Zeitungsartikel: 1951 Hecker Serie 08: Unterschied zwischen den Versionen
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Die Bluttat geschieht in der Nacht vom [[Sachverhalte: Die genaue Tatzeit|Freitag aus Samstag]]. Am Samstag fällt es auf, daß die kleine Cäzilie von der Schule fernbleibt. Indessen ist dies schon einige Male vorgekommen, immer ohne Entschuldigung, und niemand macht sich besondere Gedanken darüber. Der Sonntag kommt, und man wundert sich über die Hinterkaifecker, die nicht wie gewohnt zur Kirche gehen. Viktorias helle Stimme fehlt im Chor, und kein Mensch ahnt, daß diese Stimme für immer verstummt ist.<br> | Die Bluttat geschieht in der Nacht vom [[Sachverhalte: Die genaue Tatzeit|Freitag aus Samstag]]. Am Samstag fällt es auf, daß die kleine Cäzilie von der Schule fernbleibt. Indessen ist dies schon einige Male vorgekommen, immer ohne Entschuldigung, und niemand macht sich besondere Gedanken darüber. Der Sonntag kommt, und man wundert sich über die Hinterkaifecker, die nicht wie gewohnt zur Kirche gehen. Viktorias helle Stimme fehlt im Chor, und kein Mensch ahnt, daß diese Stimme für immer verstummt ist.<br> | ||
Am Montag redet man davon, daß der Kamin in der Einöde nicht mehr rauche. Der Postbote findet eine Zeitung, die er am Samstag ans Fenster Steckte, von Schnee bedeckt an der gleichen Stelle. Seit Samstag ist viel Schnee gefallen. Der Postbote späht durchs Küchenfenster. Er entdeckt nichts Auffälliges. Ungewöhnlich erscheint ihm nur, daß der Kinderwagen nicht wie üblich in der Küche steht. Im Stadel brüllt das Vieh. Man hört es bis nach Gröbern und zuckt die Schultern. Die Hinterkaifecker sind seltsame Leute. Damit gibt man sich zufrieden.<br> | Am Montag redet man davon, daß der Kamin in der Einöde nicht mehr rauche. Der Postbote findet eine Zeitung, die er am Samstag ans Fenster Steckte, von Schnee bedeckt an der gleichen Stelle. Seit Samstag ist viel Schnee gefallen. Der Postbote späht durchs Küchenfenster. Er entdeckt nichts Auffälliges. Ungewöhnlich erscheint ihm nur, daß der Kinderwagen nicht wie üblich in der Küche steht. Im Stadel brüllt das Vieh. Man hört es bis nach Gröbern und zuckt die Schultern. Die Hinterkaifecker sind seltsame Leute. Damit gibt man sich zufrieden.<br> | ||
Am Dienstag trifft ein [[Personen: Hofner Albert|Monteur]] aus Pfaffenhofen ein, den der alte Gruber vor einiger Zeit zur Reparatur eines [[Sachverhalte: Der Motor auf Hinterkaifeck|Benzinmotors]] bestellt hatte. Der Mann klopft an Türen und Fenster, und als sich nichts regt, betritt er durch die nur angelehnte Tür den Stadel, in dem sich der Motor befindet. Er führt die Reparaturen aus und begibt sich hernach, um seine Hände zu waschen, in den Stall. Dabei muß er seinen Weg über die Futterkammer nehmen. Heu liegt darin, darüber lagern unordentlich einige Bretter. Achtlos geht er daran vorbei. Im Stall findet er kein Wasser, nur einen leeren Eimer. Die Tiere gebärden sich bei seinem Erscheinen seltsam aufgeregt und brüllen. Er geht wieder. Abermals durchquert er die Futterkammer, ohne die Dinge dann in näheren Augenschein zu nehmen.<br> | Am Dienstag trifft ein [[Personen: Hofner Albert|Monteur]] aus [[Orte: Pfaffenhofen|Pfaffenhofen]] ein, den der alte Gruber vor einiger Zeit zur Reparatur eines [[Sachverhalte: Der Motor auf Hinterkaifeck|Benzinmotors]] bestellt hatte. Der Mann klopft an Türen und Fenster, und als sich nichts regt, betritt er durch die nur angelehnte Tür den Stadel, in dem sich der Motor befindet. Er führt die Reparaturen aus und begibt sich hernach, um seine Hände zu waschen, in den Stall. Dabei muß er seinen Weg über die Futterkammer nehmen. Heu liegt darin, darüber lagern unordentlich einige Bretter. Achtlos geht er daran vorbei. Im Stall findet er kein Wasser, nur einen leeren Eimer. Die Tiere gebärden sich bei seinem Erscheinen seltsam aufgeregt und brüllen. Er geht wieder. Abermals durchquert er die Futterkammer, ohne die Dinge dann in näheren Augenschein zu nehmen.<br> | ||
In [[Orte: Gröbern|Gröbern]] begibt er sich zum [[Personen: Schlittenbauer Lorenz|Ortsführer]]. Er verständigt ihn von der vollzogenen Reparatur des Motors und bittet, man möge dem Gruber Bescheid sagen, wenn sie vom Feld heimkehren. Nun kommen die Dinge ins Rollen. Alles was die Grubers an Feld besitzen, liegt in Sichtweite direkt um das Gehöft. Der Monteur hat aber weit und breit niemanden gesehen. Wo können die Leute also sein? Am Sonntag waren sie nicht in der Kirche, das Mädchen geht schon den dritten Tag nicht mehr in die Schule, den Kamin sieht man seit Tagen nicht mehr rauchen, der Postbote findet keinen Einlaß, und das Vieh brüllt, als kümmerte sich niemand drum. Dies alles sind Tatsachen, über die man nicht länger mit einem Achselzucken hinweggehen kann. <br> | In [[Orte: Gröbern|Gröbern]] begibt er sich zum [[Personen: Schlittenbauer Lorenz|Ortsführer]]. Er verständigt ihn von der vollzogenen Reparatur des Motors und bittet, man möge dem Gruber Bescheid sagen, wenn sie vom Feld heimkehren. Nun kommen die Dinge ins Rollen. Alles was die Grubers an Feld besitzen, liegt in Sichtweite direkt um das Gehöft. Der Monteur hat aber weit und breit niemanden gesehen. Wo können die Leute also sein? Am Sonntag waren sie nicht in der Kirche, das Mädchen geht schon den dritten Tag nicht mehr in die Schule, den Kamin sieht man seit Tagen nicht mehr rauchen, der Postbote findet keinen Einlaß, und das Vieh brüllt, als kümmerte sich niemand drum. Dies alles sind Tatsachen, über die man nicht länger mit einem Achselzucken hinweggehen kann. <br> | ||
Der Ortsführer und noch einige [[Sachverhalte: Die Auffindung#Drei Nachbarn machen sich auf den Weg nach Hinterkaifeck |Männer]] begeben sich nach Hinterkaifeck, und der [[Sachverhalte: Die 5 Tatortbilder|Anblick]], der sich ihnen dort bietet, ist grausig genug, um sich ihnen für Lebenszeit einzuprägen. In der Futterkammer, nur lose von Heu und ein paar Brettern bedeckt, finden sie die Leichen Viktorias, ihres Vaters und der kleinen Cäzilie. Schräg über den drei Toten liegt der Leichnam der alten Frau. Sie alle weisen [[Sachverhalte: Die Verletzungen der Opfer|schwere Schädelverletzungen]] auf, ausgenommen Cäzilie. Ihr hat der Mörder den Kiefer durch einen brutalen Schlag von unten zertrümmert. In der Magdkammer liegt die entseelte Marie Baumgartner, den Rucksack noch auf dem Rücken. Auch ihr ist die Schädeldecke eingeschlagen. Am scheußlichsten ist der Mörder mit dem kleinen Josef zu Werke gegangen. In unvorstellbarem Haß hat der Unmensch mit einem einzigen Schlag das Dach des Kinderwagens und den Kopf des Knaben zerschmettert.<br> | Der Ortsführer und noch einige [[Sachverhalte: Die Auffindung#Drei Nachbarn machen sich auf den Weg nach Hinterkaifeck |Männer]] begeben sich nach Hinterkaifeck, und der [[Sachverhalte: Die 5 Tatortbilder|Anblick]], der sich ihnen dort bietet, ist grausig genug, um sich ihnen für Lebenszeit einzuprägen. In der Futterkammer, nur lose von Heu und ein paar Brettern bedeckt, finden sie die Leichen Viktorias, ihres Vaters und der kleinen Cäzilie. Schräg über den drei Toten liegt der Leichnam der alten Frau. Sie alle weisen [[Sachverhalte: Die Verletzungen der Opfer|schwere Schädelverletzungen]] auf, ausgenommen Cäzilie. Ihr hat der Mörder den Kiefer durch einen brutalen Schlag von unten zertrümmert. In der Magdkammer liegt die entseelte Marie Baumgartner, den Rucksack noch auf dem Rücken. Auch ihr ist die Schädeldecke eingeschlagen. Am scheußlichsten ist der Mörder mit dem kleinen Josef zu Werke gegangen. In unvorstellbarem Haß hat der Unmensch mit einem einzigen Schlag das Dach des Kinderwagens und den Kopf des Knaben zerschmettert.<br> | ||
Die Männer sind wie betäubt, als sie den Mordhof verlassen und die grausige Kunde nach Gröbern und Waidhofen bringen. Das Entsetzen, das sich der Bevölkerung nicht nur der umliegenden Orte bemächtigt, ist unbeschreiblich. Die Leichen bleiben zunächst unberührt, bis die [[Ermittler: Kriminalbeamte München vom 05.04.1922|Mordkommission]] ihres Amtes gewaltet hat. In den frühen Abendstunden finden sich die Bewohner der Nachbarhöfe und zahlreiche Einwohner Gröberns vor Hinterkaifeck ein, um, im Freien vor der Stalltür kniend, den Totenrosenkranz zu beten. Es schneit und regnet nicht mehr. Tagsüber hat die Sonne geschienen. Jetzt, in der Dämmerstunde, brennen dutzende von Wachslichtern vor dem Gehöft und lassen im düsteren Spiel von Hell und Dunkel an der Wand des Hauses entstehen, das sechs Leichen birgt.<br> | Die Männer sind wie betäubt, als sie den Mordhof verlassen und die grausige Kunde nach Gröbern und Waidhofen bringen. Das Entsetzen, das sich der Bevölkerung nicht nur der umliegenden Orte bemächtigt, ist unbeschreiblich. Die Leichen bleiben zunächst unberührt, bis die [[Ermittler: Kriminalbeamte München vom 05.04.1922|Mordkommission]] ihres Amtes gewaltet hat. In den frühen Abendstunden finden sich die Bewohner der Nachbarhöfe und zahlreiche Einwohner Gröberns vor Hinterkaifeck ein, um, im Freien vor der Stalltür kniend, den Totenrosenkranz zu beten. Es schneit und regnet nicht mehr. Tagsüber hat die Sonne geschienen. Jetzt, in der Dämmerstunde, brennen dutzende von Wachslichtern vor dem Gehöft und lassen im düsteren Spiel von Hell und Dunkel an der Wand des Hauses entstehen, das sechs Leichen birgt.<br> | ||
Auch an den folgenden Abenden wird gebetet. Die Zeitungen Bayerns und ganz Deutschlands greifen den Fall auf und bringen immer neue Meldungen über die fast beispiellose Bluttat. Und während die Polizei ihren weitläufigen Apparat immer umfassender zur Klärung des Verbrechens einsetzt, daß seine Wellen sogar bis ins Ausland schlägt, vollzieht sich der letzte Akt der Tragödie. Am Donnerstag und Freitag erfolgt die [[Sachverhalte: | Auch an den folgenden Abenden wird gebetet. Die Zeitungen Bayerns und ganz Deutschlands greifen den Fall auf und bringen immer neue Meldungen über die fast beispiellose Bluttat. Und während die Polizei ihren weitläufigen Apparat immer umfassender zur Klärung des Verbrechens einsetzt, daß seine Wellen sogar bis ins Ausland schlägt, vollzieht sich der letzte Akt der Tragödie. Am Donnerstag und Freitag erfolgt die [[Sachverhalte: Ergebnisse der Obduktion|gerichtsärztliche Sektion]] der Leichen. Am Samstagvormittag werden die sechs Särge auf einem Brückenwagen in den Friedhof nach Waidhofen befördert. Schauerlich schwangt das schwere Gefährt mit seiner unheimlichen Last den Hohlweg hinunter und durch den Wald. Tausende von Menschen aus nah und fern sind zugegen, als die Ermordeten nachmittags in einem gemeinsamen Grabe zur letzten Ruhe gebettet werden. Dumpf poltert die Erde auf die Särge nieder, das Grab schließt sich, aber offen bleibt die Frage nach dem Mörder.<br> | ||
Fünfzig Mann Landpolizei durchkämmen tagelang die Wälder. An allen Wegen und Stegen beherrschen Gendarmen mit Karabinern das Bild der Landschaft. Sofort nach Bekannt werden der Bluttat eingesetzte Spürhunde hatten versagt, da in der Mordnacht viel Schnee gefallen ist. [[Datei:Belohnung1.png|150px|right]]Das Staatsministerium des Innern setzt auf die Ergreifung des Täters eine [[Sachverhalte: Die Belohnung|Belohnung]] von 100 000 Mark aus. Das Bezirksamt Schrobenhausen mahnt die Landbevölkerung zur größten Wachsamkeit. Alle Häuser sollen zur Nachtzeit sorgfältig abgeschlossen, sämtliche Räume vor dem Schlafengehen durchsucht und Abwehrmittel bereitgelegt werden. Dringend wird davor gewarnt, Geld und Wertsachen zu Hause aufzubewahren.<br> | Fünfzig Mann Landpolizei durchkämmen tagelang die Wälder. An allen Wegen und Stegen beherrschen Gendarmen mit Karabinern das Bild der Landschaft. Sofort nach Bekannt werden der Bluttat eingesetzte Spürhunde hatten versagt, da in der Mordnacht viel Schnee gefallen ist. [[Datei:Belohnung1.png|150px|right]]Das Staatsministerium des Innern setzt auf die Ergreifung des Täters eine [[Sachverhalte: Die Belohnung|Belohnung]] von 100 000 Mark aus. Das Bezirksamt Schrobenhausen mahnt die Landbevölkerung zur größten Wachsamkeit. Alle Häuser sollen zur Nachtzeit sorgfältig abgeschlossen, sämtliche Räume vor dem Schlafengehen durchsucht und Abwehrmittel bereitgelegt werden. Dringend wird davor gewarnt, Geld und Wertsachen zu Hause aufzubewahren.<br> | ||
Dieser Mahnung hätte es nicht bedurft. Die Leute schließen sich in ihren Häusern wie in Festungen ein, und in den Abendstunden sind die Ortschaften wie ausgekehrt. Die Suche nach dem Mörder hat noch nicht das geringste Ergebnis gezeigt. Man munkelt , das sich der Unhold noch in den Wäldern aufhalte, andere Stimmen besagen, daß er unerkannt und von niemand verdächtigt, offen seines Weges gehe und die Gelegenheit zu einem neuen Mord abwarte. Einbrüche, die sich in der näheren und weiteren Umgebung ereignen, werden dem Mörder von Hinterkaifeck in die Schuhe geschoben. | Dieser Mahnung hätte es nicht bedurft. Die Leute schließen sich in ihren Häusern wie in Festungen ein, und in den Abendstunden sind die Ortschaften wie ausgekehrt. Die Suche nach dem Mörder hat noch nicht das geringste Ergebnis gezeigt. Man munkelt , das sich der Unhold noch in den Wäldern aufhalte, andere Stimmen besagen, daß er unerkannt und von niemand verdächtigt, offen seines Weges gehe und die Gelegenheit zu einem neuen Mord abwarte. Einbrüche, die sich in der näheren und weiteren Umgebung ereignen, werden dem Mörder von Hinterkaifeck in die Schuhe geschoben. |
Aktuelle Version vom 22. Juni 2017, 19:00 Uhr
Die Mordnacht in Hinterkaifeck
Detailinformationen
Datum
1951
Ort
Art des Dokumentes
Zeitungsserie
Verfasser
Verfasst für
Donaukurier
Inhalt
RÄTSEL UM DEN MÖRDER Dieser Mahnung hätte es nicht bedurft. Die Leute schließen sich in ihren Häusern wie in Festungen ein, und in den Abendstunden sind die Ortschaften wie ausgekehrt. Die Suche nach dem Mörder hat noch nicht das geringste Ergebnis gezeigt. Man munkelt , das sich der Unhold noch in den Wäldern aufhalte, andere Stimmen besagen, daß er unerkannt und von niemand verdächtigt, offen seines Weges gehe und die Gelegenheit zu einem neuen Mord abwarte. Einbrüche, die sich in der näheren und weiteren Umgebung ereignen, werden dem Mörder von Hinterkaifeck in die Schuhe geschoben.
Tagelang fandet man beispielsweise unmittelbar vor Ingolstadt nach ihm. ENDE
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