorhanden war, welcher in das Anwesen Hinterkaifeck einheiraten wollte. Nachdem aber der Bauer Gruber niemand hereinließ und der Freier die Schwangerschaft verdecken wollte dieser zu dieser Tat geschritten ist. Anders könnte ich mir ein Motiv gar nicht vorstellen, zumal nichts entwendet worden ist."
V.g.u.u.
Im Entwurf gez.
Schaiger Andreas
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Harrer (Komm. d.LP)
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