Zeitungsartikel: 1951-11-16 Schwäbische Landeszeitung: Unterschied zwischen den Versionen
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'''Ich kenne die Mörder'''<br> | '''Ich kenne die Mörder'''<br> | ||
Mir dem erwähnten Priester wurde einer unserer Leser bekannt und berichtet hier über ein Gespräch mit ihm: <br> | Mir dem erwähnten Priester wurde einer unserer Leser bekannt und berichtet hier über ein Gespräch mit ihm: <br> | ||
Es war in einer kleinen Stadt Schwabens, als ich ihn kennenlernte. Er ist ein beliebter freundlicher Herr mit viel Idealismus und großem Berufseifer. Als wir eines Abends beisammen saßen, kamen wir auf das Beichtgeheimnis zu sprechen. Er wurde plötzlich still und nachdenklich. "Sehen Sie", sagte er dann, "hier kann ich Ihnen einen selbsterlebten Fall auftischen. Es wird Ihnen der Mord von Hinterkaifeck in Erinnerung sein. Sie wissen auch, daß trotz der vielen Vermutungen und zahlreichen Verhaftungen bis heute kein Mörder bekannt ist. Und doch bräuchte ich nur den Mund aufzutun und das Geheimnis wäre gelüftet. Ich kenne die Mörder von Hinterkaifeck!" Er sagte das so selbstverständlichem und ungerührtem Ton, daß ich sagen mußte: "Und es hat sie keine seelischen Kämpfe gekostet, ihr Beichtgeheimnis zu wahren, als Umschuldige vor dem Richter standen?" "Sie werden staunen", entgegnete er lächelnd, "aber es ist gar kein Beichtgeheimnis. Sie müssen wissen, daß ich zuletzt Stadtkaplan in Augsburg war. Dort wurde ich vor einigen Jahren an das Sterbebett einer Frau geholt. Es vergingen wohl sechs Stunden, bis sich die Sterbende von ihrer schweren seelischen Last befreit und beruhigt hatte. Trotzdem schloß sie erst nach einem erschütternden Todeskampf die Augen. Mir aber hatte sie ihr schreckliches Geheimnis aufgedeckt. Wohlgemerkt geschah dies außerhalb des Beichtsiegels und mit dem Wunsch, ich solle das Bekenntnis auf der Polizei zu Protokoll geben." | Es war in einer kleinen Stadt Schwabens, als ich ihn kennenlernte. Er ist ein beliebter freundlicher Herr mit viel Idealismus und großem Berufseifer. Als wir eines Abends beisammen saßen, kamen wir auf das Beichtgeheimnis zu sprechen. Er wurde plötzlich still und nachdenklich. "Sehen Sie", sagte er dann, "hier kann ich Ihnen einen selbsterlebten Fall auftischen. Es wird Ihnen der Mord von Hinterkaifeck in Erinnerung sein. Sie wissen auch, daß trotz der vielen Vermutungen und zahlreichen Verhaftungen bis heute kein Mörder bekannt ist. Und doch bräuchte ich nur den Mund aufzutun und das Geheimnis wäre gelüftet. Ich kenne die Mörder von Hinterkaifeck!" Er sagte das so selbstverständlichem und ungerührtem Ton, daß ich sagen mußte: "Und es hat sie keine seelischen Kämpfe gekostet, ihr Beichtgeheimnis zu wahren, als Umschuldige vor dem Richter standen?" "Sie werden staunen", entgegnete er lächelnd, "aber es ist gar kein Beichtgeheimnis. Sie müssen wissen, daß ich zuletzt Stadtkaplan in Augsburg war. Dort wurde ich vor einigen Jahren an das Sterbebett einer Frau geholt. Es vergingen wohl sechs Stunden, bis sich die Sterbende von ihrer schweren seelischen Last befreit und beruhigt hatte. Trotzdem schloß sie erst nach einem erschütternden Todeskampf die Augen. Mir aber hatte sie ihr schreckliches Geheimnis aufgedeckt. Wohlgemerkt geschah dies außerhalb des Beichtsiegels und mit dem Wunsch, ich solle das Bekenntnis auf der Polizei zu Protokoll geben." Dann teilte mir der Geistliche, teils von selbst, teils auf meine Fragen, einen Teil seines Wissens mit: Die beiden Brüder der Toten seien die Mörder. Zurzeit des Todes ihrer Schwester hätten sie noch in Augsburg gelebt. Als Motiv gab er reinen Raubmord an. Die Beute sei mehr als lohnend gewesen. Erst nach der Bluttat hätten Eltern und Schwester von dem Verbrechen erfahren.<br> | ||
Was aber das Erstaunlichste ist: Nicht ein Schatten des Verdachts fiel während der jahrelangen Fahndungen auf die Täter. All die vielen Verhafteten und Vernommenen, die oft nur wegen mangelnder Beweise wieder freigelassen wurden, waren unschuldig.<br> | Was aber das Erstaunlichste ist: Nicht ein Schatten des Verdachts fiel während der jahrelangen Fahndungen auf die Täter. All die vielen Verhafteten und Vernommenen, die oft nur wegen mangelnder Beweise wieder freigelassen wurden, waren unschuldig.<br> | ||
Warum aber schwieg der Mann, der mir dies erzählte, der einzige Mitwisser der Mörder, obwohl der letzte Wunsch der Sterbenden war, er solle sprechen? "Warum sollte ich nach Jahrzehnten noch einmal Staub aufwirbeln?, meinte er auf eine diesbezügliche Frage, "auch wenn die Mörder nicht bekannt sind, ist niemand benachteiligt. Wenn ich heute sprechen würde, gäbe es bestimmt Leute, die mir nicht glaubten, daß ich mein Wissen außerhalb des Beichtsiegels erfahren habe, und die es verständen, das Vertrauen der Katholiken zum Beichtvater zu erschüttern. Damit würde ich unserer Aufgabe nur schaden".<br> | Warum aber schwieg der Mann, der mir dies erzählte, der einzige Mitwisser der Mörder, obwohl der letzte Wunsch der Sterbenden war, er solle sprechen? "Warum sollte ich nach Jahrzehnten noch einmal Staub aufwirbeln?, meinte er auf eine diesbezügliche Frage, "auch wenn die Mörder nicht bekannt sind, ist niemand benachteiligt. Wenn ich heute sprechen würde, gäbe es bestimmt Leute, die mir nicht glaubten, daß ich mein Wissen außerhalb des Beichtsiegels erfahren habe, und die es verständen, das Vertrauen der Katholiken zum Beichtvater zu erschüttern. Damit würde ich unserer Aufgabe nur schaden".<br> |
Version vom 3. Mai 2019, 11:49 Uhr
Rund um Hinterkaifeck schweigen immer noch die Wälder
Detailinformationen
Datum
16.11.1951
Ort
Art des Dokumentes
Zeitungsbericht
Verfasser
unbekannt
Verfasst für
Schwäbische Landeszeitung
Verfügbar
Zeitungsarchiv
Inhalt
Rund um Hinterkaifeck schweigen immer noch die Wälder In unserer Ausgabe vom 25.3.1949 behandelten wir in der reminiszierenden mit Illustrationen versehenen Reportage „Ungesühnte Verbrechen aus der Augsburger Kriminalgeschichte eine Reihe unaufgeklärter Mordfälle, darunter auch das entsetzliche Blutbad von Hinterkaifeck. Unsere Beilage „Der Heimatfreund“ brachte in Nr. 3 Jahrgang 1951 unter dem Titel:“Gottloser Mörderhand fiel am 31. März 1922 zum Opfer…“ einen weiteren Beitrag über den immer noch nicht aufgeklärten sechsfachen Mord. Nun hat es den Anschein, wie wenn doch noch etwas Licht in diese überaus dunkle Affäre dringen würde, einerseits durch einen Rußlandheimkehrer, dem sich während der Gefangenschaft ein russischer Wachhabender und ehemaliger bayerischer Landsmann als Mörder von Hinterkaifeck zu erkennen gab und andererseits durch den Brief eines Lesers aus München , der einen Geistlichen gekannt hat, dem gegenüber sich eine Sterbende als die Schwester der Hinterkaifecker Mörder ausgegeben hat. Dort stand einst der Hof. Schrobenhausen. Etwa einen halben Kilometer südwestlich der kleinen Ortschaft Gröbern bei Waidhofen im Landkreis Schrobenhausen auf einer Lichtung, die beinahe rings vom Wald umgeben ist, steht am Rande eines Feldwegs ein Bildstock aus Granit. Das Marterl dort fällt mit dem ersten Blick nicht unbedingt auf. Seine Inschrift ist so verwaschen, dass man einzelne Worte nur mit Mühe und Not entziffern kann. Die Pflüge der Bauern aus Gröbern gehen um diese Jahreszeit über die Äcker , und auf dem Hügel, der etwa dreißig Schritte vom Bildstock entfernt in der Richtung zum Wald liegt, grünt jetzt schon leicht die Wintersaat. Es ist nichts Besonderes an diesem Fleck. Der Einödwinkel ist ein bißchen eintönig vielleicht, düster, abgeschieden. Der nahe Wald wirft aus allen Richtungen im Laufe des Tages seine Schatten auf den Kreis der Felder, und der Bauer, der sein Gespann anhielt, uns den Weg zeigte und mit der Hand auf den Hügel deutete, sagte:“ Dort stand einmal der Hof von Hinterkaifeck! Da wo die die schwarzen Flecken noch in der Ackerfurche liegen, war die Mistgrube. Der Hof wurde abgerissen so um die Inflationszeit herum, ich glaub es war 1924. Kein Mensch wollte es geschenkt! Da wurde es eben dem Erdboden gleichgemacht! Jedenfalls die Einöde Hinterkaifeck bei Gröbern gibt es seit fast dreißig Jahren nicht mehr und jeder , der aus der Gegend ist und der an dem abgelegenen Fleck vorbeigeht, der weiß warum Hinterkaifeck bis auf den letzten Ziegelstein verschwand. Auf dem Friedhof in Waidhofen liegt in der Nähe des Kirchenchores ein Grabmal, das eigentlich gar nicht so recht in den bescheidenen stillen Bauernfriedhof mit seinen Kreuzen hineinpasst. Ein kurzer gedrungener Obelisk mit der Inschrift: „Gottloser Mörderhand fiel am 31.3.1922 die Familie Gruber-Gabriel von Hinterkaifeck zum Opfer.“ Dann folgen die Namen der Toten: Andreas Gruber, Cäcilie Gruber, Viktoria Gabriel, geb. Gruber und deren Kinder Cäcilie und Josef, sowie die Dienstmagd maria Baumgartner. Und darunter der Psalm: „Der Herr gedenket als Bluträcher ihrer und vergisst nicht das Geschrei der Armen.“ Die Mordnacht vor dreißig Jahren Die wildesten Gerüchte gingen um In der Bombennacht von 1944 verbrannten in der Augsburger Staatsanwaltschaft die Akten Hinterkaifeck. Der Fall schien damit endgültig in der Rubrik „Unerledigt-Ungeklärt“ eingeordnet zu werden. Da veröffentlichte vor kurzem der „Der Donaukurier“ in Ingolstadt eine Artikelserie zur Mordnacht von Hinterkaifeck, in der all das zusammengetragen worden war, was zum Teil amtsbekannt, zum Teil auch Volksmeinung gewesen ist. Es war kein Tatsachenbericht, sondern eher schon eine Deutung dieser Tragödie. Und da sprach eines Tages ein Rußlandheimkehrer aus dem zweiten Weltkrieg einen Reporter dieser Zeitung an und meinte: „ Na, die Sache da mit Hinterkaifeck , wie ihr sie schreibt, die stimmt nicht immer!“ Und nach einigen Hin und Her erzählte der etwa 35-40 Jahre alte Mann dem Journalisten:“Ich habe einen kennen gelernt, der sich als Mörder von Hinterkaifeck bezeichnete.“ Das konnte eine sogenannte „Ente“ sein, aber Matthäus Eser, ehemaliger Landser der 71. Infanterie-Division stand zu seinem Wort. Wir fuhren also nach Ingolstadt und unterhielten uns mit dem Mann in einer kleinen Gastwirtschaft. Dabei soll nicht verschwiegen werden, dass wir einen Experten bei uns hatten, der den Fall Hinterkaifeck auch „wie seine Hosentasche“ kannte. Eser legte also los, ruhig, sachlich, ohne Übertreibung, sagte zwischendurch auch einmal: „das weiß ich nicht!“ wo er sicher und gefahrlos hätte aufschneiden können. Seine Aussagen fingen langsam an, unheimlich präzise zu werden. Ein „oberbayerischer“ Russe
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